Es ist eine Katastrophe für den deutschen Fußball. Hmh? Nein, nicht Sylvie Meis. Gut. Auch. Aber dazu gibt es ja nichts zu sagen, weil: "Zu Themen, die ihre Privatsphäre betreffen, äußert sich Sylvie Meis generell nicht." Eben. Außerdem ist Damian jetzt das Wichtigste.
Wo war ich? Ach, ja, richtig. Die Katastrophe. DFB-Gate (es gehört mittlerweile zum guten Ton, an jedes quartalsmäßige Lowlight ein Gate dran zu hängen, um das Katastrophenpotential der Enthüllung entsprechend auszuleuchten). Der gute Ruf des deutschen Fußballs ist nachhaltig ramponiert.
Spätestens seit Ex-DFB-Präsident Theo Zwanziger die Omerta gebrochen und ihm ein paar unschöne Bemerkungen aus dem pelikanartigen Kehlsack gefallen sind, rollt eine La Ola der Panik durch die Zentrale des größten Fußballverbandes der Welt.
Gibt es jetzt schwarze Kassen? Ist die WM 2006 gekauft? Wo sind diese verdammten 6,7 Millionen Euro von Louis-Dreyfus (offenbar so eine Art Muhammad Ali der Schwarzgeldschieberei) hin geflossen? Wer hängt drin? Also, außer Beckenbauer, natürlich. Und was weiß der Innenminister? Gut, die Antwort ist einfach: wie immer - nix.
Deep-Throat-Zwanziger sagt: "Ja, schwarze Kassen, die gab es". Niersbach sagt: "Nein, die gab es nicht." Aber eigentlich weiß er es auch nicht so genau. Die kürzlich anberaumte Pressekonferenz des noch amtierenden Präsidenten zumindest war ein Festival der Ahnungslosigkeit. Eine Stoiberade transrapiden Ausmaßes.
"Da müssen sie den Franz fragen." Der allerdings schweigt wie Kohl zu besten Zeiten. Dementieren kommt von Demenz, und Niersbach kann sich an so wenig erinnern wie die Männer, die man an Bushaltestellen vor Seniorenheimen vorfindet. Am Ende dieser denkwürdigen PK hatte man den Eindruck, er wollte sich nicht einmal mehr äußern, ob er auf dem Rückflug lieber einen süßen oder salzigen Snack hätte.
Was mich an der Frage, ob die WM 2006 gekauft wurde, so besonders schockiert, sind zwei Dinge:
1. Warum so billig? Katar muss toben vor Wut und
2. Wie furzegal mir das eigentlich ist.
Wer glaubt, dass in einem korrupten Schweinesystem wie der Fifa ausgerechnet UNSERE WM die einzige sein soll, die nicht gekauft war, der hält auch Nutella für Sportlernahrung.
Das wiederum führt bei mir zu einer Art intellektuellem Super-Gau: Ich stimme inhaltlich Waldi Hartmann zu. Der stellte sich unlängst vor eine Kamera - offenbar geht bei ihm so eine Art Alarm los, sobald der Name "Beckenbauer" fällt - und gab zu Protokoll, dass er in die komplette WM-Bewerbung eingeweiht war und das Turnier genauso vergeben worden sei, wie alle anderen auch. Er bemerkte dies mit einem Augenzwinkern. Kann aber auch ein Tremor sein. Letztlich war es Waldi wohl einfach nur wichtig, dass - egal, wie groß die Schweinerei auch gewesen sein mag - er dabei war.
Haben wir uns nicht längst daran gewöhnt, dass diese Systeme von Korruption durchsetzt sind? Es liegt offenbar in der Natur des Vereinswesens. Fifa, Fia, die Kirche. Sobald du zwei Personen zusammen hast, ist es ein Verein. Das ist die exakte Mindestanzahl an Leuten, die du brauchst, um einen Koffer von A nach B wandern zu lassen.
Natürlich ist es resignativ, aber hey: Es war 'ne schöne WM. Damals, 2006. Eine Blume, die aus dem stinkenden Morast der Korruption gewachsen ist. Ein Fest der friedlichen Fans. Denen es weitestgehend egal ist, wie es zu dem Turnier gekommen ist - solange das Geschehen auf dem Platz noch nicht korrumpiert ist. Oder die WM plötzlich in Fußballhochburgen wie Katar ausgetragen wird. Dann zuckt man doch nochmal.
Aber im Grunde genommen isses doch egal. Ein strategisch geplanter Stimmenkauf scheint offenbar Teil einer guten Bewerbung zu sein, und wenn IOC-Präsident Thomas Bach lückenlose Aufklärung fordert, dann liest sich das fast so lustig, als würde Sylvie Meis auf Wahrung ihrer Privatsphäre beharren. Der IOC-Präsident. Ausgerechnet.
Kapitulation vor der Korruption
Dieses Ermatten, diese Kapitulation vor der Korruption ist das eigentlich Schlimme. Fifa. DFB. Volkswagen. Ein Rattenrennen der moralischen Verwerfungen. Tiefpunkte bis zum gate nicht mehr. Diese Dinge sind mittlerweile so tief in unserem Wertekoordinatensystem verankert, so sehr in der nationalen DNA, dass die Bescheißermentalität auch in die letzte Bevölkerungsschicht eingedrungen ist.
Micky Beisenherz: Sorry, ich bin privat hier
Mein Name ist Micky Beisenherz. In Castrop-Rauxel bin ich Weltstar. Woanders muss ich alles selbst bezahlen. Ich bin ein multimedialer (Ein-)gemischtwarenladen. Autor (Extra3, Dschungelcamp), Moderator (ZDF, NDR, ProSieben, ntv), Podcast-Host ("Apokalypse und Filterkaffee"), Gelegenheitskarikaturist. Es gibt Dinge, die mir auffallen. Mich teilweise sogar aufregen. Und da ständig die Impulskontrolle klemmt, müssen sie wohl raus. Mein religiöses Symbol ist das Fadenkreuz. Die Rasierklinge ist mein Dancefloor. Und soeben juckt es wieder in den Füßen.
Spätestens als der Bundespräsident wegen seiner fischigen Bezahlmentalität aus dem Amt gelyncht wurde, war die letzte Bastion moralischer Erhabenheit auch noch gefallen. Vom Großen ins Kleine. Diese Willnehmenskultur. Mit einem "die da oben machen's doch auch alle" als gesellschaftlich anerkanntem Mantra sind Dinge wie Handschlagverträge heute im Grunde genommen nicht mehr möglich. Volkssport Beschiss. Als Kind eines Handwerkerhaushaltes kann ich das gut beurteilen.
Dies ist das eigentlich Traurige daran: Dass man sich moralisch an niemanden mehr anlehnen kann. Dass die positiven Beispiele für saubere Geschäftsmannschaft fehlen. Dass es einfach normal geworden ist, "clever" zu sein, wenn es darum geht, Geld zu sparen. Oder zu machen. Die WM 2006 allerdings machen uns die Sommermärchenerzähler vom DFB nicht kaputt. Nicht, das was auf dem Rasen passiert ist. Auf den Rängen. Auf den Straßen. Sie war eine WM der Deutschen.
Der weltoffenen, freundlichen, bunten Deutschen, die dieses Turnier zu dem großartigen Fest gemacht haben. Dieses wundervolle Bild Deutschlands macht eine schwarze Kasse in Frankfurt nicht kaputt. Was eine braune Masse in Dresden angeht, bin ich mir da leider nicht so sicher.
Wolfgang Niersbach wiederum dürfte bald sehr viel Tagesfreizeit haben, sich über diese Dinge Gedanken zu machen. Wer sein Nachfolger als DFB- Präsident werden könnte? Sofern der erste Vorsitzende nicht gezwungen ist, in der Zentrale zu übernachten: Uli Hoeneß wäre ein geeigneter Kandidat.