Erfolgsautor Ferdinand von Schirach über seine Depressionen: "Ich stelle mir immer vor, dass es morgen früh vorbei ist"

Er trägt die Bürde seiner Familiengeschichte, leidet an Depressionen und sorgt sich um unser Land. Doch in der Kunst hat er eine Heimat gefunden. Ein Gespräch mit dem Erfolgsautor Ferdinand von Schirach.
Ferdinand von Schirach in Anzug und mit Zigarette
Ferdinand von Schirach, 59, fotografiert für den stern im Halleschen Haus in Berlin
© Anne Schönharting/Ostkreuz

Dieses Interview ist ursprünglich am 29. August 2023 bei stern PLUS erschienen.

Herr von Schirach, in Ihrem neuen Theaterstück "Regen" treten Sie nun auch als Schauspieler ins Rampenlicht. Was hat Sie dazu bewogen?
Die Freude am Spiel.

In "Regen", das gerade auch als Buch erscheint, betritt ein Mann, durchnässt von einem Unwetter, eine Bar und beginnt einen Monolog über das Leben, die Liebe, das Scheitern in der Liebe, Recht und Gerechtigkeit sowie den Sinn des Lebens. Haben Sie Schauspielunterricht genommen?
Das hätte nichts genützt. Verwandlungskünstler wie Dustin Hoffman in "Rain Man" oder Robert De Niro in "Wie ein wilder Stier", der nur für diese Rolle 30 Kilo zunahm, bewundere ich. Das bin ich aber nicht. Mein Vorbild ist eher, um unerreichbar hoch zu greifen, Cary Grant. Alfred Hitchcock soll einmal über den eleganten Cary Grant gesagt haben, er sei ein Langweiler. Das wäre nicht sehr freundlich gewesen, aber auch nicht ganz falsch. Bei ihm wirkte nichts gespielt, alles sah echt aus. Ich jedenfalls kann mir auf der Bühne nicht die Kleider vom Leib reißen und mich auf dem Boden herumwälzen. Wenn Sie Lars Eidinger nackt mit groteskem Buckel in "Richard III." sehen, erleben Sie ein echtes Genie. Aber wie er auftreten zu wollen wäre anmaßend und, für mich jedenfalls, auch ganz und gar unpassend. Ich bleibe lieber der, der ich bin.

Erschienen in stern 35/2023

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