In Deutschland haben im vergangenen Jahr knapp 700 Arztpraxen mangels Nachfolger dicht gemacht. Unmittelbar vor dem Ärztetag in Kiel stellte Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) den Ärzten auf dem Land zusätzliches Geld für ihre vielen Patienten in Aussicht. Weiterer Ärztemangel auf dem Land soll so vermindert werden. Verkürzen will Bahr die manchmal langen Wartezeiten gesetzlich Versicherter auf Arzttermine.
Insgesamt seien Nachfolger für 3938 Praxen von Ärzten und Psychotherapeuten gesucht worden, berichtete die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) am Sonntag in Berlin. In 692 Fällen sei die Suche ergebnislos geblieben. Von den Schließungen betroffen waren unter anderem 420 Praxen von Hausärzten und 32 von Kinderärzten. Vor allem auf dem Lande fehlen Ärzte.
An diesem Montag will die KBV in Kiel auf einer Vertreterversammlung Konzepte für eine Sicherung der ärztlichen Versorgung beraten. Am Tag drauf startet dort der 114. Deutsche Ärztetag.
KBV-Chef Andreas Köhler sagte, rund 18 Prozent derjenigen, die ihre Praxis abgeben wollen, fänden keinen Nachfolger. Der Ärztemangel sei heute schon real. Die KBV schätzt, dass bis zum Jahr 2020 rund 67 000 niedergelassene Ärzte in den Ruhestand gehen werden. "Die Situation wird sich also verschärfen", sagte Köhler. Nach der jüngsten KBV-Übersicht gab es Ende 2009 rund 69 200 Einzelpraxen und 19 500 Gemeinschaftspraxen in Deutschland.
Bahr sagte der "Welt" (Montag) hingegen, dass viele Ärzte auf dem Land keine Nachfolger finden, "führt derzeit noch nicht zu dramatischen Engpässen". In wenigen Jahren könne das anders sein. Das geplante Versorgungsgesetz schaffe neue Anreize. "Wir sorgen dafür, dass es für zusätzliche Patienten zusätzliches Geld gibt, und zwar ohne Abschläge." Das Problem langer Wartezeiten auf einen Termin "müssen wir angehen", sagte Bahr. Verantwortlich machte er die Budgetierung bei der Ärztevergütung - deshalb würden Versicherte oft aufs nächste Quartal vertröstet.
Der Vizepräsident der Ärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, hatte in einem dpa-Interview einen verstärkten Kampf der Ärzte für angemessenes Honorar und eine neue Gebührenordnung angekündigt: "Bezogen auf das Nettoeinkommen hat die Ärzteschaft in einem Zeitraum von 25 Jahren über alle Berufsgruppen hinweg am meisten verloren." Bahr entgegnete: "Die Ärzte verdienen gutes Geld, auch im Vergleich zu anderen Akademikern." Montgomery will auf dem Ärztetag in einer Kampfabstimmung zum Nachfolger des scheidenden Kammerpräsidenten Jörg-Dietrich Hoppe gewählt werden.
Die Ärztegewerkschaft Marburger Bund will für mehr Geld für die Ärzte an Unikliniken streiten. "Fachärztinnen und Fachärzte an Universitätsklinika verdienen mittlerweile bis zu zehn Prozent weniger als ihre Kolleginnen und Kollegen an anderen Kliniken", kritisierte der Bund in einem Beschluss seiner Hauptversammlung in Kiel. In den anstehenden Tarifverhandlungen mit den Länder will die Ärztegewerkschaft dies ändern.