Trump verlangt von den Verbündeten seit langem, dass sie mehr Geld in ihre Verteidigung investieren, und hat fünf Prozent des jeweiligen BIP als Zielvorgabe ausgegeben. Dies wurde von vielen Ländern lange als unrealistisch eingeschätzt, auch in Deutschland.
Vergangene Woche war dann ein Vorschlag von Rutte bekannt geworden, wonach die Mitgliedsstaaten bis spätestens 2032 ihre Militärausgaben auf 3,5 Prozent des BIP sowie ihre verteidigungsbezogenen Ausgaben auf 1,5 Prozent des BIP steigern sollen. Diplomaten zufolge sieht der Plan vor, dass die Länder jedes Jahr den Anteil ihrer Verteidigungsausgaben am BIP um 0,2 Prozentpunkte erhöhen.
Zu diesem Vorschlag befragt, sagte Wadephul, dies sei seines Wissens mit den USA abgestimmt gewesen. Die Außenminister würden darüber in Antalya "natürlich noch einmal beraten", aber: "Man sollte das Ergebnis sehen. Und das Ergebnis sind in der Tat die fünf Prozent, die Präsident Trump gefordert hat."
Für Deutschland würde diese Zahl gemessen am BIP von 2024 mehr als 215 Milliarden Euro entsprechen. 3,5 Prozent des BIP entsprächen rund 150 Milliarden Euro. Ein erster Regierungsentwurf für den Haushalt 2025 sah Gesamtausgaben von rund 488 Milliarden Euro vor.
In der SPD sorgt die Fünf-Prozent-Ankündigung von Wadephul für Empörung. "Es wäre glatter Irrsinn, wenn wir bei solchen Beträgen landen würden“, sagte der SPD-Außenpolitiker Ralf Stegner dem "stern". Es müsse zwar mehr getan werden. "Aber fünf Prozent, das kann man sich nicht vorstellen." Auch SPD-Außenpolitiker Adis Ahmetovic warnte vor vorschnellen Festlegungen: "Ich rate allen, dass niemand jetzt allein vorprescht“, sagte er dem "stern". Die Grünen kritisierten einen "Prozent-Fetischismus" in der Debatte, auch andere Oppositionsparteien attackierten Wadephul deshalb.
Der von Rutte vorgeschlagene Kompromiss würde die Forderungen aus Washington erfüllen und den Nato-Staaten gleichzeitig mehr Spielraum geben. Dennoch würde eine solche Zielvorgabe viele von ihnen vor große Herausforderung stellen. Die beim Nato-Gipfel in Wales 2014 vereinbarten zwei Prozent des BIP für Verteidigungsausgaben hatten laut Nato 2024 nur 22 der 32 Mitgliedsländer erreicht, darunter erstmals Deutschland.
Länder wie Spanien, Italien oder Belgien waren 2024 noch weit vom Zwei-Prozent-Ziel entfernt, haben aber zusätzliche Anstrengungen versprochen. Der italienische Außenminister Antonio Tajani verkündete am Rande des Treffens in Antalya, seine Regierung habe dieses Ziel in dieser Woche erreicht. "Das ist der erste Schritt, dann ist es möglich mehr zu tun", sagte Tajani.
Der französische Außenminister Jean-Noël Barrot sagte in Antalya, das Ziel von 3,5 Prozent sei "der richtige Betrag für die grundlegenden Verteidigungsausgaben". Diese müssten einhergehen mit Ausgaben, "die zur Erhöhung unserer Verteidigungsfähigkeit beitragen werden, die keine direkten Verteidigungsausgaben sind". Barrot nannte Cybersicherheit und militärische Mobilität als Beispiele.
Rutte erläuterte, bei den Berechnungen müssten auch Ausgaben für Infrastruktur "berücksichtigt" werden. Ausdrückliches Lob hatte er für die deutschen Bemühungen. Wenn es darum gehe, wie die Nato "alle unsere Bedrohungen und Herausforderungen bewältige", übernehme Deutschland "eindeutig die Führung", sagte er. Mit dem Blick auf den Nato-Gipfel Ende Juni in Den Haag sagte Rutte, die Allianz sei "auf dem richtigen Weg". Bei dem Gipfel sollen die neuen Fähigkeitsziele des Verteidigungsbündnisses beschlossen werden sowie auch neue Ziele für die Verteidigungsausgaben.
Neben den Verteidigungsausgaben waren die Lage in der Ukraine und die jüngsten Entwicklungen rund um eine mögliche Waffenruhe im Ukraine-Krieg das beherrschende Thema in Antalya. Ab Donnerstagnachmittag sollten in Istanbul Delegationen aus Russland und der Ukraine zu Gesprächen zusammentreffen.
In Antalya traf der ukrainische Außenminister Andrij Sybiha unter anderem mit seinem US-Kollegen Marco Rubio und Bundesaußenminister Wadephul zusammen. In Antalya trafen sich die Außenminister auch im Quint-Format, also Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien mit den USA. Auch Rutte war dabei.