Luftfahrtexperte im Interview Warum der Flugschreiber so wichtig ist

Der Luftfahrtexperte Cord Schellenberg erklärt, warum der gefundene Stimmenrekorder der verunglückten Germanwings-Maschine so wichtig ist - und warum Billigairlines viel Geld für Technik ausgeben.

Herr Schellenberg, derzeit scheint es so zu sein, dass der Pilot der verunglückten Germanwings-Maschine ohne Rücksprache die Reisehöhe verlassen hat. Können Sie sich das erklären?
Normalerweise kontaktiert der Pilot die Flugsicherung und wartet auf deren Freigabe. Im Notfall kann er aber auch anders reagieren. Wir wissen nicht, was sich abgespielt hat. Daher ist die Auswertung der Blackbox ein wichtiger Punkt.

Was kann die Blackbox für Antworten liefern?


Der Stimmenrekorder kann wiedergeben, was die Piloten während des Fluges wahrgenommen haben. Und welche Entscheidungen sie getroffen haben. Wer navigiert hat, wer sich um die Problemlösung bemüht hat. Aber auch Absprachen mit der Flugsicherung und dem Bordpersonal sind gespeichert. Möglicherweise gab es ja den Versuch der Piloten, mit dem Boden Kontakt aufzunehmen - und das gelang technisch nicht. Hatten die Piloten einen Plan? Und wann bricht die Aufnahme ab? Antworten auf diese Fragen wird der Stimmenrekorder geben. Spekulationen lohnen sich jetzt nicht.

Cord Schellenberg ...

... ist Luftfahrtexperte. Fachlich kümmert er sich vor allem um den Luftverkehr, die Luftfracht und um die Tourismusbranche.

Das Alter des Flugzeuges wurde diskutiert. War der verunglückte A320 veraltet?
Natürlich nicht. Der A320 ist das Arbeitspferd auf Kurz- und Mittelstreckenflügen. Und dabei sehr erfolgreich. Über 6000 Maschinen sind im Einsatz. Und diese Flugzeuge werden immer noch gebaut. Natürlich mit neuerer Software und modernisierten Teilen.

Die Unglückmaschine war über 24 Jahre alt ...


Aber die älteren Maschinen sind technisch komplett überholt. Sämtliche Teile haben ja einen gewissen Lebenszyklus und werden dann erneuert. Um ehrlich zu sein: Ich würde lieber in ein älteres Flugzeug, das top gewartet wurde, steigen, als in ein neueres Modell, das fehleranfällig ist.

Germanwings ist die Billigflugtochter der Lufthansa. Sind günstige Airlines unsicherer?
Alle Fluggesellschaften sind gleich sicher, egal, wie teuer die Tickets sind. Da müssen sich Kunden keine Sorgen machen. Wer sein Ticket für 33 Euro kauft, ist vielleicht ein Schnäppchenjäger, fliegt aber genauso sicher. Das hat keine Auswirkungen. Eigentlich ist es fast anders herum: Wer mit günstigen Tickets wirbt, muss ein hohes Niveau an Sicherheit und zuverlässige Technik bieten.

Wie meinen Sie das?
Wenn Billigairlines an der Technik sparen würden, würden sie sich ihr eigenes Geschäftsmodell kaputt machen. Denn Flugzeuge, die ständig kaputt im Hangar stehen, kosten nur Geld. Das gilt auch, wenn Maschinen kurz vor dem Start ausgetauscht werden müssen. Und günstige Airlines können sich solche Ausfälle nicht erlauben. Daher ist die Logik der günstigen Fluggesellschaften: in Technik investieren.

Aber die Technik zu warten und aufzurüsten ist nicht billig. Lohnt sich das für die Airlines?


Unbedingt. Dabei geht es auch um Garantien der Hersteller. Wenn sie die angebotenen Updates und Erneuerungen annehmen, bleiben sie im Garantieprozess. Und profitieren ja auch von neuester Technik, beispielsweise weil sich so der Treibstoffverbrauch senken lassen kann. Bei hohen Kerosinkosten kein unwichtiger Punkt. Die Lufthansa und ihre Tochtergesellschaften sind da seit Jahren top. Auf dem Gebrauchtflugzeugmarkt kann die Lufthansa alte Maschinen an andere Airlines noch zu guten Preisen verkaufen, weil sie diese vernünftig warten. Da ist das Unternehmen ein Aushängeschild.

Interview: Katharina Grimm

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