Blackfacing ist schwer verpönt, historische Personen nachträglich zu "blacken" hingegen nicht. Nun hat es Kleopatra erwischt, immerhin die bekannteste Königin des Altertums. Die Entscheidung für die schwarze Schauspielerin Adele James wurde von der Produzentin Jada Pinkett Smith, der Frau des Schauspielers Will Smith, ganz bewusst getroffen. Weil es wichtig sei "Geschichten über schwarze Königinnen" zu erzählen, sagte sie – offenbar auch, wenn die Königin überhaupt nicht schwarz war und es sich um eine Dokumentation und keinen Spielfilm handelt.
Griechen nicht amüsiert
Wie nicht anders zu erwarten, gab es sofort Gegenstimmen. Zuerst aus Griechenland, denn die Hellenen beanspruchen Kleopatra als eine der ihren. Sie ist die letzte große Königin der Ptolemäer, einer makedonisch-griechischen Dynastie, die nach dem Zerfall des Reiches von Alexander dem Großen fast dreihundert Jahre über Ägypten herrschte. Kleopatra stammte in gerader Linie aus dem altmakedonischem Adel. Ihr Vorfahre Ptolemaios kämpfte an der Seite von Alexander dem Großen. In Bezug auf Alexander sind die Griechen von heute sehr pingelig. Wegen eines Namensstreits blockierte Griechenland jahrelang die EU-Aufnahme von Mazedonien, erst als sich das Land in Nordmazedonien umbenannte, gab Athen die Blockade auf. Als nun die Makedonierin Kleopatra in eine Sudanesin verwandelt wurde, waren sie nicht amüsiert.
Auch die Ägypter sind verstimmt. Die glorreiche Zeit des Alten Ägyptens soll heute identitätsstiftend für das zerstrittene Land wirken. Mit viel Pomp und Showeffekten wird die Vergangenheit beschworen, da passt es nicht ins Bild, wenn ihnen eine der berühmtesten Figuren "gestohlen" wird. Die ägyptische Regierung hat die Kleopatra-Dokumentation von Netflix nun einen "eklatanten historischen Irrtum" und eine "Fälschung der ägyptischen Geschichte" genannt. Korrekterweise hat das Ministerium für Tourismus und Antiquitäten des Landes darauf hingewiesen, dass Kleopatra von einer Dynastie griechischer Herrscher Ägyptens abstammt und daher "hellhäutige und hellenische Züge" besessen hätte. Von ihren Zeitgenossen wurde Kleopatra als hellhäutig beschrieben, Statuen und Büsten von ihr zeigen kaukasische Züge.
Identitätsraub
Dr. Mustafa Waziri, Generalsekretär des Obersten Rates für Archäologie, schrieb in einer Erklärung, dass "das Aussehen der Heldin in diesem Werk eine Fälschung der ägyptischen Geschichte und ein offenkundiger historischer Irrtum ist". Die Dokumentation greift das kulturelle Erbe an. Waziri sagte, dass Netflix die Pflicht habe, "auf historische und wissenschaftliche Fakten zu verweisen, um sicherzustellen, dass die Geschichte und Zivilisationen der Völker nicht gefälscht werden". Die ganze Situation wurde nicht verbessert, als eine Mitwirkende im Trailer der Sendung sagte: "Es ist mir egal, was sie dir in der Schule erzählen, Kleopatra war schwarz."

In Ägypten ist die Besetzung ein besonderer Affront, weil es nicht allein um die Einzelperson Kleopatra geht. Unter Schwarzen der USA gibt es die Idee eines "Schwarzen Ägyptens". Knapp zusammengefasst besagt diese Verschwörungstheorie, dass das Land am Nil seine großen Tage unter schwarzer Herrschaft erlebte. Nur so seien die Leistungen, Bauten und sonstigen Errungenschaften zu erklären. Die Vorfahren der heutigen Ägypter hingegen seien Barbaren, die das Land eroberten. Nachdem sie die Schwarzen vertrieben, tilgten sie ihre Spuren und kaperten so die ägyptische Zivilisation. Wenig verwunderlich, dass die Ägypter hier empfindlich reagieren.
Ab 10. Mai wird die vierteilige Dokumentation auf Netflix gestreamt.