M. Beisenherz: Sorry, ich bin privat hier Der kommende Mann

Eine Kolumne von Micky Beisenherz
Micky Beisenherz ist wirklich kein großer CSU-Fan. Noch weniger ihrer Akteure. Fast wie ein Konrad Lorenz für Politikerdarsteller hat er sie beobachtet. Herausgekommen ist eine Charakterstudie einer solchen Unions-Größe. Natürlich rein fiktiv.

Der Minister erwacht in seinem Messehotelzimmer. Für einen Moment glaubt er, ins Bett gemacht zu haben. Mit Blick in den Spiegel bemerkt er, dass er das schmierige Schoko-Begrüßungstäfelchen im Gesicht hängen hat. Offenbar war er in der Nacht nicht mehr in der Lage, es vorm Schlafengehen vom Kopfkissen zu entfernen. Wie der kommende starke Mann seiner Partei sieht er gerade wenig aus. Zerknautscht. Aufgedunsen. In seiner Unterhose. Gestern trug er eine von den guten. Ein Vorzeigemodell. Bruno Banani. Für den Fall, dass er seine Popularität in Geschlechtsverkehr ummünzen kann. Zu Hause trägt er gerne die von TCM.

Zu einem Selfie fühlt er sich gerade nicht imstande. Er macht gerne Selfies. Weil er geil aussieht. George Clooney in "From Dusk till Dawn", das war ein richtig cooler Typ. Und Franz Josef Strauß. Auch ein richtiger Macher. Ein Alpha-Tier. Einer wie er. Jemand, der angepackt hat. Dinge umgesetzt hat. Den keiner verarscht hat. Schon gar nicht die ganzen Schmarotzer, die glauben, sich in diesem tollen Land breit machen zu können.

Er hat klare Vorstellungen, wie es hier zu laufen hat. Das sagt er auch. Oder schreibt es als Memorandum über die Selfies. Meist blickt er darauf nachdenklich in die Ferne. Manchmal auch entschlossen. Gerne beides. Oft macht er sich Sorgen um die Kultur des Landes. Oder die Identität. Die Religion. Die ist ihm wichtig. Er ist sehr christlich. Das scheut er sich nicht, zu betonen. Dass Frauen beim Anblick seiner Fotos unkeusche Gedanken haben. Nur menschlich, aber nicht seine Schuld.

Frankenschwein, da hört's auf

Facebook. Die Augen noch verquollen, checkt er seine Seite. Das Foto von seinem Besuch bei der IHK in Wildpoldsried. Es geht um schnelles Internet. Die Gemeinde sei jetzt von der 30-Zone ab auf die Datenautobahn, wie er gerne scherzhaft sagt. Stolz hält er die farbenfrohen Glasfaserkabel in der Hand. Er, der Kümmerer. Die bunten Leitungen sehen aus wie lange Strohhalme. Irgendein beschissenes Satiremagazin hat das Bild benutzt, um ihn im Internet als buchbaren Clown für Sangriaparties am Ballermann darzustellen. Das ärgert ihn dann doch. Kann man sowas löschen lassen? Idioten.

Genauso wie dieses Bild in der "heute Show": Er, mit dieser Herman-Munster-Frisur, den Schrauben am riesigen Kopf und der Narbe am Hals. Überschrift: Frankenschwein. Er lacht ja gerne mal mit, aber das reicht! Da hört's auf. Aber lief es für Gandhi immer glatt? Oder Strauß?

Gestern Abend ging es gut zur Sache. Gemütliches Beisammensein nach dem Bundesparteitag. Mehr als angetrunken hat er sich von einem Taxi ins Hotel bringen lassen. Der Fahrer lässt ihn wissen, dass er seine Politik super findet. Überhaupt sollte ER das Bundesland führen. Die Grenzen dicht machen. Den Moslems zeigen, wo sie hingehören, bevor wir nächstes Weihnachten schon verschleiert gehen müssen. 

Man sieht nur mit dem Herzen gut

Viele sagen ihm das. Auf der Straße. In den Bürgerhäusern. Er spürt, dass die Leute sich nach einem echten Leader sehnen. Weihnachten. Das Fest der Liebe. Der Barmherzigkeit. Das lassen wir uns von den Flüchtlingen nicht wegnehmen.Klar, dieser Terror-Tweet vor ein paar Wochen war inhaltlich vielleicht scharf formuliert, aber deshalb ja trotzdem richtig. Jede Wahrheit braucht einen Mutigen, der sie ausspricht, oder?

War das von Hesse? Er weiß es nicht mehr. Obwohl er gerne liest. Coelho mag er gern. Und den kleinen Prinzen. Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das hat er immer schon gemocht. Sein Parteivorsitzender hat ihn deshalb öffentlich abgewatscht. Also, nicht für den kleinen Prinzen. Für diesen Tweet. Dieser bigotte Affe. Hinter verschlossenen Türen redet der genauso. Schlimmer noch!  Saut ihn aber öffentlich für seinen Ton ab. Und warum? Weil er ihm parteiintern zu mächtig geworden ist. Klein gehalten werden soll. Tja, Pech gehabt, alter Mann. Über kurz oder lang stehe ich da oben.

Micky Beisenherz: Sorry, ich bin privat hier

Mein Name ist Micky Beisenherz. In Castrop-Rauxel bin ich Weltstar. Woanders muss ich alles selbst bezahlen. Ich bin ein multimedialer (Ein-)gemischtwarenladen. Autor (Extra3, Dschungelcamp), Moderator (ZDF, NDR, ProSieben, ntv), Podcast-Host ("Apokalypse und Filterkaffee"), Gelegenheitskarikaturist. Es gibt Dinge, die mir auffallen. Mich teilweise sogar aufregen. Und da ständig die Impulskontrolle klemmt, müssen sie wohl raus. Mein religiöses Symbol ist das Fadenkreuz. Die Rasierklinge ist mein Dancefloor. Und soeben juckt es wieder in den Füßen.

Er ist kein Arschkriecher wie die anderen, die immer um den Alten herum scharwenzeln. So wie "das Doktörchen", das dem Vorsitzenden immer hinterher dackelt, so dass Pressetermine intern nur noch "Gassi gehen" heißen. Wann immer Interviews vor Kameras anstehen, steht der geschniegelte Fatzke mit seiner Steppjacke im Hintergrund und sieht aus, als würde er dem Alten aus der Schulter wachsen. Wie ein Geschwür. Wobei ein Geschwür ja noch ernst zu nehmen wäre. Wie sehr er diesen rückgratlosen Speichellecker hasst. Dieser lächerliche Guttenberg-Klon.

Ein richtiger Arschtrittmagnet

Lustiger ist da schon der "Bademeister". So nennen den hier alle. Weil er permanent mit den Ideen in Berlin baden geht, die sich der Chef hier nach ein paar Maß ausgedacht hat. Ein richtiger Arschtrittmagnet. Herrlich. Viel Spaß in der Hauptstadt. Und dann immer diese Anzüge. Der Trottel trägt Prada. Bewundernswert, diese Gabe, dermaßen von sich selbst überzeugt aufzutreten bei kompletter Ahnungslosigkeit. Beides Gestalten wie diese eine komische Gummiratte, die in Krieg der Sterne am Fuße von diesem fetten Monster gesessen und immer gelacht hat, wenn der teigige Zellklumpen was gesagt hat.

Seine Kinder lieben Krieg der Sterne. Oder war das was anderes? Irgendwas mit Stern. Diese armseligen Witzfiguren. Er macht sein Ding. Wessen auch sonst. Heute Nachmittag besucht er eine Pfarrgemeinde in Freising. Kinder werden singen und ihm Briefe ans Christkind überreichen, die er bitte weitergeben soll. Keine Ahnung, wo der Staatssekretär die hinschafft. Kinder und Weihnachten. Die Leute lieben solche Bilder.

Rentner laufen bei Facebook gar nicht. Aber er muss natürlich zu denen hin.Die wählen ihn beständig. Spätestens, wenn er ein paar Sätze zur Homoehe gesagt hat. Das hören die wirklich gerne. Ihm ist eigentlich egal, was die Schwulen treiben- aber das kann er natürlich nicht sagen, wenn er auf dem Weg zur Bühne wie Moses ein Meer von beigen Cargowesten teilt. Bayern muss endlich wieder cool werden. Das geht nur mit ihm.Und bestimmt nicht mit einem, der im Keller debil schnaufend neben seiner elektrischen Eisenbahn liegt.

Oh, nein. Ihn fickt keiner.

Wann ruft eigentlich Til Schweiger zurück? So ein Flüchtlingsgipfel, z.B. in der Staatskanzlei, das hätte was. Die "Bunte" wär auf jeden Fall an Bord. Vielleicht im Schumann's, das ist lässiger. Passt besser zu ihm. Oder soll es wirklich so sein, dass diese dicke Soze wichtiger sein soll als er?

Kinder. Kinder sind unsere Zukunft. Er mag Kinder. Er hat ja selber welche. Als Katholik ist das selbstverständlich. Er betont stets die Werte des christlichen Abendlandes. Die gilt es, zu verteidigen. Das Smartphone brummt. Die Ex-Geliebte, die ihm damals ein Kind angehängt hat. Er drückt sie weg. Vermutlich geht es wieder um Geld. Er kann das jetzt nicht brauchen. Hier geht es um das Land. Die deutsche Leitkultur. Um familiäre Werte.

Gestern Abend an der Hotelbar war diese scharfe Maus gar nicht desinteressiert. Vertreterin für dieses Küchengerät, das er seiner Frau mal zum Geburtstag geschenkt hatte. Thermodingens. Der Staatssekretär meinte, das würde bei Frauen für so eine Art stufenlos verstellbaren Orgasmus sorgen und hat sich gekümmert. Das mit dem Orgasmus hat er natürlich nicht gesagt. Bestimmt nicht. Oh, nein. Ihn fickt keiner. Diesmal leider buchstäblich. Die Vertreterin verwickelte ihn schnell in ein Gespräch über Politik. Den Rest kennt er schon. Selbstgefälliges Echauffieren. Große Augen. Naives Gefasel von Mitmenschlichkeit und dem C im Parteinamen. Wie mitmenschlich sie wohl wäre, wenn sie abends allein an einem Flüchtlingsheim vorbei stöckeln müsste. Linksgrüne Lesbe. Ist dann mit irgendeinem Fielmann-Typen abgezogen. Gut, dass er die Finger davon gelassen hatte.

Ganz gutes Deutsch für so jemanden

Klar, er hätte noch mitfahren können, als drei Parteifreunde sich noch ins Taxi Richtung Dolce Vita gestürzt haben, aber das ist nichts für ihn. Man weiß nie, wer da ist, und ein Foto in so einem Laden kann er sich nun wirklich nicht leisten. Schon gar nicht nach der Geschichte mit dem unehelichen Jungen. Wie alt ist der jetzt eigentlich? Fünf? Sechs? Tolle Frauen haben die da. Ein Jammer. Wenigstens hat er hier im Zimmer stabiles W-Lan.

Gott, jetzt fällt es ihm wieder ein. Er ist vor lauter Heißhunger noch mitten in der Nacht ins Bahnhofsviertel gewankt, sich einen Döner kaufen. Der Verkäufer, vermutlich Türke, war sehr höflich. Ganz gutes Deutsch für so jemanden. War ein nettes Gespräch über Deutschland und gelungene Integration. Die freundliche Art, mit der er den Türken behandelt hat, gibt ihm auch Stunden später noch ein gutes Gefühl. Er kann es halt mit jedem. Selbst mit solchen.

Jetzt hat er doch Lust, ein Selfie zu machen. Sein Club spielt heute Abend gegen Bielefeld. Er ist aufgeregt. Er muss unbedingt ein Bild posten mit dem Fanschal um. Ein Hauch von Stehtribüne und Stadionwurst. Das ist eben auch er. Kosmopolit und volksnah. Der Schal. Er guckt in den kleinen Rimowa Koffer, den seine Frau ihm gepackt hat. Er ist leer.

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