Der Ausfall von Klimaanlagen in etlichen Zügen am Wochenende hat für die Deutsche Bahn ein unangenehmes Nachspiel. Nach dem Kreislauf-Kollaps mehrerer Schüler in einem überhitzten ICE will die Remscheider Sophie-Scholl-Gesamtschule Schadensersatz fordern. "Das lassen wir nicht auf sich beruhen", sagte die Schulleiterin am Montag. Die Schule werde Ansprüche geltend machen.
Insgesamt fünf Schülerinnen und Schüler der Gesamtschule mussten nach Angaben der Schulleiterin in Krankenhäusern behandelt werden, weil sie auf der Rückfahrt von einem Kursausflug nach Berlin bei Temperaturen von bis zu 50 Grad im ICE einen Kreislaufkollaps erlitten hatten. Ein Bahn-Sprecher sagte, man habe die Schulleitung bereits aufgesucht und mit ihr über die Art der Wiedergutmachung beraten. Auch mit dem ebenfalls Betroffenen Sankt-Bernhard-Gymnasium in Willich werden diesbezüglich Gespräche geführt.
Ramsauer: "Nicht hoch stilisieren"
Auch das Bundesverkehrsministerium macht Druck auf die Deutsche Bahn: "Das Thema Mängel bei den ICE ist auf der Tagesordnung", sagte eine Ministeriumssprecherin. "Der Aufsichtsrat wird sich in seiner nächsten Sitzung damit beschäftigen", kündigte sie an. Es habe bereits ein Telefonat mit Bahn-Chef Rüdiger Grube gegeben. "Herr Grube hat versichert, dass er lückenlos aufklärt." Zudem sei das Verkehrsministerium in Gesprächen mit der Bahnindustrie, der Bahn und dem Eisenbahnbundesamt, um "zukünftige Generationen von ICE zu optimieren".
Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer warnte allerdings davor, die ausgefallenen Klimaanlagen in ICE "zu einer nationalen Tragödie hoch zu stilisieren". Zugleich forderte der CSU-Politiker am Montag, die Ursachen der aktuellen Vorfälle müssten gründlich untersucht und beseitigt werden. Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) forderte in der "Bild"-Zeitung die schnelle Überprüfung aller Züge. Es sei ein ernster Vorgang, wenn Fahrgäste gesundheitliche Beeinträchtigungen erlitten, wurde Aigner zitiert.
Verdacht der fahrlässigen Körperverletzung
Unterdessen haben die Untersuchungen der gemeldeten Ausfälle vom Wochenende begonnen: Das Eisenbahnbundesamt überprüft die betroffenen Fahrzeuge und die betrieblichen Abläufe. Noch sei aber unklar, wie viele Vorfälle es am Wochenende gegeben hat und in wie vielen Zügen die Klimaanlage ausgefallen ist.
Im Fall der neun Schüler, die in Bielefeld wegen eines Hitzschocks in ein Krankenhaus eingeliefert wurden, ermittelt die Bundespolizei wegen des Verdachts der fahrlässigen Körperverletzung und unterlassener Hilfeleistung. Ein Polizeisprecher sagte, die Befragung der Zeugen habe bereits begonnen.
Fahrgastverband kritisiert Sparpolitik
Der Fahrgastverband Pro Bahn hält die gehäuften Defekte von Klimaanlagen in ICEs für ein hausgemachtes Problem. "Es waren alles Züge des Typs ICE II. Das sind Züge, die jetzt 15 Jahre alt sind", sagte Karl-Peter Naumann, Bundesvorsitzender des Verbandes, am Montag. Eine Generalüberholung der Züge sei dringend nötig. "Die kommen jetzt auch in die Revision, vielleicht hätten sie doch etwas früher reingemusst."
Fatal sei nach wie vor der Umgang der Bahn mit Problemen. "Was die Bahn noch immer nicht gelernt hat, ist, mit Krisen umzugehen", kritisierte Naumann. "Wenn es kritisch wird, muss man einen Zug auch mal anhalten und nicht nur, wenn er nicht weiterfahren kann, sondern auch, wenn im Inneren Dinge des Komforts nicht mehr stimmen." In den konkreten Fällen vom Wochenende hätte man die Reisenden aussteigen lassen müssen. "Das geht nicht anders."
Die größte Bahn-Gewerkschaft Transnet forderte ebenfalls Gegenmaßnahmen. "Die Ursachen müssen schleunigst erforscht und beseitigt werden", sagte der Vorsitzende Alexander Kirchner nach Angaben seines Sprechers. Er warnte zugleich vor einer Vorverurteilung der Zugbegleiter. "Sie haben einen harten Job und leiden auch unter den Problemen."
Bahn will mehr Getränke und einen "Extra-Blick"
Die Bahn kündigte am Montag Maßnahmen an. Bei der Wartung über Nacht würden die Klimaanlagen mit einem extra Blick genauer überprüft, sagte ein Sprecher. Zudem seien Zugbegleiter nochmals darauf hingewiesen worden, stärker auf Unregelmäßigkeiten zu achten. Außerdem sollen künftig mehr Getränke mitgenommen werden, mit denen sich Reisende erfrischen können.
Neben den drei überhitzten ICE wurden weitere Probleme bekannt. Ein Korrespondent der dpa berichtete von einem IC von Passau nach Hamburg, in dem am Sonntag in mehreren Wagen die Klimaanlage versagt hatte. Im Intercity 2311 von Westerland nach Köln sei am Sonntag die Klimaanlage ausgefallen, sagte der 37-jährige Kölner Matthias Bosmann. Er habe selbst in dem Zug gesessen. Einige Wagen seien wegen Hitze geschlossen worden, Fahrgäste hätten auf andere Waggons ausweichen müssen. "Es war ein Riesenchaos."
Und auch am Montag fiel nach Augenzeugenberichten in mehreren Wagen eines IC von Berlin nach Amsterdam die Klimaanlage aus. Nachdem der Zug mehrmals die Fahrt unterbrechen musste, sei er in Hannover komplett gestoppt worden. "In einigen Wagen herrschten Temperaturen von über 40 Grad", sagte eine Reisende. Einige ältere Fahrgäste seien in Wagen mit funktionierender Klimaanlage umgesetzt worden. "Kollabiert ist niemand."