Rund sechs Wochen sind die letzten neun deutschen Sahara-Geiseln wieder zurück in der Heimat, doch ihre halbjährige Gefangenschaft in der Wüste beschäftigt weiter die Rechnungsprüfer. Insgesamt 20 Millionen Euro, so berichtet der "Focus", soll die Befreiungsaktion in der Wüste den Staat gekostet haben. Offiziell äußert sich die Bundesregierung dazu nicht. Die Prüfung ist auch noch nicht abgeschlossen. Dennoch ist bereits eine Diskussion entbrannt, ob und in welcher Höhe die Geiseln zur Kasse gebeten werden sollen.
Monatelang hielt das Drama Dutzende Experten verschiedener Ministerien, des Bundesnachrichtendienstes, des Militärs in Krisenstäben in Algerien, Mali und Berlin in Atem. Allein die Flugkosten der Bundeswehr in den letzten Tagen des Geiseldramas in Mali betragen nach offiziellen Angaben fast 420 000 Euro. Darin enthalten sind unter anderem: ein Airbus in Bereitschaft in Bamako, eine Ersatz-Crew, die in einem Challenger-Flugzeug nach Mali gebracht wurde, mehrere Transall-Flüge zwischen Nordmali und Bamako.
Zeichen stehen auf Konfrontation
Beim Thema Bezahlen stehen die Zeichen zwischen Befreiten und Staat auf Konfrontation. Der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Hans Martin Bury, deutete an, dass "die Bundesregierung beabsichtigt, die ehemaligen Geiseln an den Kosten für die Freilassung zu beteiligen". Rainer Bracht, Ex-Geisel aus Detmold, weist das im Gespräch mit der dpa zurück: "Nein, auf keinen Fall." Bracht sieht sich als Opfer eines Verbrechens. Für ein Sondereinsatzkommando, das Geiseln bei einem Banküberfall befreit, müsse er ja auch nichts berappen.
Er habe "überhaupt nicht fahrlässig gehandelt", als er sich am 1. Februar mit drei Bekannten auf den Weg in die Sahara gemacht habe, so argumentiert Bracht. Seine Gruppe und zwei andere Reisegruppen waren am 23. Februar auf der so genannten Gräberpiste in Algerien in die Gewalt der Terrorgruppe GSPC geraten. "Bis dahin galt die Gegend noch als sicher", sagt Bracht. Die Entführung von Ausländern sei "eine Premiere" gewesen.
Dagegen sei ein Österreicher, der mit einer Gruppe Mitte März entführt worden war, bereits drei Mal gewarnt worden, sagt Bracht. "Wer sehenden Auges reinfährt, der soll auch bezahlen." Eine Reisewarnung für Algerien hatte das Auswärtige Amt trotz des mysteriösen Verschwindens mehrerer Urlauber-Gruppen nicht herausgegeben. Lediglich riet es seit dem 19. März dazu, das Gebiet der Gräberpiste zu meiden. Außerdem warnte das Außenministerium bereits seit Januar vor einem "erhöhten Sicherheitsrisiko" durch Banden, Schmuggler und Schleuser in den südlichen Sahara-Gebieten.
"Das ist schon unverantwortlich"
Bracht kritisiert dennoch, dass das Auswärtige Amt trotz einer Bitte des Sahara-Clubs vom 19. März keine Reisewarnung für Südalgerien herausgegeben habe. "Das ist schon unverantwortlich", sagt er. "Es wäre ungerechtfertigt, wenn wir jetzt Geld zahlen müssten."
Ob zur Kasse gebeten wird, wird laut Staatsminister Bury im Einzelfall geklärt. Grundlage ist das Konsulargesetz. "Der Empfänger ist zum Ersatz der Auslagen verpflichtet", heißt es im Abschnitt über Hilfeleistungen für Deutsche im Ausland. Doch an anderer Stelle folgt die Einschränkung, dass bei besonderen Umständen oder mit Blick auf persönliche Verhältnisse auf Ansprüche verzichtet werden kann.
Symbolische Beiträge
Klar ist, dass den befreiten Urlaubern nicht alle Befreiungs-Kosten wie etwa Hotelrechnungen für Polizisten der Krisenstäbe in Algier oder Bamako aufgebürdet werden können. Letztlich kann es nur um symbolische Beiträge gehen. So hatte auch die Familie Wallert vor drei Jahren nach ihrer Befreiung aus der Gewalt von Abu Sayyaf-Rebellen auf der Philippinen-Insel Jolo Medikamente, den Rückflug nach Deutschland und Bundeswehrrationen gezahlt. Die ehemalige Sahara-Geisel Bracht will aber auch eine mögliche Rechnung für den Rückflug von Mali nach Köln im Airbus der Luftwaffe nicht bezahlen. Er hätte auch einen billigeren Flug mit Aeroflot über Moskau genommen, sagt er.