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Steigende Infektionszahlen War's das mit einem maskenfreien Skandinavien?

Aarhus: Fahrgäste tragen Mundschutze und warten am Bahnsteig auf einen Zug.
Aarhus: Fahrgäste tragen Mundschutze und warten am Bahnsteig auf einen Zug. Einwohner und Touristen in der dänischen Kommune müssen nach einem Corona-Ausbruch ab dem 11.08.2020 vorübergehend im öffentlichen Nahverkehr Mundschutz tragen.
© Bo Amstrup/Ritzau Scanpix Foto/AP / DPA
Die nordischen Länder unterscheiden sich in der Corona-Pandemie von vielen anderen Staaten in einem Punkt: Eine Maskenpflicht gab es hier nicht. Doch nun wurde sie in einigen Städten eingeführt. Kommt die Maskenpflicht in Skandinavien bald auch flächendeckend?

Maske beim Einkaufen, Maske beim Bahnfahren, Maske im Restaurant. Was in Deutschland schon seit Monaten Pflicht ist, kennt man in Dänemark, Norwegen, Schweden und Finnland kaum. Schon auf der Fähre von Fehmarn auf die dänische Insel Lolland lässt sich relativ schnell erkennen, wer aus welchem Land kommt: Deutsche tragen mehrheitlich Mund-Nase-Schutz, Dänen und Schweden hingegen eher weniger bis gar nicht. Und wer in Dänemark mit Maske einkaufen geht, wird schnell merken, dass er damit sehr häufig allein ist.

Das klingt für Maskengegner sicher mehr als verlockend. Doch in den nordischen Ländern ist die Maske seit einigen Tagen auf dem Vormarsch – zumindest lokal. 

Maskenpflicht im ÖPNV in sechs dänischen Gemeinden

In Dänemark wurden in den vergangenen Tagen immer mehr Neuinfektionen mit dem Coronavirus festgestellt. Nach Angaben des Statens-Serum-Institut – dem dänischen Pendant zum Robert-Koch-Institut – wurden 144 neue Ansteckungen registriert. Damit liegt die Zahl der Infizierten bei insgesamt 14.959, die Zahl der Toten durch Covid-19 bei 621.

Es haben sich Infektions-Hotspots gebildet, wie etwa in Aarhus, wo in den letzten sieben Tagen 341 neue Corona-Fälle gemeldet wurden. Einwohner und Touristen müssen daher seit diesem Dienstag im öffentlichen Nahverkehr Mundschutz tragen. Dies gilt in allen Bussen, Straßenbahnen und Fähren sowie an Bahnhöfen und Haltestellen in der Kommune Aarhus. Die Maßnahme gilt vorläufig für drei Wochen, also bis zum 1. September, wie aus einer am Montag veröffentlichten rechtlichen Information des Gesundheitsministeriums hervorgeht.

Doch Aarhus ist nicht die einzige Kommune in unserem Nachbarland, in der Maskenpflicht gilt. "Die Gesundheitsbehörden haben einen signifikanten Anstieg der Zahl der mit Covid-19 infizierten Personen in der Gemeinde Silkeborg festgestellt. Dies weist darauf hin, dass der derzeitige Ausbruch in Mitteljütland nicht auf die Gemeinde Aarhus beschränkt werden kann", heißt es in einer Mitteilung des Transportministeriums. Daher sei die Maskenpflicht auf die Gemeinden Silkeborg, Favrskov, Skanderborg, Odder und Horsens ausgeweitet worden.

"Es besteht die Gefahr, dass Reisende von und nach Aarhus die Infektion auf die umliegenden Gemeinden übertragen", sagte Verkehrsminister Benny Engelbrecht. Man hoffe, mit der Pflicht zum Mund-Nase-Schutz im öffentlichen Verkehr die Ausbreitung des Virus einzudämmen. Laut dem Sender TV2 sagte er allerdings, dass die Maskenpflicht nicht im gesamten Land gelte. 

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Dänemark: Maske auch an Flughäfen Pflicht

Auch Bildungseinrichtungen machen die Maske zur Pflicht. So etwa die Kopenhagener Professionshochschule. Hier soll der Mund-Nase-Schutz allerdings nur in bestimmten Situationen aufgesetzt werden, sagte Rektor Stefan Hermann dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk Danmarks Radio: "Mundschutz sollte in Situationen verwendet werden, in denen Gruppen nicht isoliert werden können und in denen sie Teams und Räume wechseln." Auch die Professionshochschule Absalon führe die Maskenpflicht ein, ebenso die Roskilde Katedralskole, wo ab dem 12. August Masken außerhalb der Klassenräume getragen werden müssen.

Die dänische Gesundheitsbehörde rät in gewissen Situationen zur Maske. Zum Beispiel, wenn man Symptome von Covid-19 zeigt und in ein Krankenhaus muss, wenn man aus einem Risikogebiet zurückgereist ist und in Heimquarantäne geht, im dicht gedrängten ÖPNV oder bei größeren Versammlungen, wo Abstand halten schwierig ist. Eine Maskenpflicht besteht auch an dänischen Flughäfen. 

Experten fordern Maskenpflicht in Norwegen

Mehr als 100 Kilometer weiter nördlich von Dänemark, in Norwegen, werden die Rufe nach einer Maskenpflicht vonseiten einiger Experten lauter. Dort sind Mund-Nase-Bedeckungen nicht obligatorisch. Die Gesundheitsbehörde FHI empfiehlt allerdings Reisenden, die aus Risikogebieten zurückkehren, eine Maske aufzusetzen, wenn sie auf dem Weg in die Heimquarantäne den öffentlichen Verkehr nutzen.

In einem Memo des FHI heißt es: "In der gegenwärtigen epidemiologischen Situation in Norwegen empfehlen wir nicht, Gesichtsmasken zu verwenden (…)." Aber: "Wenn sich die epidemiologische Situation in einem geografischen Gebiet erheblich verschlechtert, sollte die Verwendung von Gesichtsmasken als vorbeugende Maßnahme überdacht werden."

Der norwegische Gesundheitsminister Bent Høie sagte vergangene Woche, es könnte eine Empfehlung für die Verwendung von Gesichtsmasken im öffentlichen Verkehr kommen. Am 14. August solle ein genauer Rat kommen, berichtete die Zeitung "VG".

Doch das reicht norwegischen Gesundheitsexperten nicht. So sagte der Professor für Mikrobiologie der Universität Sørøst-Norge, Jörn Klein, der Zeitung "Dagbladet", Masken seien eine nützliche Ergänzung zum Abstand halten und eine Maskenpflicht könne einen neuen Lockdown verhindern. Auch Gunnar Hasle von der Reiseklinik in Oslo drängt auf die Maske: "Wenn der R-Wert unter eins bleibt, verbreitet sich das Virus nicht effektiv, und ein Mundsschutz ist ein Werkzeug, das dabei helfen kann", sagte er dem "Dagbladet". 

In Finnland könnte Masken-Empfehlung kommen – Schweden setzt nicht darauf

In Finnland steht eine Empfehlung für das Tragen von Masken ebenfalls im Raum, nachdem die Infektionszahlen wieder gestiegen sind, berichtete Yle, der öffentlich-rechtliche Rundfunk des Landes. Kirsi Varhila vom Gesundheitsministerium sagte demnach vergangene Woche, dass das derzeitige Gesetz den Behörden nicht erlaube, die Verwendung von Masken anzuordnen. Sie sei jedoch sicher, dass es eine Empfehlung dazu geben werde. Die Behörden würden überlegen, ab wann diese gelten solle und ob sie regional oder für das ganze Land ausgesprochen werde. Laut der Zeitung "Helsingin Sanomat" soll die Masken-Empfehlung noch am Donnerstag kommen. Demnach soll sie für den öffentlichen Verkehr gelten und regional sein.

Die finnische Innenministerin Maria Ohisalo empfahl am Sonntag auf Twitter das Tragen von Masken in der Öffentlichkeit: "An Orten, an denen Sie nicht Abstand halten können, ist eine Maske gut zu tragen und sollte verwendet werden." Ohisalo fügte hinzu, dass solche Maßnahmen besonders wichtig bei Reisen seien.

Ebenfalls vergangene Woche führte Turku als erste Stadt Finnlands eine Empfehlung zum Tragen eines Mund-Nase-Schutzes im öffentlichen Transport ein. Die Stadt regt an, dass Fahrgäste in überfüllten Bussen Gesichtsmasken tragen sollten, falls es nicht möglich ist, ausreichende Sicherheitsabstände zu anderen einzuhalten, wie Yle berichtet. Bürgermeisterin Minna Arve betonte aber: "Dies ist eine Empfehlung und keine Anforderung. Es ist gut, die Leute daran zu erinnern, dass es an uns allen liegt, die Situation unter Kontrolle zu halten."

In Schweden hingegen ist man von einer Maskenpflicht oder auch nur einer Empfehlung zum Tragen weit entfernt. Das Land hatte ohnehin vergleichsweise lockerere Maßnahmen gegen das Coronavirus getroffen. Der schwedische Staatsepidemiologe Anders Tegnell sprach sich in einem Interview mit der "Bild"-Zeitung am Montag erneut gegen das verpflichtende Tragen von Mund- und Nasenschutz aus. "Das Resultat, das man durch die Masken erzeugen konnte, ist erstaunlich schwach, obwohl so viele Menschen sie weltweit tragen", sagte er.

Quellen: Nachrichtenagentur DPA, Transportministerium Dänemark, Statens Serum Institut, Gesundheitsbehörde DänemarkTV2, Danmarks Radio, Roskilde Katedralskole, FHI, "VG", "Dagbladet", yle, Maria Ohisalo (Twitter), "Helsingin Sanomat"

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