Presseschau zur "Nord Stream"-Pipeline Zweifel an russischer Gasbescherung

Während unter der Ostsee Gazproms Gold nach Deutschland fließt, wird in Tageszeitungen debattiert, was von der jüngst eröffneten Gas-Pipeline zu halten sei. Besonders die neu gewonnene wirtschaftliche Nähe zu Russland wird kritisch betrachtet.

Das umstrittene Mega-Projekt ist zu großen Teilen fertig: Erstmals strömt russisches Erdgas durch die Ostsee-Pipeline Nord Stream direkt nach Deutschland und Westeuropa. Dank der neuen Pipeline haben Russland und Deutschland jetzt eine direkte Gas-Verbindung. Politiker jubeln, doch das Projekt wird vielerorts kritisch betrachtet. Eine Presseschau:

Neue Verbindungen

"Die Kritik ist leiser geworden, am Projekt Ostsee-Pipeline insgesamt wie auch an seinem deutschen Vater Gerhard Schröder. Denn mit der Zeit ist die Erkenntnis gewachsen, dass die Verbindung vielen nutzt. Zum einen ist da der deutsche Gaskunde: Je mehr Wege es für den Energieträger nach Europa gibt, desto größer die Gewähr, dass eine gewisse Konkurrenz die Preise dämpft. Zum anderen profitiert die Industrie. Die Pipeline schweißt beide Seiten zudem politisch zusammen. Der Westen ist aufs Gas angewiesen, Russland auf Gedeih und Verderb auf die Erlöse aus dem Verkauf. Die größte Bedeutung der neuen Strecke ist deshalb auch eine symbolische: Sie verbindet die alten Gegner Russland und Deutschland." Neue Osnabrücker Zeitung

Nutznießer Russland

„Nutzen zieht in erster Linie Russland aus dem neuen Lieferweg: Es erhält direkter Zugang zum lukrativen EU-Markt unter Umgehung von Zwischenhändlern wie die Ukraine und Weißrussland, die Transitgebühren verlangen und Gas aus der Pipeline abzweigen oder gar unterbrechen können. Moskau erzielt zudem einen vergleichsweise hohen Lieferpreis für sein Gas, indem es den Preis an den Ölpreis koppelt. Auch hält es 51 Prozent der Anteile am Konsortium und übt die unternehmerische Kontrolle aus. Die Vorteile für die EU halten sich in Grenzen: Wohl erschließt sie sich einen neuen Lieferweg, aber keinen neuen Lieferanten. Die EU deckt bis auf weiteres ein Viertel ihres Gasbedarfs in Russland. Grundsätzlich ist Kooperation gut für die EU und für Russland, aber sie sollte ausgewogen sein." Luxemburger Wort

Deutschland zahlt für das System Gazprom

„Die Pipeline liefert keinen Anreiz für russische Reformen Zur Wahrheit gehört auch, dass die Röhre nach Russland in dieser Lage alles Mögliche bewirken kann, aber nicht jene Modernisierung des Landes, bei der Deutschland so gerne helfen würde. Solange Gas und Geld in ausreichender Menge fließen, funktioniert das System Gazprom, und der Anreiz für politische und wirtschaftliche Reformen fehlt. Niemand würde deshalb allen Ernstes empfehlen, auf russisches Gas zu verzichten. Es wäre schlichtweg unmöglich. Deutschland ist angewiesen darauf, einen erheblichen Teil seines Energiebedarfs dadurch zu decken, erst recht nach dem Ausstieg aus der Atomenergie. Es gilt daher, ob er gefällt oder nicht, der schlichte Satz: Deutschland ist abhängig von russischem Gas. Die Nord-Stream-Pipeline bewirkt diese Abhängigkeit nicht. Sie trägt ihr Rechnung.“ Süddeutsche Zeitung

Auch auf andere Märkte setzen

„Doch so gut die Geschäfte mit Russland laufen: Deutschland darf sich darauf nicht ausruhen. Das wäre bequem, aber riskant. (…) [U]m bei steigender Nachfrage nicht an das Preisdiktat von Gazprom gebunden zu sein, muss Deutschland auf möglichst viele Lieferanten setzen. Gas kommt bereits aus Norwegen und den Niederlanden. Auch Nordafrika ist reich an Erdgas, spielt aber bisher bei der Versorgung Deutschlands keine Rolle. Die geplante Pipeline Nabucco soll Gas aus Ländern wie Turkmenistan und Aserbaidschan gen Westen transportieren und Europas Abhängigkeit von Russland mindern. Doch das Projekt stockt und könnte sogar scheitern - auch weil Russland die Pipeline verhindern und eigene Leitungen von dort gen Westen bauen will. Europa muss aufpassen, dass es bei bewährter gegenseitiger Abhängigkeit bleibt - es sich aber nicht von Russland erpressbar macht.“ Hamburger Abendblatt

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