Trotz verfehlter Ziele vor allem bei Pünktlichkeit und Kundenzufrieden will die Deutsche Bahn (DB) ihren Vorständen für das Jahr 2022 Bonuszahlungen in Millionenhöhe auszahlen. Wie NDR, WDR und "Süddeutsche Zeitung" berichteten, sollen andere, übererfüllte Ziele, etwa die Zahl der Frauen in Führungspositionen, für die Berechnung der Boni stärker gewichtet werden. Insgesamt sind Boni in Höhe von fünf Millionen Euro zusätzlich zum Grundgehalt von insgesamt rund vier Millionen Euro für die im Jahr 2022 neun Vorstandsmitglieder vorgesehen.
Aus der Politik hagelt es Kritik. Grünen-Chefin Ricarda Lang hält die Bonuszahlungen schlicht für unangemessen und ungerecht. "Die Boni bei der Bahn mögen rechtlich legitim sein, aber ich glaube, mit Gerechtigkeit haben sie rein gar nichts zu tun", sagte Lang. Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil empfiehlt den Vorständen auf die Zahlungen in Millionenhöhe zu verzichten. "Selbst wenn das in Verträgen alles klar geregelt ist und da jetzt Kriterien erfüllt werden, muss man sich als Verantwortlicher bei der Bahn schon fragen, ob das gerade das richtige Signal ist", sagte Klingbeil der Sendung "RTL Direkt".
Auch die Kommentarspalten deutscher Tages- und Wochenzeitungen halten mit ihrem Unverständnis über die Entscheidung der Bahn nicht hinterm Zaun. Ein Überblick.
So kommentiert die Presse die umstrittenen Bahn-Boni
Freie Presse (Chemnitz): "Diese Boni sind wie ein Schlag ins Gesicht für jeden Bahn-Kunden.
Wer jetzt auf die vermeintlich gierigen Manager zeigt, trifft die Falschen. Die Bahn ist in der Krise und braucht gerade an der Spitze fähiges Personal – und das kostet. Es ist der Aufsichtsrat, der Vergütung und Boni festlegt. Darin sitzen Vertreter der Gewerkschaften und der Bundesregierung. Wenn diesem Gremium bislang die Erledigung „persönlicher Ziele“ wichtiger war als die tatsächliche Aufgabenstellung, muss man sich über solche Boni nicht wundern."
"Märkische Oderzeitung" (Frankfurt an der Oder): Eine Pünktlichkeitsquote im Fernverkehr von 52 Prozent, höhere Preise für Kunden, Baustellen allerorten. Dafür sollen die Top-Manager knapp fünf Millionen Euro an Boni bekommen? Schuld daran ist das System. Das Bonusmodell sieht eine Art Kompensation vor. Durch übererfüllte Ziele lassen sich verfehlte Ziele ausgleichen. Heißt: Die Vorstände haben 2022 etwa mehr Frauen in Führungspositionen gebracht sowie eine höhere Mitarbeiterzufriedenheit erreicht als angestrebt. Zugleich aber bei der Kundenzufriedenheit und Pünktlichkeit die Ziele klar verfehlt. Sinnvoller wäre, die Ziele Pünktlichkeit und Kundenzufriedenheit ins Zentrum der Boni-Auszahlung aller Vorstände zu stellen.
"Mitteldeutsche Zeitung" (Halle): Dass Bahnchef Richard Lutz für 2022 nachträglich 1,3 Millionen Euro zusätzlich bekommt, war bekannt. Dass unpünktliche Züge und unterirdische Kundenzufriedenheit dem nichts anhaben konnten, ist neu: Den Löwenanteil seiner Boni bekommt Lutz rückwirkend dafür, dass der Konzern die Kennzahlen für CO2-Einsparung, Mitarbeiterzufriedenheit und den Anteil weiblicher Führungskräfte erfüllt oder übererfüllt hat. Lokführer-Gewerkschaftsboss Claus Weselsky wird sich bestätigt sehen: Er kritisiert das Boni-Unwesen schon seit Jahren - die Rechentricks geben ihm im Tarifkonflikt neue rhetorische Munition.
"Spiegel": Es würde zu weit führen, im Stile von Deutschlands Krawallgewerkschafter Claus Weselsky die Entlassung des Bahnvorstands zu fordern. Doch sollten sich Konzernchef Lutz und seine Kollegen die Boni wirklich auszahlen lassen, sollte sich die Republik zumindest gut überlegen, ob sie ihre teure Bahn tatsächlich in die Hände selbstgerechter Manager legen will. Oder man dieser tragischen Komödie nicht besser ein Ende setzen sollte.
"Für einen Staatskonzern sollten andere Maßstäbe gelten"
"Straubinger Tagblatt/Landshuter Zeitung": Man versagt in seinem Job, bekommt aber trotzdem mehr Geld? Willkommen im Schlaraffenland, willkommen bei der Deutschen Bahn. Gemeint sind nicht die Lokführer, die 500 Euro mehr Lohn fordern, sondern ihre Chefs auf der Vorstandsetage. Die sollen jetzt ihren Bonus für 2022 bekommen, es geht dabei um fünf Millionen Euro. Zum 10. Dezember wurden übrigens die Ticketpreise erhöht, jeder zweite Zug hat Verspätung.
"Süddeutsche Zeitung": (...) [Z]ur Ehrenrettung der Bahn sei drauf verwiesen, dass es da schon jemanden gibt, der keinem Ärger aus dem Weg geht. Berthold Huber, seit knapp eineinhalb Jahren Netzvorstand, hat der Bundesregierung klipp und klar gesagt, wie es um die Bahn steht: "Zu voll, zu alt, zu kaputt." Es braucht viel mehr Manager und Managerinnen von diesem Schlag. Solche Leute sind nicht billig, aber dringend notwendig. Gerade auch bei einem Staatsunternehmen, das ja nicht schlechter geführt werden soll als ein privater Betrieb. Wenn der Bahnchef weiterhin weniger Geld bekommt als das am schlechtesten bezahlte Vorstandsmitglied bei BMW, Mercedes und Volkswagen, darf man sich über die Folgen nicht wundern.
"Südkurier" (Konstanz): Eines muss man der Bahn ja lassen: die Kreativität, die der Konzern beim Schönreden und Verschleiern eigener Fehler an den Tag legt, ist bemerkenswert. Trotz unzufriedener Kunden und noch mehr Verspätungen sieht sich der Vorstand auf einem guten Weg, weil etwa der Frauenanteil in Führungspositionen gesteigert und die Klimaziele gerade so erreicht wurden. Und begründet werden die Boni für die Vorstandsmitglieder mit akrobatischen Rechenübungen, die jede persönliche Verantwortung vermissen lassen. (...) [F]ür einen Staatskonzern, der immer wieder mit Milliarden an Steuergeldern bezuschusst wird, sollten andere Maßstäbe gelten.