Hessen Kochs Studiengebühren wackeln

  • von Sebastian Christ
Darf ein Studium etwas kosten? "Klar", finden weite Teile der Union. Keinesfalls, meint die SPD. Ausgerechnet in Hessen, wo im Januar gewählt wird, droht dem CDU-Regierungschef Roland Koch nun eine empfindliche Schlappe.

Lange schien der Kampf gegen Studiengebühren aussichtslos. Demonstrationen verpufften, Kanzleibesetzungen waren erfolglos, und zuletzt scheiterten die Boykottaktionen an fast allen Hochschulen zum Teil katastrophal. Doch jetzt haben Gebührengegner einen Hoffnungsschimmer: In Hessen wackelt das Gesetz zu den Studiengebühren bedrohlich. Denn am Hessischen Staatsgerichtshof läuft zurzeit auf Initiative von SPD und Grünen eine Normenkontrollklage gegen das Gesetz.

Landesanwältin Ute Sacksofsky hat nun eine Stellungnahme dazu abgegeben. Darin kommt sie zu einem vernichtenden Urteil, was die Rechtmäßigkeit der hessischen Gebührenpläne betrifft. Sacksofsky hält die Einführung von Studiengebühren nur nach einer Verfassungsänderung für möglich. Die Jura-Professorin hat darüber hinaus beantragt, das Gesetz für nichtig erklären zu lassen.

Keine Sonderregelung für "wirtschaftlich Schwache"

Grund für ihre Skepsis, so Sacksofsky, sei vor allem die Tatsache, dass in dem Gesetz "wirtschaftlich Schwache" nicht ausdrücklich ausgenommen würden. Damit spielt sie auf eine Besonderheit der hessischen Landesverfassung an. Dort ist das gebührenfreie Studium ausdrücklich verankert.

Doch die rechtliche Lage ist verzwickt. So heißt es im ersten Satz von Artikel 59: "In allen öffentlichen Grund-, Mittel-, höheren und Hochschulen ist der Unterricht unentgeltlich." Aber kurz danach steht auch: "(Das Gesetz) kann anordnen, dass ein angemessenes Schulgeld zu zahlen ist, wenn die wirtschaftliche Lage des Schülers, seiner Eltern oder sonst Unterhaltspflichtigen es gestattet." Auf diesen Satz hat sich die CDU-geführte Landesregierung berufen, als sie ihre Gebührenpläne auf den Weg brachte.

In Hessen wird im Januar 2009 ein neuer Landtag gewählt. Die CDU regiert derzeit mit absoluter Mehrheit, SPD und Grüne haben sich bereits frühzeitig gegen Studiengebühren ausgesprochen.

Nach derzeitigem Stand werden Studenten erstmals zum Wintersemester 2007/08 zur Kasse gebeten, das Gesetz sieht eine Gebühr von 500 Euro pro Semester vor. Die Landesregierung hat das Bezahlstudium gegen starke Widerstände durchgeboxt. Im Bereich Bildungspolitik steht Ministerpräsident Roland Koch stark in der Kritik, nicht zuletzt wegen der geplanten Studiengebühren.

SPD und Grüne frohlocken

Eine Schlappe hätte weit reichende Folgen für ihn: Auf Landesebene bedeutete eine Streichung des Studiengebühren-Gesetzes die größte anzunehmende bildungspolitische Niederlage, in der Bundespolitik stünde er als "schwacher Macher" da. Denn alle anderen einflussreichen Gebührenbefürworter in der CDU haben in ihren Ländern das kostenpflichtige Studium bereits durchgedrückt. Die Landesanwaltschaft, die Sacksofsky vertritt, ist nach hessischem Recht eine Behörde, die an verfassungsgerichtlichen Verfahren teilnimmt. Sie ist nicht an Weisungen vom Staatsgerichtshof gebunden und kann sich jederzeit mit Anträgen und Stellungnahmen in laufende Verfahren einschalten. Der Landesanwaltschaft wacht so über die Einhaltung der Verfassung.

Trotz der Äußerungen Sacksofskys ist noch unklar, ob das Gebührengesetz in vollem Umfang vom Staatsgerichtshof kassiert wird. Wann die Entscheidung fällt, steht ebenfalls noch nicht fest. Grüne und SPD begrüßten die Stellungsnahme der Landesanwältin. Beide Parteien wollen mit der Forderung nach einem gebührenfreien Studium auch in den Landtagswahlkampf ziehen.

Studenten erzwingen "Volksklage"

Zu einem zusätzlichen Verfahren am Staatsgerichtshof könnte es noch in diesem Herbst kommen. Grund dafür ist der Erfolg einer Studenteninitiative. In Hessen muss für eine so genannte "Volksklage" laut Gesetz genau ein Prozent der wahlberechtigten Bevölkerung ihre Unterschrift auf so genannte "Klagebögen" setzen, damit ein Verfahren zustande kommt. In allen großen Universitätsstädten machten die Studenten Unterstützer mobil. Statt der geforderten 43.000 Bürger unterschrieben letztlich 78.700. Die Bögen wurden im Juni übergeben, im Oktober soll dann die Klageschrift eingereicht werden.

Bereits im Jahr 1949 gab es die erste Klage gegen eine Form von Studiengebühren am Staatsgerichtshof. Die sozialdemokratische Landesregierung hatte damals so genannte "Unterrichtsgelder" für Studenten eingeführt.

Der 24-jährige Jura-Student Karl-Heinz Koch wollte sich das nicht gefallen lassen: Er berief sich auf Artikel 59. Der spätere hessische Justizminister zog zusammen mit anderen Studenten vor das höchste hessische Gericht - und gewann. Seitdem hatte es kein Ministerpräsident mehr gewagt, die Einführung von Studiengebühren durchsetzen zu wollen.

Roland Kochs Vater klagte 1949 gegen Studiengebühren

Ausgerechnet Karl-Heinz Kochs Sohn Roland riss das Steuer herum. Nachdem das Bundesverfassungsgericht im Januar 2005 Studiengebühren zur Ländersache erklärt hatte, war Roland Koch einer der ersten Ministerpräsidenten, der die Möglichkeit einer Gebühreneinführung überprüfen ließ. Mit dem bekanntem Ergebnis.

Doch auch in der hessischen CDU sind Studiengebühren längst nicht einhelliger Konsens. Die Junge Union Hessen (JU) leistet seit zwei Jahren aktiv Widerstand gegen das Gesetz und stellt sich damit in diesem Punkt gegen den Kurs des Bundesverbandes. "Jenseits der Ablehnung aus ideologischen Gründen gibt es viele Argumente gegen Studiengebühren, die in der aktuellen Auseinandersetzung kaum eine Rolle spielen. Zum Beispiel der demografische Faktor, es trifft vor allem kinderreiche Familien", sagt Marian Zachow, stellvertretender Landesvorsitzender der JU. "Es gibt es eine Fülle von anderen Möglichkeiten, um die Finanzausstattung hessischer Hochschulen zu verbessern, ohne die Studenten zur Kasse zu bitten."

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