Tommy Haas: "Hier ist alles ein bisschen relaxter"
Es mag blöd klingen, aber viele Leute kommen nach Amerika, weil sie glauben, das ist das Land der Träume, in dem alles möglich werden kann. Wenn ich heute zurückblicke, dann ging das für mich auf, konnte ich mir hier einen Traum erfüllen - aber so dachte ich natürlich nicht, als ich mit 13 nach Florida zog, um die Tennisakademie von Nick Bollettieri zu besuchen. Ich wollte Profi werden und seine Akademie war der perfekte Ort, um diesem Ziel nachzugehen.
Dann begann ich, um die Welt zu reisen und Turniere zu spielen, und seitdem kehre ich immer wieder zurück nach Amerika. Dennoch: Nach Hause kommen bedeutet für mich bis heute - nach Deutschland kommen. Da sind meine Wurzeln, da ist meine Familie. Auch wenn ich inzwischen eine eigene Familie habe. Meine Frau ist Amerikanerin, unsere Tochter wurde hier geboren, wir leben in Los Angeles. Aber unsere Tochter wächst zweisprachig auf: Ich rede nur Deutsch mit ihr. Ich besitze inzwischen die doppelte Staatsbürgerschaft, aber ich hätte den amerikanischen Pass nicht haben wollen, wenn ich meinen deutschen dafür hätte aufgeben müssen. Für mich gibt es keine bessere Kombination als die deutsch-amerikanische.
Es mag die amerikanische Entspanntheit
An den Deutschen mag ich ihre Zielstrebigkeit, ihre Ehrlichkeit, ihre Verlässlichkeit. Wenn wir sagen, wir treffen uns um heute um 12 in der Shopping-Mall, dann sind wir auch um 12 Uhr hier. Bei den Amerikanern heißt es: Ja, ja, mal sehen. Hier ist alles ein bisschen relaxter, was auch okay ist. Ich denke beim Tennis eigentlich, ich muss perfekt spielen und am besten immer die Linie treffen - aber inzwischen sage ich mir auch mal: Tommy, ist gut, es reicht, das Match zu gewinnen. Das ist eher die amerikanische Einstellung.
Ich mag diesen Easy-Lifestyle, es ist alles ein bisschen einfacher. Ich kann auch am Sonntag um 23 Uhr noch einkaufen. Aber ich gehe zu Fuß in die Mall, das ist wieder sehr deutsch: In L.A. fährt ja jeder überall mit dem Auto hin! Es ist immer viel Verkehr, das nervt ein bisschen. Aber wir haben ein Haus gefunden, da ist alles in Fußnähe: Einkaufszentrum, Trainingsplatz. Auch ein Wahllokal. Ich dürfte jetzt zum ersten Mal wählen, ich bin mir nur nicht sicher, ob ich das will. Die geben Unsummen für ihren Wahlkampf aus, aber dann geht es doch nur darum, sich gegenseitig schlecht zu machen. Ich kann mich hier schwer mit Politik identifizieren. Es wird so viel manipuliert, da weißt du nicht mehr, was du glauben sollst.
Aufgezeichnet von Ulrike von Bülow
Vanessa von Bismarck: "Pessimismus gibt es nicht"
Die Amerikaner geben dir immer one shot - eine Chance. Wer es hier schaffen will, kann es schaffen. Das gilt bis heute. Ich bin ein gutes Beispiel dafür. Als ich in New York ankam, hatte ich keine Erfahrung mit PR. Ich lernte den Job hier, machte mit einer Kollegin unsere Firma auf – und dann arbeiteten wir wie die Verrückten. Jetzt haben wir drei Büros mit 50 Angestellten. Man muss nur immer weiter machen, so sehen es die Amerikaner. Sie können nicht pessimistisch sein, das ist in ihrer DNA nicht vorhanden.
Sie setzen sich nicht hin und jammern: Ich kenne einige Leute, die in der Finanzbranche waren und haben während der Krise vor vier Jahren ihren Job verloren; die waren geschockt, aber nach drei Monaten hatten sie woanders was Neues gefunden. Oder sich entschieden, noch mal zur Uni zu gehen und sich weiterzubilden.
Ich war jetzt im Sommer drei Monate in Spanien im Mutterschaftsurlaub - da war die Atmosphäre furchtbar. Die Spanier sind so deprimiert, alles ist da Krise, Krise, Krise! Die ziehen lange Gesichter, aber dann versuch' mal, einen Klempner zu kriegen. Da kannst du lange warten. Das ist alles wahnsinnig unflexibel da. Anders als hier.
Eigentlich müsste ich ja Republikanerin sein...
Wenn es nach meiner Familie ginge, die eher CDU-nahe ist, müsste ich hier Republikanerin sein, aber ich würde Obama wählen, wenn ich dürfte. Als er vor vier Jahren gewann, stand ich auf dem Times Square - irre, wie da gefeiert wurde. Jetzt ist der Wahlkampf wieder ein großes Thema. Und anders als in Deutschland, wo man nicht fragt, was wählst du, erzählt hier jeder, was seine politische Überzeugung ist. Klar, die Reichen wollen die Republikaner, weil sie Angst vor neuen Steuern haben. Es gibt auch Reiche, die Demokraten sind, aber das sind die Jüngeren, die Internet-Leute, die an das öffentliche Wohl denken und wollen, dass Dinge besser werden in diesem Land.
Die meisten Republikaner interessiert das nicht. Ich finde deren Wählergemeinde ein bisschen beängstigend. Die sind mir zu weit rechts und zu engstirnig. Die meisten von denen sind noch nie aus Amerika rausgekommen, die haben keine normale Weltanschauung. Sie würden alles machen, damit Romney gewinnt - Hauptsache, Obama verliert.
Aufgezeichnet von Ulrike von Bülow
Leo König: "Dieses Mal sammele ich kein Geld für Obama"
2008 habe ich für Barack Obama Geld gesammelt, ich organisierte bei mir zu Hause und in meiner Galerie Spendengalas. Ich war begeistert von ihm, die Enttäuschung kam, als ich merkte, dass er zu viel von sich und seinen Ideen aufgeben musste, um Kompromisse zu erreichen.
Persönlich sehe ich das ja bei der Gesundheitsreform, die ich befürwortet habe. Aber dieses Zwischending trifft nun vor allem Kleinbetriebe wie meine Galerie, ich zahle heute für meine sechs Angestellten doppelt so viel wie zuvor. Mit Obamas ursprünglicher Idee, ähnlich dem europäischen Modell, wäre es weniger.
Obama hat uns damals mit seinen Reden verführt, heute ist er nicht mal in der Lage, seine Politik zu erklären. Ich habe manchmal das Gefühl, dass er sich dafür zu schade ist. Diese Hochnäsigkeit kann ihn zu Fall bringen - und das ärgert mich noch mehr, weil es vermeidbar wäre.
Ich spüre dieses Pathos immer noch nicht
Ich lebe nun seit 15 Jahren in New York, ich fühle mich nicht mehr als Gast, mittlerweile habe ich mir mein kleines Stück Amerika geschaffen, ich nenne es meine Routine: Arbeit in der Galerie in Chelsea, um die Ecke Kaffee bei Joe's und Lunch im Half King. Ich habe nur noch den amerikanischen Pass, trotzdem spüre ich nicht diesen Stolz, diesen Pathos der Amerikaner in mir.
Auf der anderen Seite ärgere ich mich, wenn Leute in Deutschland immer wieder mit den gleichen Klischees über Amerika kommen. Es ist zum Beispiel nicht das Land der Verrückten. Amerika hat rund 310 Millionen Einwohner, davon sind 290 Millionen ganz normal, aber geschaut wird nur auf die Randgruppen, die religiösen und politischen Fanatiker oder auf die Waffennarren. Die Medien legen darauf den Fokus und prägen damit das Bild dieses Landes, das ich hier nicht so wahrnehme.
Manchmal wünsche ich mir ein System wie in Deutschland
Mir ist schon wichtig, wie die Welt Amerika sieht. Seit Obama hat sich das Image verbessert, damit fühle ich mich wohler und auch überraschend viele meiner Kunden, obwohl die oft zu den Ein-Prozent gehören. Die wollen natürlich nicht, dass Obama sie bei den Steuern so abschröpft wie es der Sozialist Francois Hollande gerade in Frankreich macht.
Natürlich wünsche ich mir manchmal ein politisches System wie in Deutschland, wenn man sich da über die SPD ärgert, stimmt man halt beim nächsten Mal für die Grünen. Hier gibt es nur zwei Parteien. Wenn ich mit meiner amerikanischen Frau Maggie über die Fehler von Obama diskutiere, sagt sie, ja, aber wer ist die Alternative, vor allem, wenn es um die Rechte der Frauen geht? Und ich muss ihr dann zustimmen.
Dieses Mal werde ich kein Geld für ihn sammeln, aber Obama wird weiter meinen Rückhalt haben. In New York sind eh fast alle für ihn. Deshalb würde ich gerne für die Zeit der Wahl in so einem Staat wie Ohio leben wollen, dort würde meine Stimme über Obamas Sieg eventuell entscheidend sein.
Aufgezeichnet von Giuseppe Di Grazia
Sebastian Thrun: "Es ist leicht, Schranken niederzureißen"
Vom Silicon Valley habe ich geträumt, seit ich als kleiner Junge in Blecher, im Bergischen Land, vor dem Radio saß und hörte, dass es einen Fleck auf der Welt gab, an dem diese tollen Computerchips hergestellt wurden. Ich wusste gar nicht, was ein Computerchip war. Aber ich liebte Fischertechnik und war begeistert davon, dass es solch einen Ort gibt, der für Fortschritt und Innovation stand.
Heute erfüllt sich mein amerikanischer Traum immer wieder: Er erfüllt sich, indem ich die Möglichkeit habe, viele Ideen voranzutreiben, die sehr ehrgeizig sind und nicht ohne Risiken - Autos zum Beispiel, die sich selber lenken. Das ist das, was ich an Amerika liebe: Man kann Dinge machen, die außerhalb der Norm sind, und Probleme mit einer völlig neuen Sichtweise angehen. Grenzen gibt es nur, wo man sich selber welche setzt.
Ich liebe die Bereitschaft zu experimentieren
Im Silicon Valley findet man das stärker als im Rest des Landes. Aber ich glaube, die Bereitschaft, zu experimentieren und alles zu hinterfragen, ist generell tief in der amerikanischen Gesellschaft verankert. Es ist ja kein Zufall, dass viele Innovationen aus den USA kommen. Das liegt sicher auch daran, dass Amerika ein sehr junges Land ist, in dem Siedler vor relativ kurzer Zeit ihre eigenen Strukturen aufbauen und viele Hindernisse überwinden mussten.
Als ich 1995 aus Deutschland wegging, hatte ich das Gefühl, dass Deutschland weit weniger bereit für neue Gedanken war. Das hat sich inzwischen stark geändert, denke ich, und das ist sehr schön. Denn unsere Welt wandelt sich rasanter als jemals zuvor. Lernen ist eine lebenslange Aufgabe geworden. Meine Internet-Universität "Udacity" soll dabei helfen: Wir geben Menschen die Möglichkeit, sich spielerisch und kostenlos weiterzubilden – wann immer sie wollen, wo immer sie sind. Menschen in Entwicklungsländern ebenso wie Menschen, die mitten im Berufsleben stehen und sonst keine Chance hätten, auf die Uni zu gehen.
In den USA lassen sich leicht Schranken niederreißen
Ich glaube, dass solch ein Gedanke wirklich die Welt verändern kann. Genauso, wie ein selbstfahrendes Auto die Welt verändern kann. Darin liegt mein Ehrgeiz: Menschen zu helfen und die Welt zu verändern. Vielleicht ginge das in Deutschland auch. Aber hier fällt es leichter, die Schranken im Kopf niederzureißen und zu sagen: "Das machen wir jetzt mal!" Das ist einfach sehr, sehr amerikanisch.
Aufgezeichnet von Karsten Lemm
Wolfgang Petersen: "Amerika ist im Innersten zerrissen"
Meine Frau Maria und ich leben seit einem Vierteljahrhundert in Amerika. Wir haben Bill Clinton miterlebt - das waren schöne Zeiten. Viele träumen noch davon, ich auch: Es herrschte ein Haushaltsüberschuss und ein politisches Klima, in dem man sich recht wohlfühlen konnte.
Natürlich war das Land auch damals schon angeschlagen durch den Vietnamkrieg zum Beispiel – aber es stand auf gesunden Beinen und wurde im Rest der Welt geachtet. Der Bruch kam mit 9/11 – die Anschläge haben die Vereinigten Staaten zerbrochen, so weit, dass man sagen muss: Die Terroristen haben tatsächlich geschafft, was sie erreichen wollten.
Das Miteinander erinnert an Bürgerkrieg
Amerika ist seitdem im Innersten zerrissen. Ich meine, es gab immer Konflikte zwischen den Republikanern und Demokraten, aber wie hässlich und hasserfüllt sie nun miteinander umgehen, das erinnert ja fast an einen Bürgerkrieg. Man hat das Gefühl, die würden sich gern bewaffnen und aufeinander losgehen! Natürlich kommt diese unglaubliche Aggression auf alles, was nicht-amerikanisch ist und fremd aussieht, vor allem: arabisch aussieht, aus einer Verunsicherung, die kein Amerikaner bis zu diesem Zeitpunkt je gespürt hat. Amerika hat die Angst entdeckt! Und sein Lächeln verloren.
Ich habe an den Amerikanern immer besonders die Offenheit gemocht, mit der sie Fremden begegnen. Locker, freundlich, liebenswert - mich haben sie, ich kann es nicht anders sagen, herzlich an ihre Brust gedrückt. Ich hatte alle Möglichkeiten in diesem Land als Filmemacher, es waren tolle Zeiten. Aber seit 9/11 hat sich so viel verändert. Plötzlich ist da große Paranoia spürbar. Ich weiß noch, wie mich Udo Jürgens einmal aus New York anrief, das war nach den Anschlägen.
Udo Jürgens mit einer MP abgeführt
Bei der Einreise wurde er aus der Warteschlange gezogen und Stunden lang eingesperrt, weil er einen Fehler im Formular gemacht hatte. Nicht, dass er erwartet hätte, die ganze Welt kenne Udo Jürgens. Aber abgeführt mit der Maschinenpistole! Wolfgang, sagte er, was ist denn bloß mit diesem Land passiert?
Angst zerstört eine Nation. Deswegen sage ich: Eigentlich muss ein Psychiater ran! Das Trauma muss, wie sie hier sagen, "gefixt" werden. Es muss eine Brücke geschlagen werden zwischen diesen auseinanderstrebenden Parteien, die Menschen müssen wieder zusammenrücken, Amerika muss raus aus dieser Identitätskrise. Kann Mitt Romney das? Nein. Für mich ist er ein Opportunist, ein Technokrat, der kein Gespür für Menschen und der keine Vision hat. Ich traue ihm nicht über den Weg. Ich setze auf Obama.
Wo sind die erstklassigen Filme aus Hollywood?
Man kann den Allgemeinzustand des Landes ganz gut mit Hollywood vergleichen. Die Kinoindustrie ist ja ähnlich angeschlagen: Seit Jahren sind hier keine erstklassigen Filme mehr entstanden, es herrscht überall Unsicherheit und Panik, wie in der Politik. Aber so wie ich überzeugt bin, dass das amerikanische Kino seine Kraft wiederentdeckt, glaube ich auch fest daran, dass sich die Stimmung im Land verändern kann. Denken Sie an die Autoindustrie. Vor zwei Jahren noch: tiefste Krise, ein großes Nichts. Und dann, auch mit Obamas Hilfe, haben sich die Autobauer berappelt, produzieren plötzlich großartige Autos, sind mit ungeheurem Stolz erfüllt und endlich wieder am Ball, sehr aggressiv und innovativ.
Da sieht man also: Wenn die Weichen richtig gestellt sind und der Funke zündet, kann Amerika seinen alten "Can do"-Geist wiedererwecken. Das ist doch der amerikanische Traum: dass man in diesem Land etwas aufbauen kann. Ist dieser Traum tot? Nein. Das ist wie bei einem kranken Menschen: Er ist schwach, aber seinen wahren Charakter kann man nicht platt machen.
Aufgezeichnet von Ulrike von Bülow