Aber Striesow war gut..." Das war das Credo. Zwei vogelwilde Fälle lang belegte der Saarländische Rundfunk eindrucksvoll, dass der "Tatort" auf Identitätssuche ist. Nur das Kritikerlob für die Leistung des prominenten Hauptdarstellers stand dem Komplettverriss entgegen. Devid Striesow durfte, ja musste als der Neue an der Saar alle Register des Rollenfachs "Schräger Vogel" ziehen. Die Botschaft: Mit diesem Jens Stellbrink, da werden wir so einiges erleben! Alles klar, Herr Kommissar. Und jetzt? Ein kräftiger Tritt auf die Bremse: "Spannende Themen mit regionaltypischem Flair und überregionaler Relevanz" wollen die Saarbrücker künftig erzählen, sagt SR-"Tatort"-Redakteur Christian Bauer. Aha. Das hat der Sender mit den geschassten Vorgängern eigentlich auch schon getan. Aber gut, man kann einem "Tatort" nicht vorwerfen, dass er ein "Tatort" ist.
Ein Zurück zum "Hauptsach gudd gess"-Flair gab es im dritten Stellbrink-Fall dennoch nicht. Der schräge Vogel ist jetzt nur noch ein bisschen schrullig. Die jungenhafte Attitüde ist geblieben. Dazu zerknitterte Jogging-Klamotten, Vespafahrten mit lustigem Kugel-Schutzhelm und eine Tafel vom Mount McKinely im Büro (weil der Sohn darauf rumkraxelt). Auch der reduzierte Stellbrink war immer noch bunt genug, um die alles überragende Figur im beinharten Normalo-Umfeld zu sein - auch schauspielerisch. Dass Stellbrinks Assistentin Lisa Marx (Elisabeth Brück) von ihren Kollegen liebevoll "Misses Spock" genannt wird, passt nicht nur auf die Filmfigur, sondern auch auf deren Darstellerin. Und Sandra Steinbach - schon in den ersten beiden Stellbrink-Fällen unangenehm aufgefallen - macht weiter den Eindruck, als könne sie mit ihrer Rolle als Staatsanwältin einfach nichts anfangen.
Wieder nur "dieses Internet"
Allerdings hatten sie es auch alle schwer. Die Story um "Adams Alptraum" von Lars Montag und Dirk Kämper wurde so sprunghaft erzählt, als hätte Stellbrink selbst das Skript geschrieben. Dabei war das Thema eigentlich nicht schlecht: Anonymität im Internet, wie schwer es ist, dabei die Kontrolle zu behalten, und was sich daraus (im schlimmsten Fall) entwickeln kann. Das ist zweifellos ein aktuelles Problem, doch wurde damit leider einmal mehr so umgegangen, dass letztlich wieder nur der diffuse Eindruck von "diesem Internet" mit seinen unbekannten Bedrohungen übrig blieb. Da half auch das eher enervierende denn erhellende Dozieren vom Chef der Spurensicherung (Hartmut Volle) wenig.
Daraus, dass der Film dramaturgische Schwächen hatte, machte er selbst keinen Hehl. Schon mittendrin beschwerte sich Stellbrink bei Frau Müller (Silvia Bervingas), der Kultfigur der neuen Saar-"Tatorte", dass alles so verwirrend sei und er die Fäden einfach nicht zusammenbringe. Dann wurde zum Showdown endlich mal Spannung aufgebaut, als sich Stellbrink in seiner leichtfertigen Art selber zum Lockvogel für eine als Flashmob organisierte Schlägertruppe macht, doch just in diesem Moment fing das ansonsten recht bemüht wirkende Ermittlerteam auf einmal an zu flachsen.
Ermittler müssen sich selber den Fall erklären
Zum Schluss wurde mit der Tochter des Mordopfers eine Täterin wider Willen aus dem Hut gezaubert, auf die selbst Stellbrink nur durch eine späte Eingebung kam. Wie wenig nachvollziehbar der Fall war, demonstrierten die Autoren schließlich mit jener Szene, in der sich die Ermittler den Fall gegenseitig erläutern mussten - ganz so als wollten sie sagen: "Liebe Zuschauer, wir wissen leider auch nicht, ob wir die Geschichte verständlich machen konnten, aber so war es gedacht."
Vielleicht sollten die Saarbrücker auch im wahren Leben mal Frau Müller fragen. Die hatte ja auch den entscheidenden Gedanken, der zur Lösung des aktuellen Falls führte. Irgendwie muss man einen spannenden Plot und den schrägen Vogel Stellbrink doch zusammenbringen können. Denn Striesow, der war wieder gut.
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