Olympia-Entscheidung Leipzig erwartet große Konkurrenz

Nachdem Leipzig und Rostock überraschend vom NOK zum deutschen Kandidaten für die Olympischen Spiele 2012 gewählt wurde, war die Freude zunächst groß

Der deutsche Sport schickt bei seinem siebten Anlauf auf Olympia mit Leipzig einen Kandidaten in das Rennen um die Spiele 2012, der national einer Welle der Sympathie ausgelöst hat und nun international vor einer riesigen Herausforderung steht. "Leipzig erwartet eine gewaltige Konkurrenz", schrieb am Sonntag das französische Sportblatt "L'Équipe". Einen Tag nach dem Sensations-Votum von München wurde der Leipzig-Jubel gedämpft durch Zurückhaltung und Skepsis. "Vermutlich wäre es mit Hamburg einfacher gewesen", sagte NOK-Präsident Klaus Steinbach. "Doch Leipzig ist ein hervorragender Kandidat. Wir müssen ihn jetzt auch international stark machen." Er muss so stark sein, dass er sich im kommenden Jahr zumindest bei der Vorausscheidung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) für das Wahlfinale am 6. Juli 2005 in Singapur behaupten kann.

Zitat

"Endlich wird dem Letzten klar, dass wir keine Außenseiter sind. Dass wir mit Messer und Gabel essen und uns nicht mit Lianen über die Bäume schwingen." (Leipziger Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee)

Der 81:51-Finaltriumph bei der Außerordentlichen Mitgliederversammlung des Nationalen Olympischen Komitees (NOK) am Samstag in München über den Favoriten Hamburg ist für Leipzigs Bürgermeister Wolfgang Tiefensee ein "zweites Wunder" nach der Wiedervereinigung. Nach der Verkündung des Siegers durch Bundeskanzler Gerhard Schröder sprach er von einem "grandiosen Tag für Deutschland" und einem "großen Tag für den deutschen Sport". Allgemein wurde das Votum auch als eine politische Wahl bewertet, zumal mit Rostock eine zweite Stadt aus den neuen Bundesländern als möglicher Austragungsort für die Segelwettbewerbe die absolute Mehrheit der 73 NOK-Mitglieder erhielt und damit den Favoriten Kiel bezwang.

Sympathie war ausschlaggebend

Ausschlaggebend für das völlig unerwartete Ergebnis waren die hohen Sympathiewerte für Leipzig, das zudem von Politikern aller Parteien gestützt wurde. Eine hoch emotionale Präsentation mit Tiefensee, Alt-Bundespräsident Richard von Weizsäcker und Stardirigent Kurt Masur in den Hauptrollen bewirkte einen letzten Stimmenschub. "Die Leipziger Bewerbung war nicht zu stoppen, da bist du ganz bewegt", bekannte DFB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder. IOC- Vizepräsident Thomas Bach lobte die "IOC-Reife" der Präsentation, "ich glaube, sie hatte einen noch stärkeren Einfluss als die Bewerbung selbst".

Tatsächlich sammelte Leipzig bereits im ersten Wahlgang mit 55 Stimmen 41 Prozent aller Voten. Als dann nach Stuttgart und Frankfurt/Main auch Düsseldorf ausschied, wechselten 23 der 35 frei gewordenen Stimmen nach Leipzig, und Hamburg war k.o. DSB-Präsident Manfred von Richthofen sprach gar von einer "Racheaktion" des Düsseldorfer Anhangs. Leipzig wurde zum lachenden Dritten des im Vorfeld mit Heftigkeit geführten Duells zwischen der NRW-Hauptstadt und den Hanseaten.

Die Hauptverantwortung für die Kandidatur ist nun laut IOC-Regel zum NOK übergewechselt. Es wird schon demnächst mit Leipzig zusammen eine Bewerbungs-GmbH gründen und im 15-köpfigen Aufsichtsrat die Mehrheit stellen. Schon in den nächsten Tagen soll ein Geschäftsführer bestellt werden. Es gehe nun um die "Konkretisierung und Verbesserung der Bewerbung" besonders auf den Gebieten des Olympischen Dorfes, der Finanzierung, des Transports und der Unterbringung, "doch das hätte auch für die anderen deutschen Bewerber gegolten", sagte Bach. Leipzig müsse "sein Pfund nutzen, vor allem die Begeisterung und den Enthusiasmus der Bevölkerung". Es gelte, "die eigenen Stärken herauszuarbeiten und nicht gegen die Stärken der internationalen Konkurrenten anzuarbeiten".

Richthofen fordert "die Solidarität aus ganz Deutschland" ein. Die Unterstützung der Bundesregierung und der Wirtschaft seien seien notwendig, aber auch die der vier Verlierer von München. "Alle Kandidaten waren sich einig, den Sieger zu unterstützen. Nachkarten hilft jetzt nicht weiter. Leipzig ist es, Deutschland steht dahinter", sagte Hamburgs Erster Bürgermeister Ole von Beust. Schröder hat den Sieger und die "vier kleinen Verlierer" (Steinbach) zu einer Solidaritätsrunde ins Kanzleramt eingeladen.

Mit 2,68 Millionen Fernsehzuschauern bei ARD und ZDF hatte das Wahlspektakel nur eine relativ geringe Resonanz. Immerhin 240 000 Menschen verfolgten das Münchner Wahlroulette auf Plätzen und Straßen der fünf Bewerberstädte. Allein 50 000 Leipziger ließen es sich nicht nehmen, am Samstagabend ihre "Helden von München" zu feiern. Bürgermeister Tiefensee will mit seiner 500 000-Einwohner-Stadt konkurrierenden Metropolen wie New York, Paris, London, Rom und Toronto "intime Spiele" entgegen setzen und fordert: "Wir können nicht erst in einem Jahr anfangen zu bauen, sondern müssen dem IOC vieles von dem, was auf den Plänen zu sehen ist, schon in der nächsten Stufe präsentieren."

Hamburg will Euphorie für Projekte nutzen

Nach der Olympia-Niederlage will die Hansestadt Hamburg die "Euphorie der Bevölkerung" für städtebauliche Projekte und Großveranstaltungen nutzen. Dazu soll die bisherige Bewerbungsgesellschaft mit neuen Aufgaben betraut werden, wie Bürgermeister Ole von Beust am Sonntag ankündigte. "Nach der Enttäuschung wird manches in sich zusammenfallen", sagte der CDU-Politiker. Dennoch müssten der Lokalpatriotismus und die Begeisterung - ohne Überheblichkeit - umgemünzt werden. Die Hansestadt will sich unter anderem auf den Brückenschlag über die Elbe, die Bundesgartenschau 2013, die zügige Entwicklung der HafenCity und ein einheitliches Werbekonzept für die "Marke Hamburg" konzentrieren.

Mehr als 25.000 Olympia-Fans hatten am Samstag während der live Übertragung der Entscheidung des Nationalen Olympischen Komitees (NOK) in München auf dem Hamburger Rathausmarkt ihrer Stadt die Daumen gedrückt. Ebenso hofften tausende Lübecker und Kieler Bürger, dass die Bewerbungen ihre Städte bei der Ausrichtung der Segel- Wettbewerbe zum Zuge kämen. Letztendlich machten Leipzig und Rostock (Segeln) das Rennen. So fielen die Partys in Hamburg und Schleswig-Holstein ins Wasser. Viele zogen mit langen Gesichtern aus den Rathäusern heim.

Bei der Suche nach den Gründen für das Ausscheiden der Hansestadt konnte auch Bürgermeister von Beust nur mit den Schultern zucken: "Wenn ich wüsste, nach welchen Kriterien gewählt worden ist...", sagte von Beust. "Ich will kein kleinkariertes Nachkarten, das wäre unhanseatisch." Im Vorfeld der Entscheidung hatte es zuletzt schärfere Anfeindungen zwischen Düsseldorf und Hamburg gegeben. Auch Schleswig-Holsteins Ministerpräsidentin Heide Simonis (SPD) bedauerte die Entscheidung. In Bad Segeberg sagte sie, "es ist eine Art von Aufbauhilfe für den Osten und gut für das Selbstbewusstsein."

Hamburg unterstützt Rostock

Hamburg war erst im letzten Wahlgang der Leipziger Bewerbung unterlegen, die mit 81:51 Stimmen als Sieger hervorging und nun mit Rostock für Deutschland in die internationale Ausscheidung im Sommer 2005 geschickt wird und sich gegen Städte wie New York und Madrid durchsetzen soll. Hamburg wolle insbesondere den norddeutschen Kandidaten Rostock unterstützen, sagte von Beust. "Rostock ist einfach näher dran", ergänzte der Politiker angesichts der nur rund 200 Kilometer von der Hansestadt entfernten mecklenburgischen Ostsee-Hafenstadt. An eine mögliche Bewerbung für die Olympischen Spiele 2016 mochte das Stadtoberhaupt noch nicht denken, man wolle die internationale Bewerbung von Leipzig/Rostock nicht konterkarieren.

Auch der kurzfristig abgesetzte Film von Regisseur Dieter Wedel, ursprünglich für die Hamburger Präsentation beim NOK vorgesehen, war nach Ansicht von von Beust nicht ausschlaggebend für die Niederlage. Die Hansestadt habe in München einen hervorragenden Film präsentiert: "Keiner hat mich nach dem Wedel-Film gefragt", sagte von Beust. Wedel selbst zeigte sich enttäuscht, dass sein "couragierter, unkonventioneller" Film abgelehnt und durch einen Beitrag der Hamburger Werbeagentur Springer & Jacobi ersetzt worden war. Für diesen hatte sich der Aufsichtsrat der Hamburg für Spiele 2012 GmbH nach den Worten des Gremiumsmitglied von Beust einstimmig entschieden.

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