Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat nach Angaben aus dem Bundestagsuntersuchungsausschuss Akten zum Fall der Neonazi-Mordserie vernichtet, nachdem das Trio aus Zwickau aufgeflogen war. Dies habe der Präsident des Bundesamtes, Heinz Fromm, dem Bundesinnenministerium mitgeteilt, berichteten Mitglieder des NSU-Untersuchungsausschusses am Donnerstag in Berlin. Demnach sollten die Ermittler am 11. November 2011 Akten für die Arbeit der Generalbundesanwaltschaft zusammenstellen, stattdessen seien am selben Tag Akten vernichtet worden.
Wie in Sicherheitskreisen verlautete, ermittelt das Bundesamt nun in den eigenen Reihen. Gegen den mit der Aktenvernichtung befassten Referatsleiter sei ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden.
Der Untersuchungsausschuss zeigt sich empört über die Datenlöschung. Dies sei ein "unglaublicher Vorgang", sagte der FDP-Vertreter im Ausschuss, Hartfrid Wolff, am Rande einer Sitzung des Gremiums. Nach Angaben des Grünen-Abgeordneten Wolfgang Wieland bestätigte ein Vertreter des Bundesinnenminsteriums vor dem Bundestagsgremium die Aktenvernichtung.
"Das ist Konfetti der besonderen Art", sagte Wieland zu der Aktenvernichtung am 11. November 2011. "Wir finden das nicht lustig." Es stelle sich nunmehr die Frage, ob die Mitglieder der Neonazi-Zelle tatsächlich nicht auf der Gehaltsliste des Verfassungsschutzes standen. Der CDU-Abgeordnete Clemens Binninger sagte, der Vorgang lasse Raum "für alle möglichen Theorien".
Pau: "Bild über Verfassungsschutz wird rabenschwarz"
Die SPD-Vertreterin Eva Högl forderte, Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) müsse die Aktion lückenlos aufklären. "Der gesamte Vorgang ist unerträglich und muss Konsequenzen haben." Zu klären sei, ob hier "Fehler von Sicherheitsbehörden vertuscht" werden sollten.
"Ganz offensichtlich hat der Bundesverfassungsschutz viel zu verbergen", erklärte die Linken-Abgeordnete Petra Pau dazu. "Das Bild über den Verfassungsschutz im Zusammenhang mit der NSU-Nazi-Mordserie wird immer finsterer, ja rabenschwarz."
Den Angaben zufolge hatte der Bundesverfassungsschutz im November 2011 wenige Tage nach Bekanntwerden der NSU-Mordserie Akten zur so genannten "Operation Rennsteig" vernichtet. Dabei handelte es sich um eine Zusammenarbeit des Verfassungsschutzes mit der rechtsextremen Gruppe "Thüringer Heimatschutz", aus der die NSU hervorgegangen sein soll.
Der rechtsextremen Zelle NSU werden bundesweit neun Morde an Migranten sowie an einer Polizistin vorgeworfen. Mögliche Ermittlungspannen stehen auch im Mittelpunkt der Sitzung des Bundestags-Untersuchungsausschuss zur NSU. Er soll am Donnerstag den Präsidenten des Bundeskriminalamts, Jörg Ziercke, vernehmen.