Eigentlich sollte sie ein Jahresrückblick werden, diese letzte "Hart aber fair"-Sendung des Jahres 2016. Edmund Stoiber, Alice Schwarzer, Serdar Somuncu, Rolf-Dieter Krause und Leni Breymaier sollten über das "Schockjahr 2016 – nur Schurken, kaum Helden?" diskutieren. Aber statt sich des vielfältigen Themenpotpourris (Trump! Brexit! Erdogan! Castro! Fußballeuropameisterschaft!) anzunehmen, gab es nur ein dominierendes Thema.
Angela Merkel - Versagerin oder Heldin?
Geflüchtete. Ihre Anzahl, das Scheitern der Politik, die Zeichen der Globalisierung, Angela Merkel. Die Kanzlerin, immerhin, wurde am Rande dann auch diskutiert. "Eine Versagerin", nannte eine Frau sie in der Straßenumfrage. Viele aber nannten sie Heldin. Weil sie "steht wie ein Fels in der Brandung", so die Begründung. Weil die Kanzlerin verlässlich ist, besonnen agiert. Stoiber, angesprochen auf die erneute Kanzlerkandidatur der CDU-Chefin lavierte sich um Kritik herum. "Je näher die Wahl rückt, umso mehr werden CDU und CSU so tun, als sie alles in Ordnung" befand Rolf-Dieter Krause. Einer der wenigen Sätze, die der Journalist an diesem Abend überhaupt zum Talk beitrug.
Schwarzer und Stoiber bliesen in das gleiche Horn
Wortstark dagegen Stoiber und Schwarzer, die, so stellte Serdar Somuncu fest, zwei Extreme der Flüchtlingsdebatte 2015 & 2016 darstellten. Die Feministin Schwarzer, die für ihn die Willkommenskultur der letzten Jahre widerspielgelte, und Stoiber, der symbolisch für die Menschen stünde, die die Grenzen gar nicht öffnen wollten. Dabei wurden beide Angesprochenen nicht müde zu betonen, dass mit den Geflüchteten auch Probleme nach Deutschland gekommen wären.
Held oder Schurke – im Fall der Silvesternacht in Köln ergibt diese Frage eigentlich gar keinen Sinn. Denn welche Helden soll es bei dieser Tragödie schon geben? Stattdessen: Politikversagen, Politiker, die die Geschehnisse im Wahlkampf für sich nutzen, Pauschalisierungen. Für eben diese waren Stoiber und Schwarzer sich an diesem Abend nicht zu fein. Während er sich langatmig darüber ausließ, dass ein "Kontrollverlust" durch das Problem der "ungeordneten Zuwanderung" entstanden sei, weil diese "nicht steuerbar" war, wollte die Feministin erörtern, dass die Maxime "wer kommen will, soll kommen" unerreichbar ist. Und schon bliesen Schwarzer und Stoiber den ganzen Abend über in das gleiche Horn.
Schwarzer: Silvesternacht in Köln "Akt des Terrors"
Serdar Somuncu hielt dagegen, in dem er nicht müde würde zu propagieren, dass eben Globalisierung auch bedeuten würde, dass Menschen aus aller Welt sehen, wie es Deutschland geht und sich auf den Weg hierher machen würden. Durch "Verteilungsgerechtigkeit", so sein Vorschlag, soll erreicht werden, dass die Armen nicht weiter ausgebeutet werden und es vielen besser gehe. Eine Utopie, sicherlich. Aber natürlich hat der Comedian Recht, wenn er feststellt, dass viele Geflüchteten sich auf den Weg nach Deutschland machten, weil sie in ihrer Heimat von Krieg bedroht sind. "Terror ist auch der Grund, warum die Flüchtlinge nach Deutschland kommen" sagte er, als Alice Schwarzer davon sprach, dass die Silvesternacht in Köln ein Akt des Terrors gewesen sei.
Entwurzelte Männer ohne Integration
Die SPD-Politikerin Leni Breymaier wünschte sich, dass all die hochgekochten Emotionen, die das Thema Köln mit sich brachte, auch weiterhin genutzt werden, um auf die Gewalt gegen Frauen aufmerksam zu machen. Schwarzer wiegelte ab. Die Feministin, die sich gern für die Rechte der Frauen stark macht, hatte sich für den "Hart aber fair"- Abend offenbar auf die Fahne geschrieben über geflüchtete Männer zu sprechen. "Zur Gewalt gegen Frauen kommen diese entwurzelten Männer dazu." Ihrer Meinung nach müsse das Hauptaugenmerk deswegen auf die Integration gerichtet werden, auch wenn sie daran glaubt, dass diese erst der nächsten oder übernächsten Generation gelingen wird.
Genau diese Integration aber war SPD-Frau Breymaier ein Anliegen. Zu sehr würden die Länder und Kommunen mit der Betreuung der Geflüchteten allein gelassen. Und sie sagte den Satz, der wohl programmatisch im Wahlkampf 2017 werden wird. "Die Leute werden zu uns kommen, wenn wir nicht die Ursachen [der Flucht] bekämpfen." Einzig die Tatsache, dass Breymaier konsequent von den Geflüchteten und nicht den Flüchtlingen sprach, unterschied sie in diesem Punkt vom CSU-Mann, der die gleiche Parole ausrief. Die Fluchtgründe müssten bekämpft werden, und sonst laute die Devise seiner Partei: "Rückführung ist das Gebot der Stunde."
"2016 war das Jahr der Populisten"
Eigentlich war diese "Hart aber fair"-Runde viel eher eine weitere Diskussionsrunde zum Thema Flüchtlinge, als ein echter Jahresrückblick. Der türkische Präsident Erdogan und sein Vorgehen im eigenen Land wurden nur von Somuncu kurz erwähnt, Plasberg lehnte die Diskussion dazu ab. Der Sieg Donald Trumps wurde benannt, aber kaum debattiert, der Brexit war gleich gar kein Thema. "2016 war das Jahr der Populisten" ließ sich Somuncu dann doch zu einem Fazit hinreißen. Er forderte, dass in 2017 Lösungen präsentiert werden, wie der Fremdenfeindlichkeit gegenüber getreten wird.
Edmund Stoiber wünschte sich einen offenen Dialog darüber, dass die Geflüchteten auch Probleme mit nach Deutschland brachten. Leni Breymaier möchte, so sagte sie, in 2017 mehr mit den Menschen über die Themen sprechen, die sie bewegen, "auch jenseits des Burkaverbotes". Der Journalist Krause befand, dass die Deutschen "nicht gut die Mitte können" und daher immer zu Extremen neigen, woran sich vermutlich auch im neuen Jahr nichts ändern wird. Und Alice Schwarzer stellte fest, dass Schwarz-Weißes-Schubladendenken gar nichts bringt. "Im Leben gibt es ja nicht hier Helden, da Schurken", sagte sie. Es bleibt abzuwarten, wer sich 2017 als Held und wer als Schurke hervor tut.