"A letter from Moria to Brussels" "Hallo, Mrs. Ursula": Graffiti-Künstler sprüht riesigen Brief auf Zug – das steckt dahinter

Nach "Wholecar"-Brief an von der Leyen – Künstler meldet sich zu Wort
© Wochit (Bildquelle) / DPA
Sehen Sie im Video: Graffiti-Künstler sprüht riesigen Brief auf Zug – das steckt dahinter.
Um auf die dramatische Situation Geflüchteter aufmerksam zu machen, sprüht ein Graffiti-Künstler sein Anliegen riesengroß auf einen Eisenbahnwaggon. Es ist nicht die erste aufsehenerregende Aktion des Berliner Künstlerkolletivs.

Bildgewaltiger Protest und mahnende politische Botschaft zugleich. Ein Berliner Künstlerkollektiv will auf die dramatische Situation Geflüchteter aufmerksam machen. Und adressiert eine der mächtigsten EU-Politikerinnen einfach direkt – Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.

Wholecar: Der überdimensionale Brief wird auf einen ganzen Eisenbahnwaggon in Brüssel gesprüht. Stattgefunden hat die Aktion, die die Gruppe "Rocco und seine Brüder" auch auf Instagram veröffentlicht hat, auf Nachfrage des stern bereits am 21. September.

"Ein Brief von Moria für Brüssel" in voller Länge:

Hello, Mrs. Ursula, hello, dear Europe,

My name is Tifl Saghir. To escape the war and the evil people, my mother took me on a very long journey.

She said it will be better in Europe. But we have to stay in a camp with a big fence.

I am hungry every day and we can not go outside and my mother is ill …

My friend Amira is allowed to go to you but I am not.

They said I can not come because I have a living mom.

Now our little shelter burnt down. We have nothing left.

This is not justice.

Your Tifl.

Der fiktive Name "Tifl Saghir" heißt aus dem Arabischen übersetzt Kleinkind. Die Gruppe "Rocco und seine Brüder" kommt eigentlich aus dem Graffiti-Bereich, steht heute aber vor allem für soziopolitischen Protest und Interventionen im öffentlichen Raum. Möchte auf Missstände aufmerksam machen.

Wohnzimmer in dem U-Bahnschacht gebaut

Wie im März 2017, als die Künstler kurzerhand ein U-Bahngleis kaperten und neu arrangierten. Ihre bisher bekannteste Aktion sorgte auch international für Aufsehen: In einem Sozialexperiment baute das Kollektiv ein Wohnzimmer in einen U-Bahnschacht (2016).

Unser Atelier ist die Straße, denn Kunst ist für jeden und sollte für jeden erschwinglich sein.

Zu der Aktion in Brüssel sagt ein Mitglied des Kollektivs gegenüber dem stern.

Das ging recht schnell, als ich mit meinen zugemalten Klamotten nach einer durchgemachten Nacht am Bahnhof stand, Fotos machte und das Video filmte, die Zugbesatzung wusste schon Bescheid und rief lauthals die Security herbei.

Erwischt wurde er aber nicht.

Der Zug wurde nach einem Tag, sobald die Message auffiel, sofort gereinigt. Bei politischen Sachen nehmen Zuggesellschaften, genau wie hierzulande, lieber einen Ausfall in Kauf, als dass diese Statements durch die Städte fahren.

Die Situation auf Lesbos hat sich nach dem verheerenden Brand im Camp Moria nicht wirklich verändert. Zwar wurden vereinzelt Geflüchtete nach Deutschland ausgeflogen, die Zustände im neu errichteten Lager "Karatepe" seien aber schlimmer als zuvor.

Hilfsorganisationen berichten von katastrophalen Zuständen

Manche der Zelte seien nur 20 Meter vom Meer aufgestellt und hätten keinen Schutz vor starkem Wind und Regen, hieß es. Essen für die Menschen gebe es nur ein oder zwei Mal am Tag, es sei nicht genug und zudem von schlechter Qualität. Auch gebe es kaum sanitäre Anlagen mit fließendem Wasser, so dass viele Lagerbewohner sich im Meer waschen müssten. Die Corona-Vorsorgemaßnahmen seien ebenso wenig ausreichend wie der Zugang zu Gesundheitsversorgung. Außerdem gebe es auf dem ehemaligen militärischen Schießübungsplatz kein Abwassersystem.

Regenfälle setzen Zelte unter Wasser

Hilfsorganisationen appellieren an die EU-Staaten, Geflüchtete von den griechischen Inseln aufzunehmen. Auch müsse die EU Griechenland und die Hilfsorganisationen dabei unterstützen, die Lager anständig auszustatten. Griechenland selbst wiederum solle die Menschen so schnell wie möglich aufs Festland holen und in angemessenen Unterkünften unterbringen. Bei ersten Regenfällen im Oktober hatten bereits etliche Zelte im Lager unter Wasser gestanden.

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