Bilder in Hochauflösung, in den schillerndsten Farben und verschiedensten Variationen: Wer heute eine Zeitschrift aufschlägt oder ein Digital-Magazin öffnet, ist diesen Anblick gewöhnt. Doch das, was uns heute selbstverständlich erscheint, gehört erst seit wenigen Jahrzehnten in unsere mediale Realität.
Bevor die Fotografie den Medien völlig neue Möglichkeiten eröffnete, bedienten sich Journalisten der Presseillustration. Dieses Genre bildete sich zusammen mit dem neuzeitlichen Journalismus in Europa während der Konfessionskriege des 16. und 17. Jahrhunderts und der Zeit der Aufklärung.
Bestimmend wurde die Pressegrafik aber erst am Ende der 1810er-Jahre. Ihre Epoche dauerte ungefähr ein Jahrhundert – bis zum Ende des Ersten Weltkriegs, als die Illustration durch die verfeinerten fotomechanischen Reproduktionsverfahren aus den Zeitungen verdrängt wurde. Die grafischen Reporter wurden special artists oder kurz specials genannt. Zu ihren Sonderaufgaben zählte nicht nur die grafische Berichterstattung vor Ort, sondern auch die journalistische Recherche. Einige dieser frühen Bildjournalisten avancierten zu Medienstars, die es verstanden, sich abenteuerlich in Szene zu setzen.
Ein weiteres Novum in der modernen Pressegrafik stellte die Bildpublizistik der noch jungen Boulevardpresse dar. In ihren illustrierten Sensationsmeldungen kündigten sich seit den 1880er-Jahren bereits die fantastischen Motive des Surrealismus an.
Geschichte und Zeugnis in einem
Ein neuer Bildband feiert nun das goldene Zeitalter der Presseillustration. "History of Press Graphics.1819–1921" stellt die bedeutendsten Entwicklungen dieses Genres in einzelnen Kapiteln dar. In drei Sprachen – Deutsch, Englisch und Französisch – führt der Autor Alexander Roob durch die Zeit. Dabei wird nicht nur die Geschichte der Presseillustration veranschaulicht. Der Leser bekommt zudem einzigartige Zeugnisse historischer Ereignisse geboten, die ihn mal auf die Schlachtfelder des ersten Weltkriegs, mal in die kriminellen Unterwelten von Paris führen.
Einen besonderen Fokus widmet das Handbuch Vincent Van Goghs intensiver Auseinandersetzung mit der illustrierten Presse seiner Zeit.
Zum Autor
Alexander Roob lehrte Grafik und Malerei an der Kunsthochschule Hamburg und der Kunstakademie Stuttgart. 2005 hat er das Melton Prior Institut mitbegründet, das sich der Geschichte der Reportagezeichnung und der Druckkultur widmet.
"History of Press Graphics. 1819–1921", erschienen im Taschen Verlag, 604 Seiten, Preis 60 Euro.