Das älteste deutsche Atomkraftwerk im baden-württembergischen Obrigheim geht nach 37 Jahren Laufzeit endgültig vom Netz. Das teilte das Landesumweltministerium in Stuttgart mit. Der Rückbau des Kernkraftwerks soll bis etwa 2020 abgeschlossen sein. Bundesumweltminister Jürgen Trittin sagte in Berlin: "Das Aus für Obrigheim ist Zeichen für einen Neuanfang." In Deutschland habe ein neues Energiezeitalter begonnen.
Nach Mülheim-Kärlich, das wegen des zwischen der Energiewirtschaft und der Bundesregierung ausgehandelten Atomausstiegs nie mehr ans Netz ging, und nach Stade sei Obrigheim nun der dritte Reaktor, der stillgelegt werde. Von ursprünglich 49 geplanten und 20 genehmigten Atomkraftwerken liefen dann noch 17, erklärte der Grünen-Politiker. Die baden-württembergische Umweltministerin Tanja Gönner kritisierte erneut den Atomausstieg.
Hintergrund
Das Atomkraftwerk Obrigheim im Norden Baden-Württembergs wurde 1968 in Betrieb genommen. Das älteste kommerziell betriebene Atomkraftwerk in Deutschland gilt als Symbol im Streit um die Kernenergie. Der Reaktor beschäftigte mehrmals die Gerichte. Von März 1994 bis Januar 1996 versuchte ein Untersuchungsausschuss des baden-württembergischen Landtags Licht in die verworrene Genehmigungsgeschichte zu bringen und Sicherheitsfragen zu klären.
Die Leistung des Druckwasserreaktors liegt bei 357 Megawatt. Betreiber ist der Karlsruher Stromkonzern Energie Baden-Württemberg (EnBW). Er betreibt außerdem die Atomkraftwerke Philippsburg I und II sowie Neckarwestheim I und II.
CDU fordert "weniger Ideologie und mehr Vernunft"
Die CDU-Politikerin forderte eine verlängerte Laufzeit für die Atommeiler im Südwesten. "Wir brauchen weniger Ideologie und mehr Vernunft", sagte sie. Das übereilte Abschalten sicherer Kernkraftwerke bringe nicht den erhofften Gewinn an Sicherheit, wenn gleichzeitig Kernenergiestrom aus dem benachbarten Ausland bezogen werden müsse. Die Bundesregierung habe den Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen, ohne über ein schlüssiges Energiekonzept zu verfügen.
Die stellvertretende Vorsitzende des Bund für Umweltschutz und Naturschutz Deutschland (BUND), Brigitte Dahlbender, nannte die Abschaltung dagegen einen längst überfälligen und viel zu kleinen Schritt in die richtige Richtung. "Die Stilllegung dieses Schrottreaktors ist zwar eine gute Nachricht, sie bleibt jedoch nur ein symbolischer Beitrag beim notwendigen Atomausstieg." Sollten bis zur Abschaltung des letzten Atommeilers - wie im Atomkonsens vereinbart - tatsächlich weitere 15 Jahre vergehen, würde sich die Menge des strahlenden Atommülls noch einmal verdoppeln.
Trittin sagte, die Voraussetzung für eine Energiewende sei der Ausstieg aus der Atomenergie. In Deutschland werde zurzeit wieder massiv in neue Kraftwerke investiert. Die Union habe offenbar etwas gegen diese Investitionen. "Die Forderung nach Verlängerung der Laufzeiten für Atomkraftwerke ist ein industriepolitisches Armutszeugnis", kritisierte der Bundesumweltminister.
Die Grünen-Bundesvorsitzenden Claudia Roth und Reinhard Bütikofer erklärten, die Abschaltung bedeute einen weiteren Schritt auf dem Weg hin zu sozial und ökologisch verantwortbarer Energiegewinnung. Zukunftsfähige Energiepolitik könne nur auf erneuerbare Energien setzen. "Rund 130.000 Menschen arbeiten inzwischen im Bereich erneuerbarer Energien mehr als im Bereich atomarer Energieerzeugung je gearbeitet haben", betonten Roth und Bütikofer.
Obrigheim war jahrzehntelang nur auf Grund mehrerer Teilgenehmigungen am Netz. Erst Anfang der 90er Jahre wurde eine Dauerbetriebsgenehmigung erteilt.