Die gefährliche Lungenkrankheit SARS breitet sich in Hongkong rapide aus: Die Gesundheitsbehörden meldeten am Samstag 45 Neuerkrankungen und einen weiteren Todesfall. Erst am Freitag waren 58 neue SARS-Fälle hinzugekommen. Die Gesundheitsdezernentin sprach von einer beunruhigenden Entwicklung. Banken, Geschäfte und Schulen wurden geschlossen.
SARS-Entdecker gestorben
Unterdessen starb der Arzt, der als erster auf die gefährliche Lungenkrankheit SARS aufmerksam machte und für ihre Eindämmung kämpfte, am Samstag an der Infektion. Der Italiener Carlo Urbani, ein WHO-Experte für Infektionskrankheiten, erlag der Erkrankung nach WHO-Angaben in Thailand. Dort wurde der 46-Jährige behandelt, nachdem er sich bei der Arbeit in Vietnam angesteckt hatte. In China warteten unterdessen WHO-Experten auf die Genehmigung der Behörden, um in das vermutliche Ursprungsgebiet des Virus zu reisen.
Urbani löste weltweiten Alarm aus
Carlo Urbani, Italiener und verheirateter Vater von drei Kindern, war der erste WHO-Experte, der den Ausbruch der Krankheit an einem amerikanischen Geschäftsmann diagnostizierte. Der US-Bürger war in ein Krankenhaus in Hanoi eingeliefert worden. Durch die Aufmerksamkeit Urbanis gelang es der WHO, Verantwortliche in der ganzen Welt zu alarmieren. Weltweit zählte die WHO bisher 1.485 Kranke und 53 Todesfälle. Allerdings wurden die mitgerechneten chinesischen Zahlen mit 800 Kranken und 34 Toten nur bis Ende Februar registriert.
Entwarnung in Deutschland
Entwarnung gab es indes in Deutschland, zwei Verdachtsfälle in Köln bestätigten sich am Samstag nicht. Sowohl ein 29 Jahre alter Thailänder als auch ein 35 Jahre alter Japaner seien auf dem Weg der Besserung, teilte der Leiter des städtischen Gesundheitsamtes, Jan Leidel, mit.
Experten wollen an den Urspungsort
WHO Experten warteten am Samstag in Peking weiter vergeblich auf die Erlaubnis, nach Südchina zu neuen Untersuchungen über die Lungenentzündung zu reisen. Da die WHO davon ausgehe, dass die weltweite SARS-Epidemie in der Südprovinz Guangdong ihren Anfang genommen habe, könnten dort auch Erkenntnisse gefunden werden, die auf die Herkunft des Virus schließen ließen, sagte das deutsche Mitglied des WHO-Teams, der Frankfurter Virologe Wolfgang Preiser.
Ursprung im Tierreich?
«Ein neuartiges Krankheitsbild mit einem offensichtlich neuartigen Erreger kommt ja nicht von nirgendwo, sondern hat eine Quelle», sagte Preiser. Der Ursprung lasse sich im Tierreich vermuten. Es könnte sich aber auch um einen mutierten humanen Virus handeln. «Am ehesten kann man dem auf die Spur kommen, wenn man die Infektion bis an ihre Quelle zurückverfolgt», sagte Preiser. Mit dem WHO-Team, das seit einer Woche in Peking die Krankheit untersucht hatte, besuchte der Frankfurter Experte am Samstag noch ein Labor in der Hauptstadt.
Hongkong am schwersten betroffen
Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist Hongkong derzeit weltweit am schwersten von der Lungenentzündung betroffen. Mindestens 470 Personen haben sich dort infiziert, zwölf starben an dem Schweren Akuten Atemwegsyndrom. Das jüngste Opfer, ein 82 Jahre alter Mann, hatte wie die meisten anderen SARS-Toten neben der Lungenentzündung andere Gesundheitsprobleme. Mehr als 1.000 Hongkonger wurden unter Quarantäne gestellt, und zahlreiche Einwohner gehen nur noch mit Atemschutzmasken durch die Stadt. Gesundheitsminister Yeoh Eng-kiong warnte vor weiteren Krankheitsfällen in der ehemaligen britischen Kolonie. Weltweit wurden bislang 1.458 Krankheitsfälle gemeldet, von denen mindestens 55 tödlich verliefen.
Antikriegsdemo abgesagt
Wegen der Krankheit wurde eine Antikriegsdemonstrationen in Hongkong abgesagt, die größte Fluggesellschaft Cathay Pacific Airways erwog die Streichung von Flügen. Nachdem die Rolling Stones schon Konzerte in Hongkong verschoben, sagten sie am Freitag auch ihre beiden Auftritte in China selbst ab - es wären ihre ersten Konzerte in dem kommunistischen Land gewesen.
Verzweifelte Suche nach Kontaktpersonen in Taiwan
Länder in ganz Asien kämpfen verzweifelt gegen die Ausbreitung von SARS. Singapur - dort gab es bislang zwei Todesfälle - meldete am Samstag drei neue Infektionsfälle und verdoppelte die Zahl der Personen unter Quarantäne auf 1.500. Die Behörden versuchten 18 Passagiere eines Fluges aus China zu kontaktieren, die sich womöglich infiziert haben. Taiwan verzeichnete zwei neue Fälle, damit stieg die Zahl der SARS-Kranken auf zwölf. Am internationalen Flughafen wurden 100.000 Atemschutzmasken verteilt.
Verdachtsfälle in Nordamerika
Mindestens 50 Verdachtsfälle gibt es in den USA, 35 in Kanada. Die WHO geht davon aus, dass die Krankheit von Flugreisenden verbreitet wird. Australien riet seinen Bürgern von Reisen nach Südostasien ab.
Krankheit offenbar doch heilbar
Insgesamt 34 der 58 am Freitag in Hongkong aufgetauchten SARS-Kranken lebten in einer einzigen Wohnanlage. Gesundheitsdezernentin Margaret Chan sprach von einer beunruhigenden Entwicklung, für die es keine Erklärung gebe. Neun am Samstag aus dem Krankenhaus entlassene SARS-Patienten erklärten sich indes zu "lebenden Beweisen" für die Heilbarkeit der Krankheit.