Nawalny war der schärfste Widersacher des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Der von den russischen Behörden als "Extremist" eingestufte Oppositionspolitiker starb am 16. Februar 2024 im Alter von 47 Jahren unter ungeklärten Umständen in einem Straflager in der Arktis, wo er eine 19-jährige Haftstrafe verbüßte. Seine Anhänger und zahlreiche westliche Politiker machen die russische Führung für den Tod Nawalnys verantwortlich.
Bei eisigen Temperaturen gingen am Sonntag hunderte Menschen zum Grab von Nawalny und erwiesen ihm so noch einmal die Ehre, darunter auch Familien mit Kindern. Viele Trauernde legten Blumen am Grab ab. Auch Nawalnys Mutter Ljudmila Nawalnaja ging auf den Friedhof und forderte eine Bestrafung aller Verantwortlichen für den Tod ihres Sohnes. "Die ganze Welt weiß, wer es angeordnet hat", sagte sie unter Tränen. "Wir wollen aber, dass sie auch die Täter und die Helfer kennen." Eines Tages werde "die Wahrheit siegen".
Die russischen Behörden hatten vor Nawalnys Todestag ausdrücklich davor gewarnt, den Borisowski-Friedhof zu besuchen. "Wir geben allen, die vorhaben, dorthin zu gehen, sich aber noch nicht sicher sind, einen kurzen Rat: Gehen Sie nicht!", hieß es in einer Warnung, die in dem Kreml nahestehenden Kanälen im Onlinedienst Telegram verbreitet wurde. Neben einem Hinweis auf "Big Brother und sein stets wachsames Auge" war die Warnung auch mit einem Foto von einem Schild versehen, das auf die Videoüberwachung des Friedhofs aufmerksam macht.
Russlands Behörden haben nicht nur Nawalny selbst, sondern auch seine Organisationen als "extremistisch" eingestuft und verboten. Die Mitgliedschaft in einer solchen Organisation wird mit bis zu sechs Jahren Haft bestraft. Viele Mitarbeiter und Unterstützer Nawalnys sitzen daher im Gefängnis oder sind ins Exil geflohen.
Erst Mitte Januar waren drei Anwälte Nawalnys wegen "Extremismus"-Vorwürfen zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas forderte am Sonntag, sie sofort freizulassen.
In Russland läuft jeder, der Nawalny oder die von ihm gegründete Anti-Korruptions-Stiftung auch nur erwähnt, ohne auf die Extremismus-Einstufung hinzuweisen, Gefahr, strafrechtlich verfolgt, inhaftiert und verurteilt zu werden. Das gilt auch für das Zeigen von "Symbolen" der Organisationen - und sogar für Fotos Nawalnys.
Bundeskanzler Scholz erklärte, der russische Präsident Putin bekämpfe "die Freiheit und ihre Verfechter brutal". Umso mutiger sei Nawalnys Wirken gewesen. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) erklärte, Nawalnys "Feuer für die Freiheit" lebe in all jenen weiter, die sich der Repression Putins "mutig widersetzen".
Das französische Außenministerium erklärte, es richte "eine Botschaft der Unterstützung und Solidarität an all jene, die in Russland mutig die individuellen Freiheiten und die Rechtsstaatlichkeit verteidigen".
Auch Nawalnys Witwe Julia Nawalnaja, die in Russland ebenfalls als "extremistisch" eingestuft wird, rief dazu auf, weiter für ein anderes Russland zu kämpfen. "Wir wissen, wofür wir kämpfen: ein zukünftiges Russland, das frei, friedlich und schön ist", sagte sie an seinem ersten Todestag in einer Videobotschaft. "Das, wovon Alexej geträumt hat, ist möglich."
Weltweit waren am Sonntag Proteste und Gedenkfeiern für Nawalny geplant, in Deutschland unter anderem eine Gedenkveranstaltung am Abend in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Berlin.
Am Nachmittag versammelten sich vor der russischen Botschaft in Berlin rund 40 Menschen, um an Nawalny zu erinnern. "Er hat mein Leben verändert", sagte der 32-jährige Russe Juri Korolew, der in seiner Heimat Flugblätter zur Unterstützung Nawalnys verteilt hatte und inzwischen in Deutschland im Exil lebt. Der Kreml-Kritiker "sei für seine Ideen gestorben".