ESC-Moderatorin Anke Engelke Mach's noch einmal, Anke

Sie guckt wie eine Zwölfjährige, hat Bock auf Bühne und keine Angst, sich zum Deppen zu machen: Als Moderatorin des "Eurovision Song Contest" macht Anke Engelke alles richtig.

Einer dieser typischen Anke-Engelke-Momente geht so: Sie steht da auf einer riesigen Bühne vor einem noch größeren Publikum - und sieht aus wie ein zwölfjähriges Mädchen, das sich ganz doll angestrengt hat und mehr weiß als hofft, dass sie ihren Job gut gemacht hat. Die Augen strahlen in Vorfreude ob des Lobs, das gleich auf sie einprasseln wird, in Vorfreude auf die Hände der Großen, die ihr über den Kopf tätscheln werden. Vor Freude auf den ganzen Spaß, den es macht, eine Rampensau zu sein.

Mehr als fünf Millionen TV-Zuschauer haben diesen Engelke-Moment erlebt bei den beiden Halbfinals des Eurovision Song Contest (ESC). Mehrfach gleich. Und das Schöne ist, auch die nichtdeutschen Zuschauer wurden schnell von ihrer Energie und Ironie in den Bann gezogen. Alles ist ein Riesenspaß - nicht nur für Engelke. Und alle wissen, dass sie natürlich mehr kann, als mit Klein-Mädchen-Miene Scherze wie diesen zu machen: "Ihr könnt auch per Postkarte abstimmen - das wird zwar keine Wirkung haben, aber wir lieben Postkarten."

An Postkarten hat Anke Engelke gute Erinnerungen. Mit 13 Jahren war sie als Kinderreporterin für Radio Luxemburg unterwegs, unter anderem in Schweden, wo sie die Kinderbuchautorin Astrid Lindgren interviewte. "Das war toll! Zwei Stunden in ihrer Küche. Und sie hat mir danach noch eine Postkarte geschickt", erzählte sie vor einigen Jahren der Zeitschrift "Emma". Vielleicht ein Erweckungserlebnis, aber offenbar war schon die kleine Anke eine Menschenbezaubererin, die jetzt, als große Anke, dabei ist, Europa zu bezirzen.

Ihre Heimat hat sie seit Jahren im Griff: Schon als Teenie, Anfang der 80er Jahre, moderierte sie von der Internationalen Funkausstellung in Berlin und das ZDF-Ferienprogramm. Später landete sie wieder beim Radio in Baden-Baden. Doch spätestens mit der legendären "Wochenshow" mit Bastian Pastewka und Ingolf Lück gelang ihr der Durchbruch als Comedian. Am Freitag läuft auf Sat1 die großartige Schlagerparodie "Fröhlicher Frühling mit Wolfgang & Anneliese". Nur die Late-Night-Show, mit der sie die Nachfolge Harald Schmidt antreten sollte, floppte. Sie hätte sich auch gut vorstellen können, Lehrerin zu werden. "Das kann ich auch jetzt noch", sagte sie einmal. "Aber vielleicht bin ich eine Lehrerin, die jetzt schauspielert, oder eine Schauspielerin, die eigentlich Lehrerin ist."

Einfach nur Bock auf Bühne

Pädagogik jedenfalls hat sie studiert, zusammen mit Anglistik und Romanistik. Was nahe liegt, denn sie kam im kanadischen Montreal zur Welt, wo sowohl Französisch und auch ein wenig Englisch gesprochen wird. Fünf Jahre hat Engelke dort gelebt und ist deshalb dreisprachig aufgewachsen. Für einen Job wie der Moderation des ESC sind diese Fremdsprachenkenntnisse natürlich ideal, und so fließt es mehrsprachig aus ihr heraus. Sicher auch deswegen, weil sie keine Angst hat, sich zur Not vor Abermillionen Zuschauern zum Deppen zu machen. Einfach nur, weil sie Bock auf Bühne hat.

Das fällt umso mehr auf, weil die beiden Mitmoderatoren Stefan Raab und Judith Rakers hinter Engelke abfallen. Die ProSieben-Allzweckwaffe Raab wirkt, als würde sein gefürchteter Drang zum Perfektionismus seine ebenfalls gefürchtete Schlagfertigkeit ausbremsen. Und erst Judith Rakers: Die kühle Blonde mag im sachlichen Rahmen, wie etwa bei den ARD-Nachrichten, eine erstklassige Besetzung sein - doch die Gute-Laune-Schübe der strengen Judith kommen in der Arena der Ausgeflippten reichlich aufgesetzt daher. Und ganz ehrlich: Wer will schon Tagesschau-Sprecher tanzen sehen?

Kein Respekt gegenüber dem Hochamt des ESC

Oder anders gefragt: Wer will Anke Engelke nicht tanzen sehen? Das Hochamt jedes Eurovision Song Contests - die Verkündung von Punkten und Gewinnern - sollte mit irgendeiner Form von Respekt vollzogen werden. Frau Engelke, der zum Glück sehr wenig heilig ist, rief dagegen beim zweiten Halbfinale freudvoll die Namen der gewählten Finalisten heraus, riss dabei die Arme in die Höhe und das Becken zur Seite und tanzte zu den paar Sekunden der angespielten Songs. Von ihrer Feierfreude kam im TV leider kaum etwas rüber, weil der Ausschnitt immer nur ganz kurz die tanzende Anke zeigt. Überhaupt ist es schade, dass man von ihr so wenig von der Bühne mitbekommt, weil die Stimme von Kommentator und Grand-Prix d'Eurovisions-Legende Peter Urban zu oft die Moderation übertönt. Normalerweise ist das ganz gut so - im Fall der bezaubernden Anke allerdings schade.

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