Soldaten in Afghanistan Militainment für unsere Frontkämpfer

  • von Jan Zier
Die deutschen Soldaten in Afghanistan bekommen bald Musicals zu hören, die sie ablenken sollen. Eine kulturelle Tradition, der man sich auch im Zweiten Weltkrieg, in Vietnam oder in Korea gerne bediente. Eine Hauptattraktion war damals die Sexgöttin Marilyn Monroe.

Nein, Angst ausgerechnet jetzt nach Afghanistan zu fliegen, hat Thomas Blaeschke keine. Natürlich, man mache sich so seine Gedanken. Klar, und er habe zu Hause in Bremen ja auch Frau, Familie. Aber "negative Gefühle", die mögen den Musical-Komponisten dieser Tage so überhaupt nicht beschleichen.

In wenigen Tagen steigt Blaeschke, künstlerischer Leiter der "Bremer Musical Company" (BMC) in eine Transall-Maschine der Bundeswehr, nach Mazar-e-Sharif, im Norden Afganhistans, wo deutsche Tornado-Kampfflugzeuge stationiert sind. Sieben Künstler, alles in allem, und sie werden direkt aus dem Usbekistan kommen.

Auch dort ist momentan ja eine deutsche Fliegerstaffel stationiert, und außerdem findet dieser Tage in Samarkand das internationale Musikfestival statt. Die Musical-Truppe, ein rein privat finanziertes Ensemble, darf dort die Bundesrepublik Deutschland vertreten, höchst offiziell, vom Auswärtigen Amt und dem Goethe-Institut beauftragt. "Das ist eine große Ehre", sagt Thomas Blaeschke.

Jammer-Pop und Maloche-Schlager für die Soldaten

Eigentlich wollten er und seine Leute ja schon im Mai nach Afghanistan fahren, aber dann kam ein Anschlag dazwischen, eine Trauerfeier für drei getötete Bundeswehrsoldaten. "Da wäre es nicht gut gewesen, gleich wieder Party zu machen". Auch jetzt kam wieder ein Anschlag dazwischen, ein Sprengsatz und drei tote deutsche Polizisten, ein Leibwächter Angela Merkels war auch darunter. Aber die Trauerfeier ist diesmal schon vorbei.

Und überhaupt, es müsse ja weiter gehen. "Wir wollen den deutschen Soldaten, die dort Leib und Leben riskieren, ein paar schöne Stunden verschaffen." Zwei Konzerte in Mazar-e-Sharif sind geplant, dazu ein Musical-Dinner für deutsche und französische Truppen, ein Auftritt bei einem Gottesdienst. Alle zwei, drei Monate organisiert die Bundeswehr so ein Kulturprogramm, genauere Zahlen hat sie nicht.

Xavier Naidoo war jedenfalls schon da, der Erfinder des Jammer-Pop, aber der kam auch schon zur Fußball-Nationalmannschaft. Selbst Gunter Gabriel, 59, durfte am Hindukusch seine Proleten-Kultsongs aus Siebzigern zum Besten geben, "Hey Boss, ich brauch mehr Geld" zum Beispiel, oder "Komm unter meine Decke", mit einer schwarz-rot-gold angestrichenen Gitarre in der Hand. Und einer Botschaft: "Die Barriere zwischen Volk und Soldaten muss eingerissen werden."

Gunter Gabriel hat sogar einen eigenen "KFOR-Song" geschrieben, quasi in der Nachfolge von Freddy Quinns "Hundert Mann und ein Befehl". Die Idee kam ihm damals in Prizren, im Bundeswehrfeldlager im Kosovo, "eine Stunde vor dem ersten Auftritt, auf dem Feldbett sitzend, mit ausgetrocknetem Filzstift auf einem ausgedienten Kartondeckel". Es wurde eine Adaption des Animals-Klassikers "House of the Rising Sun". 2000 Uniformierte sollen im Chor seinen "hammerharten Soldatensong" begeistert mitgegrölt haben, erzählte der hernach der Presse.

Truppenbespaßung hat Tradition - gerade in den USA

Thomas Blaeschke will sich nicht in diese Reihe stellen. Lieber schmückt er sich mit größeren Namen, gerne auch wie beiläufig erwähnt. Marlene Dietrich also. Sie war einst unumstrittener Star des Truppenentertainments im Zweiten Weltkrieg, sie sah es als ihre moralische Pflicht an, im Kampf gegen Nazi-Deutschland vor den GIs zu singen, "Where have all the flowers gone" etwa. Die "abtrünnige Deutsche" wurde indes auch von Soldaten der Wehrmacht verehrt. Blaeschke weist die historische Parallele weit von sich. "Wollen Sie jetzt die Bundeswehr mit den Nazis vergleichen?" Das sei eine Vergangenheit, die ihn nicht mehr betreffe.

Sowohl Nazis als auch Alliierte bemühten sich seinerzeit um die Bespaßung ihrer Truppen, verbanden dabei stets die seichte Unterhaltung mit erotischen Reizen von allerlei Sternchen. Um die Soldaten bei Kriegslaune zu halten. Bei den GIs funktioniert das bis heute so, im Korea-Krieg erschien 1954 Marilyn Monroe, im enge schwarzen Cocktailkleid und Goldsandalen. In Vietnam war es Sexsymbol Raquel Welch, im gestrickten Mini. Und im Kampf gegen den Terror kamen George Clooney, Matt Damon, Brad Pitt und Julia Roberts, um sich und ihren Film "Ocean's Eleven" auf einem US-Stützpunkt in der Türkei zu präsentieren.

Die Liste ließe sich lange fortsetzen, bis hin zu Spice-Girl Geri Halliwell, die in der Wüste von Oman für rund 6000 britische Soldaten sang, im Union-Jack BH und einer nur "notdürftig zugeknöpften Uniformjacke", wie kolportiert wurde.

Soldaten sind auch mit "10 nachten Frisösen" zu befriedigen

Bei der Bundeswehr ist das anders. Da kommen Peter Maffay und Gunter Gabriel. Und "Schlüpfriges" ist nicht erwünscht, offiziell jedenfalls. Bei den Soldaten schon, aber die gelten musikalisch auch als nicht sehr anspruchsvoll, sind auch mit "10 nackte Friseusen" zu befriedigen. Die BMC wird sich für ein "buntes Programm" entscheiden, Stücke aus "Evita" werden dabei sein, die Queens und Abba-Nummernshows, die Musical-Fassung von Schillers "Maria Stuart", oder "Die Schöne und das Biest".

Wegen des Geldes macht er es jedenfalls nicht, sagt Blaeschke, Gage sei nämlich Fehlanzeige, und Gunter Gabriel sagt das auch. Die Bundeswehr zahle nur den Flug, die Unterkunft im Bundeswehr-Camp, die Verpflegung, dazu 5000 Euro für die Technik. "Das ist alles." Die BMC wollte deshalb ursprünglich Sponsoren für sich gewinnen, hat aber bei dem in Bremen ansässigen Rüstungskonzern Atlas Elektronik ebenso vergeblich angefragt wie bei Beck's.

Am Ende ziehe aber jeder Auftritt weitere nach sich, und so ist es auch bei der Bundeswehr. "Militainment" ist auf dem Vormarsch, sagt die Kommunikationswissenschaftlerin Tanja Thomas von der Uni Lüneburg. Auch die BMC war 2002 schon im Kosovo, und 2003 in Bosnien-Herzegowina. Helfen, den Hass zu bekämpfen, wie Blaeschke sagt.

Dann erzählt er die Geschichte von den Serben und den Albanern, von der entsicherten Handgranate, mit einem Stück Würfelzucker präpariert, im Abflussrohr des Hauses einer in die alte Heimat zurückkehrenden Familie versteckt. Einmal Händewaschen genügt. Der nächste Anschlag kommt bestimmt. Und das Show-Business zieht weiter, zum nächsten Truppen-Stützpunkt.

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