Sex gehört mittlerweile zum Alltag. Auf Werbeplakaten, im TV und in Sozialen Netzwerken – nackte Haut ist oft nur einen Blick – oder Klick – entfernt. Generationen, die auf die Baby-Boomer folgten, also alle Menschen, die nach 1980 geboren wurden, sind zu aufgeklärten Erwachsenen herangewachsen. Nur scheint es fast so, als habe die zunehmende Sexualisierung der Gesellschaft dazu geführt, dass Millennials keine Lust mehr auf Sex haben.
Das jedenfalls legen gleich mehrere Studien der vergangenen Jahre nahe. Der Konsens: Die Generation Y, die zwischen 1980 und 1999 geboren wurde, fängt nicht nur später mit sexuellen Handlungen an, sondern hat auch generell seltener Sex. Am gravierendsten ist die Sexflaute laut US-Studien bei Menschen, die sich in einer Langzeit-Beziehung oder Ehe befinden.
Millennials haben "Probleme mit sexuellem Verlangen"
Laut einer gemeinsamen Umfrage des McKinsey-Instituts an der Indiana University und des US-Sex-Shops "Lovehoney" aus dem Jahr 2021 haben 25,8 der verheirateten Millennials angegeben, im letzten Jahr "Probleme mit dem sexuellen Verlangen" gehabt zu haben. Zum Vergleich: in der Generation Z haben das nur 10,5 Prozent angegeben und bei den Baby-Boomern 21,2 Prozent
Zwar ist das fehlende Verlangen nach Sex nicht gleichzusetzen mit einer sexlosen Beziehung – aber früher oder später führt das eine zum anderen. Aber wann spricht man eigentlich von zu wenig Sex? In einem "BBC"-Bericht wird der renommierte Sexualtherapeut Stephen Snyder wie folgt zitiert: "Für mich bedeutet 'sexlos' in der Regel viermal im Jahr oder weniger." Generell kann man aber sagen, dass es dann zu wenig Sex ist, wenn einer der Partner oder beide unzufrieden damit sind.
Haben Millennials also keine Lust auf Sex mit ihrem Partner? So einfach ist es nicht. Wissenschaftler gehen von unterschiedlichen Ursachen für die messbare Sexlosigkeit in Millennial-Ehen aus. Neben individuellen Gründen wie unterschiedlichen Vorstellungen und Bedürfnissen, medizinischen und psychischen Problemen oder auch zu viel Stress im Alltag, gibt es auch gesellschaftliche Veränderungen, die uns zunehmend von sexuellen Abenteuern abhalten.
Zwischen Performance-Druck und Arbeitsstress
Sexualtherapeut Snyder sieht vor allem den Einfluss des Internets in diesem Zusammenhang kritisch. Die vielen Möglichkeiten, sich im Netz zu beschäftigen, würden die jungen Leute vom Sex ablenken. Durch Streaming-Dienste wie Netflix oder Amazon Prime hätte sich die Generation daran gewöhnt, sich berieseln zu lassen statt selbst aktiv zu werden – selbst, wenn es um Sex geht.
Die Sexualtherapeutin Celeste Hirschmann aus San Francisco hingegen sieht einen gesteigerten Performance-Druck durch die Übersexualisierung auf Social Media, wie sie im Gespräch mit "BBC" sagt: "Das daraus resultierende Selbstbewusstsein kann die Menschen bis ins Schlafzimmer und in die Ehe verfolgen und sie weniger selbstbewusst machen."
Ein weiterer Faktor, der das Sexleben von Millennials maßgeblich prägt: Stress. Und der kommt meistens durch die Arbeit. Die nimmt die Generation Y, anders als die Generation X beispielsweise, nämlich sehr ernst. Laut einer Umfrage des globalen Beratungsunternehmens Deloitte von Mai 2022 erleben 38 Prozent der Millennials eine massive psychische Belastung, größtenteils durch ihre Arbeitssituation.
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Und Stress gehört bekanntermaßen zu den größten Libidokillern. Wenn unser Körper vom Stresshormon Cortisol überrannt wird, ist nicht mehr viel Kapazität für Hormone, die unsere Leidenschaft anheizen. Jedenfalls reichen die Hormone oftmals nicht aus, um die Paare der Generation Y dazu zu bewegen, sich leidenschaftlich in den Laken zu wälzen.
Die meisten Studien zur Sexlosigkeit befassen sich mit Menschen, die in einer Langzeitbeziehung leben oder verheiratet sind. Zur Wahrheit gehört aber eben auch, dass die Millennials tendenziell später heiraten als andere Generationen. Im Jahr 2018 lag das durchschnittliche Alter von Frauen, die das erste Mal vor den Traualtar treten, bei 32,1 Jahren. Männer gingen den Schritt im Durchschnitt mit 34,6 Jahren.
Millennials und der schnelle Sex
Es gibt also sehr viele Millennials, die zumindest nicht verheiratet sind. In Deutschland besteht die Generation Y derzeit immerhin aus rund 15 Millionen Menschen. Und: Im Jahr 2021 waren laut Statista 66,7 Prozent der Millennials zwischen 26 und 31 Jahren ledig. Wie steht es um ihr Sexleben?
Der schnelle und unverbindliche Sex ist schließlich dank Tinder und anderen Dating-Plattformen nur einen Swipe entfernt. Trotzdem – oder vielleicht gerade deshalb – verzichtet die Generation Y tendenziell lieber auf eine schnelle Nummer mit dem Tinder-Date. Forscher der San Diego State University haben dazu in einer Studie mehr als 26.000 Menschen befragt. Das Ergebnis: Millennials verzichten lieber auf bedeutungslosen Sex als andere Generationen.
Aber bedeutet weniger eigentlich automatisch auch schlechter? Das sieht die TV-(S)Expertin Paula Lambert nicht so. In einem "sixx"-Beitrag wird sie wie folgt zitiert: “Einer Studie zufolge haben Millennials deutlich mehr Orgasmen als die Generation X. 50 Prozent aller befragten Männer und 44 Prozent aller Frauen gaben an, mindestens zwei oder mehr Orgasmen pro Session zu haben.“ Auch Selbstbefriedigung sei in der Generation ein großes Thema.
Statt sich mit dem erstbesten Sexualpartner einzulassen, nehmen Millennials ihr sexuelles Glück also lieber selbst in die Hand. Das ist auch eine Folge des körperlichen Selbstbewusstseins der Generation. Und doch führt die Sexlosigkeit bei vielen Menschen zwischen 26 und 40 Jahren zur Unzufriedenheit. Was aber tun, wenn wir in einer unfreiwilligen Sexflaute feststecken?
Die Sexualberaterin Claudia Jan hat im Online-Magazin "vivalavulva.at" einen Denkanstoß dazu geäußert: “Das eigene authentische sexuelle Ich zur Entfaltung bringen, können wir nur, wenn wir uns weniger von außen unter Druck setzen lassen und auf uns hören. Wir brauchen keine Hetze und Leistungserwartungen im Bett, sondern Gefühle, Begehren und Kommunikation.“ Es gehe nicht um Quantität, sondern darum, sich seinem Partner voll hinzugeben und die intime Zweisamkeit zu genießen.
Quelle: BBC, sixx, Studie zum Heiraten bei Millennials,