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"Anne Will" Deutschlands "herausgehobene Rolle": Wie wir die Ukraine und die Weltordnung verteidigen können

Talk-Runde "Anne Will"
"Putin führt Krieg in Europa – wie ist er zu stoppen?"  – das diskutierte die Runde am Sonntagabend bei Anne Will.
© Wolfgang Borrs/NDR
Wann der Krieg in der Ukraine endlich vorbei sein wird, das konnte Anne Will in ihrer Sendung nicht klären. Dafür aber verschiedene Embargo-Szenarien besprechen.

Anne Will stellte ihre Sendung, mal wieder, unter eine Frage, auf die wir alle gern eine Antwort hätten, auf die es aktuell aber keine verlässliche geben kann. Sie wollte wissen: "Putins Angriff – Krieg ohne Ende?"

Zu Gast bei "Anne Will" waren:

  • Christine Lambrecht (SPD), Bundesministerin der Verteidigung
  • Stefanie Babst, Principal & Global Policy Advisor, Brooch Associates und langjährige NATO-Strategin
  • Marina Weisband, deutsch-ukrainische Publizistin
  • Alexander Graf Lambsdorff (FDP), Stellvertretender Fraktionsvorsitzender im Bundestag
  • Christoph Heusgen, Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz

"Meine Familie wünscht sich mit ganzem Herzen eine Flugverbotszone, weil das ganz klar Menschenleben rettet, jetzt, heute, vor den Bomben, die dort fallen. Ich kann diese Sicht nicht unterstützen und das fällt mir sehr schwer." Denn, so Marina Weisbrand weiter, eine Flugverbotszone müsse eben auch militärisch durchgesetzt werden. Und das sei, erklärte Stefanie Babst, schon rein logistisch sehr schwierig, weil die Ukraine das zweitgrößte Land in Europa, aber kein NATO-Mitglied ist. Außerdem gilt: Wir treten nicht aktiv in diesen Krieg ein. Das Errichten oder Unterstützen einer Flugverbotszone wäre aber eine aktive Beteiligung.

Waffenlieferung werden nicht besprochen

Stattdessen liefert Deutschland Waffen an die Ukraine. Wie viele, wann und welcher Art, darüber wollte die Verteidigungsministerin Christine Lambrecht keine Auskunft geben. "Wir reden nicht öffentlich darüber", sagte sie, weil es zu gefährlich sei für diejenigen, die diese Waffen in die Ukraine bringen. Der russische Geheimdienst würde solche Informationen selbstverständlich abgreifen. Zur Kritik, dass bisher statt der versprochenen 2700 Flugabwehrraketen aus DDR-Beständen nur rund 500 geliefert worden seien, wollte Lambrecht keine Auskunft geben.

Sie erklärte aber, dass das Land aus den Beständen der Bundeswehr auch nicht mehr beliefert werden kann, da sei nichts mehr vorhanden. Es würde nun auf dem Weltmarkt eingekauft. Generell warb die Verteidigungsministerin aber auch dafür anzuerkennen, dass Deutschland seinen Beitrag leiste, wir seien auch eine "Drehscheibe" für andere Länder wie beispielsweise den USA, weil wir Infrastruktur für die Soldaten und Soldatinnen dieses Landes zur Verfügung stellen. "Wir haben eine herausgehobene Rolle" und würden dieser auch gerecht werden, so Lambrecht.

Selenskyj und der peinliche Auftritt des Bundestags

Das war am letzten Donnerstag nicht so. Dass nach der Rede von Wolodymyr Selenskyj im Bundestag, bei der er das Wort direkt an Kanzler Olaf Scholz richtete, nicht darüber gesprochen, sondern über die Geschäftsordnung gestritten wurde, das empfanden sowohl die Verteidigungsministerin als auch Alexander Graf Lambsdorff als "falsche Entscheidung"beziehungsweise als "einen Fehler". Hinterher sei man eben "immer schlauer", urteilte Christoph Heusgen und warb dafür, nun nach vorn zu schauen, darauf zu gucken, wie die Ukraine unterstützt und Russland sanktioniert werden könnte.

Das für viele erfolgsversprechende Mittel: Ein Energie-Embargo. Sowohl der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz als auch die Publizistin sprachen sich dafür aus. Während Heusgen fand, dass es nicht darum gehen sollte, sofort alle Zahlungen einzustellen, immerhin sei Deutschland eben die viertgrößte Wirtschaftsmacht der Welt und als solche von einer funktionierenden Industrie abhängig, hatte Weisbrand andere Ansätze. Sie überlegte, ob nicht ein zeitlich begrenztes Embargo helfen könnte, Verhandlungen anzuregen und "zumindest den Krieg nicht mitzufinanzieren". Wichtig war Christine Lambrecht vor allem, dass wir ein Embargo dann auch durchhalten. Es sei viel schlimmer, "wenn wir wieder einknicken".

Dass sich Deutschland mit seiner Abhängigkeit von Russland erst jetzt so richtig beschäftigt, sei, trotz des schrecklichen Krieges, ein wichtiges Zeichen, so Graf Lambsdorff. Jetzt werden "große Weichen gestellt", die langfristig die Versorgung sichern und ein Embargo möglich machen. Dass auch mögliche neue Beziehungen mit Qatar und den Vereinigten Arabischen Emiraten nicht spannungsfrei und vor allem nicht mit demokratischen Ländern geführt werden, das müssen wir tolerieren. "Wo kriegen Sie es sonst her", fragte Christoph Heusgen in die Runde.

Weitere Themenpunkte:

  • Handel durch Wandel Deutschland hatte, so Heusgen, immer gehofft, dass es möglich ist, Putin mit Diplomatie zu betreiben. Das wurde falsch eingeschätzt.
  • Rote Linie: Alexander Graf Lambsdorff findet, die rote Linie der NATO wird sehr klar kommuniziert, sie "ist Grenze des Bündnisgebiet". Das muss klar kommuniziert werden. Wäre die Ukraine 2008 in die NATO aufgenommen worden, so Graf Lambsdorff, hätte es sofort Krieg gegeben.   
  • Ende des Kriegs: Stefanie Babst glaubt, dass der Krieg "langwierig" wird, weil Putin "nicht zurückrudern" kann. Graf Lambsdorff beobachtet bei Putin eine Rhetorik, die voranschreitet und ein Militär, was stockt.

Die Ukraine und die Weltordnung verteidigen

"Wir sind jetzt in der Lage, zwei Dinge zu verteidigen, die tatsächlichen Leben in der Ukraine und die Ukraine als Staat und die Idee einer Weltordnung, die auf Gesetzten beruht und nicht auf dem Recht des Stärkeren", sagte Publizistin Weisbrand.

Aber genau dafür sei die Charta der Vereinten Nationen da, unsere Ordnung funktioniert, war sich der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz sicher. Wir müssen auf die Sicherheitsordnung der Welt vertrauen. Russland wurde zu einem Paria-Staat, nur Nordkorea, Syrien, Weißrussland und Eritrea unterstützen das Land weiterhin. "Der Krieg", so der Heusgen, "wird irgendwann enden" und Putin wird sich dann, wie andere Kriegsverbrecher auch, in Den Haag verantworten müssen. Die Frage ist eben nur, wie lange das noch dauert. Und auch, wie die Welt sich nach diesem Krieg verändert haben wird.

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