Es ist der tödlichste Anschlag in der rund 45-jährigen Geschichte der Islamischen Republik. Am Todestag des mächtigen iranischen Generals Ghassem Soleimani sind in dessen Heimatstadt Kerman bei zwei Explosionen mindestens 95 Menschen in den Tod gerissen worden. Irans Regierung sprach von einer Terrorattacke.
Irans Gesundheitsminister korrigierte die Zahl der Todesopfer am Mittwochabend nach unten. 95 Menschen seien ums Leben gekommen, sagte Bahram Eynollahi in einem Interview. Er begründete die Korrektur damit, dass einige Namen der Opfer zuvor doppelt gezählt worden waren. Staatsmedien hatten die Zahl der Todesopfer zuvor mit 103 angegeben. Immer noch befänden sich rund 30 Patienten im kritischen Zustand, sagte der Minister. Insgesamt wurden laut Eynollahi 211 Menschen verletzt.
Der Hintergrund für die Explosionen ist noch unklar. Zunächst reklamierte keine Gruppe den mutmaßlichen Anschlag für sich. Terrorangriffe mit diesem Ausmaß sind im Iran äußerst selten. Der Zustand vieler Verletzter ist laut Medienberichten kritisch. Die Sorge ist groß, dass die Zahl der Opfer noch weiter steigen könnte. Irans Gesundheitsminister Bahram Eynollahi machte sich auf den Weg, um die Versorgung der Verletzten persönlich zu überwachen.
Irans Präsident Ebrahim Raisi sagte seinen ersten Staatsbesuch in der Türkei ab. Die eigentlich für Donnerstag geplante Reise nach Ankara werde verschoben, berichtete die staatliche iranische Nachrichtenagentur Irna am Mittwoch auf Telegram.
Iran will "Verbrecher zur Rechenschaft ziehen"
Irans Innenminister Ahmad Wahidi kündigte eine entschiedene Reaktion an. "Unsere Polizeikräfte sind wachsam und werden diejenigen, die dieses Verbrechen begangen haben, zur Rechenschaft ziehen", sagte der Minister. Wahidi sagte, die meisten Menschen seien bei der zweiten Explosion ums Leben gekommen. Die genauen Hintergründe würden untersucht.
Kerman liegt in der gleichnamigen iranischen Provinz, umgeben von weiten Wüstengebieten. Am Mittwoch pilgerten Menschenmassen durch die Straßen der Provinzhauptstadt zu Soleimanis Grabstelle. Nur wenige Hundert Meter entfernt sollen sich die Detonationen ereignet haben. Reporter der Staatsagentur Irna sprachen von einem "entsetzlichen Geräusch einer Explosion". Während einer Liveschalte einer Reporterin des Staatsfernsehens waren Retter zu sehen, die mit Verletzten im Hintergrund in ein Krankenhaus eilten. Bilder von den Anschlagsorten zeigten blutüberströmte Gehwege, beschädigte Fahrzeuge und zerfetzte Kleidungsstücke. Sicherheitskräfte sperrten den Pilgerort ab. Krankenhäuser wurden in Alarmbereitschaft versetzt.
In einem live im Staatsfernsehen übertragenen Ausschnitt kann man einen Knall und Schreie hören. Ein von der iranischen Nachrichtenagentur SNN auf X veröffentlichtes Video zeigt, wie Menschen offenbar in Panik vom mutmaßlichen Explosionsort fliehen, im Hintergrund steigt Rauch auf. Auf anderen Augenzeugenvideos sind Verletzte erkennbar.
Auswärtiges Amt verurteilt Terrorakt im Iran
Das Auswärtige Amt hat den Anschlag als Terrorakt verurteilt. "Wir sind zutiefst betroffen über die vielen Toten bei den heutigen Explosionen in #Kerman, darunter auch viele Kinder", schrieb das Auswärtige Amt auf X"Wir verurteilen diesen Terrorakt." Die Menschen im Iran hätten eine Zukunft in Frieden und Sicherheit verdient, hieß es weiter.
Auch die Europäische Union (EU) hat den Bombenanschlag als "Terrorakt" verurteilt. "Die EU verurteilt den heutigen Bombenanschlag in der iranischen Stadt Kerman aufs Schärfste", hieß es in einer Erklärung des Europäischen Auswärtigen Dienstes. Die EU bringe ihre Solidarität "mit dem iranischen Volk zum Ausdruck".
"Dieser Terrorakt hat eine schockierende Zahl ziviler Todesopfer und Verletzter gefordert", hieß es weiter. Die Täter müssten zur Rechenschaft gezogen werden.
Trump hatte Soleimanis Tötung angeordnet
Soleimani war am 3. Januar 2020 bei einem vom damaligen US-Präsidenten Donald Trump angeordneten Drohnenangriff nahe der irakischen Hauptstadt Bagdad getötet worden. Trump sagte damals, er habe den Drohnenangriff auf den früheren Kommandeur der Auslandseinheiten der iranischen Revolutionswächter als Reaktion auf eine Reihe von Attacken auf US-Stützpunkte im Irak angeordnet. Soleimani wird von Regierungsanhängern als Märtyrer verehrt. Propagandabilder des Generals prangen auch an Häuserwänden in der Hauptstadt Teheran.
Vor mehr als einem Jahr hatte die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) einen Anschlag auf ein schiitisches Heiligtum in der Kulturmetropole Schiras für sich reklamiert. Bei der Attacke im Oktober 2022 kamen mehr als ein Dutzend Menschen ums Leben.
Anlässlich des Todestags Soleimanis wollte der Generalsekretär der libanesischen Schiitenorganisation Hisbollah, Hassan Nasrallah, am Mittwochabend eine Rede halten. Vor dem Hintergrund der Tötung eines Anführers der islamistischen Hamas im Libanon wurde die Rede mit Spannung erwartet. Es gibt Sorgen, dass der gewaltsame Tod von Saleh al-Aruri, Vize-Leiter des Politbüros der Hamas, zu einer weiteren Eskalation des Konflikts mit Israel führen könnte.
Die mit der Hamas verbündete Hisbollah, die als wichtigster nichtstaatlicher Verbündeter der Islamischen Republik gilt, hatte Vergeltung angekündigt.
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