Steinmeier will in Rede zum 8. Mai russische "Geschichtslügen" zurückweisen

Präsident Steinmeier
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Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier will in seiner Rede zum 80. Jahrestag des Kriegsendes den wichtigen Beitrag Russlands bei der Befreiung Deutschlands vom Nationalsozialismus würdigen - zugleich aber jeder Verfälschung der Geschichte durch das Russland von heute entgegentreten. "Die Rote Armee hat Auschwitz befreit", heißt es in Auszügen des Redemanuskripts, die der Nachrichtenagentur AFP am Mittwoch vorlagen. "All das vergessen wir nicht. Aber gerade deshalb treten wir den heutigen Geschichtslügen des Kreml entschieden entgegen."

Steinmeier ist als Hauptredner für die Gedenkstunde vorgesehen, die am Donnerstag auf Einladung des Bundestags in Berlin stattfindet. An seiner Rede sei "intensiv über mehrere Monate gearbeitet worden", hieß es aus dem Bundespräsidialamt. Insbesondere der Umgang mit Russland erweise sich angesichts des Jahrestags als schwierig, die Vorbereitung der Rede habe "viel Kopfzerbrechen" bereitet. 

Der Bundespräsident tritt in der Ansprache vor allem der Deutung Russlands entgegen, dass der russische Überfall auf die Ukraine in der Tradition des Kampfs gegen den Faschismus stehe, eine Deutung, welche die Kreml-Führung bei den anstehenden Siegesfeiern in Russland bekräftigen dürfte - und der Steinmeier klar widerspricht.

"Der Krieg gegen die Ukraine ist eben keine Fortsetzung des Kampfes gegen den Faschismus", will Steinmeier am Donnerstag laut Redemanuskript sagen. "Putins Angriffskrieg, sein Feldzug gegen ein freies, demokratisches Land, hat nichts gemein mit dem Kampf gegen die nationalsozialistische Gewaltherrschaft im Zweiten Weltkrieg." 

Steinmeier spricht von einer "Geschichtslüge", die nichts anderes sei als "eine Verbrämung imperialen Wahns, schweren Unrechts und schwerster Verbrechen". Der Bundespräsident unterstützt nach Angaben seines Büros auch die Entscheidung des Bundestags, nicht den russischen Botschafter zu der Gedenkstunde einzuladen.

Steinmeier will in seiner Rede demnach darauf hinweisen, dass in der sowjetischen Armee auch Millionen von Ukrainer gegen Nazi-Deutschland gekämpft hätten. "Die Befreiung von Auschwitz stellt auch einen Traditionsbestand der Ukraine dar", hieß es aus dem Bundespräsidialamt. "Das muss man feststellen, um die Geschichtsmanipulationen des Kreml zu kontern."

In seiner Rede vor dem Bundestag will Steinmeier den Angaben zufolge zwei weitere thematische Schwerpunkte setzen: Zum einen die Abkehr der USA von der westlichen Wertegemeinschaft und den Grundlagen des internationalen Rechts - in Steinmeiers Redemanuskript ist von einem "Wertebruch Amerikas" die Rede. 

Zum anderen thematisiert Steinmeier das Erstarken radikal rechter und nationalistischer Kräfte in Deutschland und anderswo. Bei seiner Rede im Bundestag wird Steinmeier am Donnerstag einer AfD-Fraktion gegenüberstehen, die sich nach der letzten Bundestagswahl verdoppelt hat und nun die größte Oppositionsfraktion im Bundestag darstellt.

"Dem Bundespräsidenten ist bewusst, wer da im Plenum vor ihm sitzt", hieß es aus seinem Umfeld. Er werde aber "keine Parteien namentlich adressieren", dies entspräche "nicht der Staatspraxis von Bundespräsidenten". Es werde dennoch "eine Situation entstehen, in der sich unterschiedliche politische Kräfte angesprochen fühlen."

In seinem Redemanuskript warnt Steinmeier davor, die Lehren der Geschichte zu ignorieren. "Warum sollten wir erst neu schmerzlich erfahren oder erlernen müssen, was wir in unserer deutschen Geschichte doch schon einmal so bitter haben erfahren und erlernen müssen?", heißt es darin. "Wir wissen, wohin Abschottung führt, aggressiver Nationalismus und die Verachtung von demokratischen Institutionen."

Anlässlich des 80. Jahrestags des Kriegsendes betonten die beiden großen Kirchen in Deutschland die Verantwortung zum Erhalt der Demokratie. Der 8. Mai sei ein "Tag der Befreiung und des Aufbruchs in eine neue, bessere Zeit", erklärten die EKD-Ratsvorsitzende Kirsten Fehrs und der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, gemeinsam.

BSW-Gründerin Sahra Wagenknecht forderte unterdessen Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) auf, zu den Feierlichkeiten zum Sieg über Nazi-Deutschland nach Moskau zu reisen. "Das wäre zum einen ein angemessenes Zeichen des Respekts und der Dankbarkeit", sagte Wagenknecht AFP. Gleichzeitig könnte sich Deutschland "als international relevanter Akteur zurückmelden, der diplomatische Initiativen ergreift, um zu vermitteln".

AFP