Bauhaus-Austellung Von Silberprinzen und Knoblauchfressern

Für die einen waren sie Götter, die die Welt revolutionierten. Für die anderen wunderliche, streng riechende Gesellen in seltsamen Gewändern. Fest steht: Am Bauhaus wurde der Traum vom Schöner Wohnen geboren: schlicht, klar und billig. Zum 90. Geburtstag gibt es eine sensationelle Ausstellung in Berlin.

Bauhaus? Ist das nicht dieser Heimwerker-Großmarkt? Sogar in Dessau kann es einem passieren, dass der Taxifahrer zielstrebig Richtung Spreizdübel-Spezialist fährt, obwohl man doch eigentlich zu einem ganz anderen Bauhaus will. DEM Bauhaus, Ort der Idee vom schönen, guten Wohnen, vom edlen Design fürs Massenpublikum, Lehrstätte der großen Meister Walter Gropius, Oskar Schlemmer, Paul Klee, Wassily Kandinsky und Mies van der Rohe.

Die US-Künstlerin Christine Hill hat genau diesen Irrtum erlebt, als sie zum ersten Mal nach Dessau kam: Schlagbohrer und Alpina Volks-Farbe statt Stahlrohrstühle und Wagenfeld-Lampen. Alltag in Deutschland. Immer noch wissen zu wenige, was Bauhaus ursprünglich bedeutete und wie es unser Leben beeinflusst und verändert hat. Dabei würden wir heute ganz anders wohnen, wenn die exzentrischen Elite-Schüler aus Weimar und Dessau nicht gewesen wären: Kleiner, muffiger, dunkler.

Kostengünstig Kunst kaufen

"Volksbedarf statt Luxusbedarf" forderte Bauhaus-Gründer Walter Gropius. Jeder sollte sich eine helle, luftige Wohnung leisten können. Gutes Design für alle, tolle Grundrisse, sorgfältig entworfene Massenware schwebte ihm vor - und er kämpfte dafür. Dabei ging es ihm nicht nur um Malerei, Design und Architektur, sondern um ALLES: Den ganzen Menschen und sein Lebensgefühl.

Vielleicht ist Ikea heute am nächsten dran an dieser Idee. Deshalb hat Christine Hill einen seltsamen Bau mitten in den großen Lichthof des Berliner Gropiusbaus gestellt. "Do it yourself, Bauhaus" heißt ihr ausgreifendes Kunstwerk. Von außen ist es eine rote Box mit handgeschriebenen Sprüchen. "My Bauhaus is better than yours" steht da etwa. Oder "Volksbedarf statt Luxusbedarf". Auch "Wohnst du noch oder lebst du schon?" oder "Für Menschen von Geschmack". Zitate von Bauhäuslern, aber auch ein Satz aus der Ikea-Werbung hat sich dazwischen geschmuggelt.

Innen: ein Ikea-Wohnzimmer, original, mit Preisschildern an der Lampe und am Kuhfellteppich. Auf dem roten Ledersofa kann der Besucher Platz nehmen und im Bauhaus-Tapetenbuch blättern. Oder sich in Hunderte von abgehefteten Ikea-Bauanleitungen vertiefen. Ein paar Schritte weiter sitzt man auf schlichten Holzstühlen mit bunten Kissen, lässt sich eine "Wohnberatung" geben oder malt die eigene Lieblingswohnung auf und lässt sich dabei in Kinderträume und Erwachsenenfantasien fallen: Ein prima Einstieg ins Thema Bauhaus.

Aber das ist nur der launige Auftakt. Die eigentliche Ausstellung ist tatsächlich "eine Sensation", wie Gereon Sievernich schwärmt, der Leiter des Martin-Gropius-Baus (benannt übrigens nach dem Onkel des Bauhausgründers). Alle drei Bauhaus-Institutionen (Weimar, Dessau und Berlin) haben mitgemacht, dazu auch noch das MoMA in New York. Mehr als tausend Gegenstände sind zu sehen: Von der Wagenfeld-Lampe bis zur Kinderwiege.

Wohnstil made in Germany

Eigentlich war das Bauhaus ja nur eine kleine, abgelegene Kunstschule, gegründet 1919 in Weimar von Walter Gropius, 1925 umgezogen nach Dessau, 1933 geschlossen, weil Hitler die Ideen der Bauhäusler dekadent und scheußlich fand und in der Kunstschule eine kommunistische Zelle vermutete. Nur 14 Jahre also hatte es Bestand, und ist doch immer noch so stark und einflussreich wie kaum eine andere Lehrstätte. Manche sprechen sogar vom "Weltstil aus Deutschland". Noch heute finden wir das meiste schön, was das Bauhaus propagierte: Klare Linien, viel Licht und Luft, schlichte Möbel, edle Materialien, gut und billig, weil industriell in großen Stückzahlen gefertigt. Das Bauhaus wollte Labor sein für ein besseres Leben, wünschte sich eine "neue Einheit" von Architektur, Design, Malerei und Kunstgewerbe. "Ich kämpfe gegen eine Welt von Spießern", sagte Gropius. Dafür hassten sie ihn. Kalt, spröde und allzu streng seien seine Entwürfe. Allzu messianisch seine Ansprüche. Übers Bauhaus konnte man sich schon immer prima streiten, auch heute noch.

Tatsächlich waren die Bauhäusler ein wenig seltsam. In der Kantine gab es Knoblauch-Kaltschale und Isländisch-Moos-Pudding. Die Studenten trugen lange Haare, die Studentinnen kurze, dazu knappe Röcke und nackte Beine – skandalös in den Zwanzigern. Die Bürger von Weimar fanden die jungen Leute "verwahrlost" und hätten nie im Leben die eigenen Kinder an das Bauhaus geschickt. Besonders schlimm schien das freie Leben mit Festen und Maskenbällen, das zu diversen Liebschaften und sogar zu unehelichen Kindern führte. Jeden Samstag war Tanz, dazu spielte die Bauhaus-Kapelle eine Mischung aus Volksmusik, Walzer und Tango. Bei wilden Kostümfesten verkleidet man sich mit großem Aufwand als Ungeheuer oder Roboter mit bunt gemalten Masken aus Pappmaché und Töpfen als Kopfputz. "Sehr selbstbewusst, ein neuer Menschenschlag" seien die Studenten gewesen, so der Maler und Bauhaus-Meister Lyonel Feininger.

Masse hat Klasse: Kunst für alle!

Sie wollten die Welt verändern, den Muff und die Ornament-Orgien des 19. Jahrhunderts loswerden. Alles sollte eine Einheit werden: Malerei, Design, Architektur und Handwerk. Kochkunst war eben auch eine Kunst. Genauso die Liebe und das Festefeiern. Die Ausstellung gibt einen grandiosen Überblick über das gesamte, unglaublich vielseitige Werk der Bauhäusler. Gemälde von Paul Klee und Oskar Schlemmer, Lyonel Feininger und Wassily Kandinsky sind hier zu sehen neben Glasbildern und Stühlen, Bucheinbänden und neuen Schriften, experimentellen Fotos und Teekannen aus Ton und Metall. Sogar ein Original-Fensterband aus der Siedlung Dessau-Törten von 1928 hängt an der Wand, mit schickem Schwenkmechanismus. Und natürlich die berühmte Tischleuchte von Wilhelm Wagenfeld, der Renner des Bauhauses, heute noch hergestellt und immer wieder kopiert. Sie war das erste Bauhaus-Objekt, das auf dem Tisch des Direktors Walter Gropius landete: Eine gläserne Kugel auf gläsernem Schaft, klar und funktional. Kunst und Technik: Genau das war es, was die Bauhäusler wollten.

Das "drehbare Büchertischchen für das Wohnzimmer der Dame" von Walter Gropius würde man am liebsten sofort mit nach Hause nehmen, so schön, praktisch und Platz sparend ist es. Auch Gunta Stölzls Teppich in Grau-Beige-Tönen könnte man sich gut im eigenen Wohnzimmer vorstellen. Warum nur gibt es so was heute nicht zu kaufen, obwohl doch die Bauhäusler Massenproduktion ausdrücklich wünschten? Oder würden uns die avantgardistischen Dinge gar nicht mehr so gut gefallen, wenn jedermann sie bei Ikea kaufen könnte?

Dumm gelaufen: Verbot durch NS förderte Bauhaus-Ideen

Sie hatten einfach zu wenig Zeit. 1933 ist Schluss, denn die Nazis hassen das Bauhaus und terrorisieren seine Lehrer und Schüler. Eine "Brandfackel Moskaus" sahen sie in der Designschule, eine Ansammlung von Kommunisten und Unruhestiftern. Die Häuser von Gropius und Konsorten waren für sie "orientalische Kuben", die in die Wüste gehörten und nicht ins bodenständige Deutschland. Zu viel Avantgarde. Aber seltsam: Mit ihrer Verachtung und ihren Verboten erreichten die Nazis am Ende genau das, was sie sicher nicht wollten: Viele der Bauhäusler gingen ins Exil und trugen ihre Ideen in die ganze Welt. Walter Gropius und Mies van der Rohe wurden in den USA verehrt. Das Bauhaus entwickelte sich zum Inbegiff der Moderne, zu einer Art Weltstil aus Deutschland.

Und heute? Das Bauhaus in Dessau ist eine Stiftung mit Archiv, Museum und Forschungseinrichtungen. Die Meisterhäuser, nach dem Krieg heruntergekommen und verändert, sind wieder hergestellt und können besichtigt werden. Kürzlich übernachtete ein "Zeit"-Journalist im Schlemmer-Haus und versuchte, einen Hauch des alten Bauhaus-Geistes zu erhaschen. Enttäuscht zog er wieder ab. Alles viel zu eng, zu hellhörig, zu weiß, fand er. Sein Fazit: "Ein ungemütliches Angeberhaus". Schade eigentlich. Wahrscheinlich kauft er heute bei Ikea.

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