Hinweis der Redaktion: Rachid C. wurde gefasst. Wir haben daher im nachfolgenden Text seinen Nachnamen abgekürzt und sein Bild verfremdet. Mehr zu der Festnahme lesen Sie hier.
Seine kriminelle Karriere startete früh, verlief steil und fand ihren grausamen Höhepunkt im April 2011 mit dem Raubmord an einer 76-jährigen Kiosk-Betreiberin in Nürnberg. 2013 verurteilt ihn ein Schwurgericht deswegen zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Nun ist Rachid C. die Flucht gelungen. Der 40-Jährige sprang am Donnerstagnachmittag aus einem Fenster des Regensburger Amtsgerichts (der stern berichtete). Die Polizei ist seither im Dauereinsatz und warnt die Bevölkerung: "Der Mann könnte gewalttätig reagieren."
C.soll während seiner Haft in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Straubing Widerstand gegen Beamte geleistet haben, am Amtsgericht Regensburg sollte ihm deswegen nun der Prozess gemacht werden. Zuletzt saß er in einer anderen JVA ein. In welcher, verrät die Polizei nicht.
Rachid C.sprang aus Fenster im Amtsgericht Regensburg
Für vertrauliche Gespräche mit Verteidigern gibt es im Amtsgericht ein sogenanntes Anwaltszimmer. Beamte dürfen bei diesen Beratungen nicht im Raum sein – wegen des Anwaltsgeheimnisses. In deutschen Amtsgerichten werden normalerweise kleinere Delikte verhandelt, Diebstähle oder Trunkenheitsfahrten zum Beispiel. Die Sicherheitsvorkehrungen sind daher oftmals deutlich geringer als in Landgerichte, wo unterem Morde zur Anklage kommen. Allerdings: Amts- und Landgericht befinden sich in Regensburg im selben Gebäudekomplex.
Auge in Auge mit Mördern: "Um ehrlich zu sein, geht es mir hier ganz gut"

Offenbar machte sich C. die fehlende Sicherheit im Bereich des Amtsgerichtes zunutze. "Er entwich über ein Fenster im Erdgeschoss", so die Polizei. Jetzt kam heraus: Das Fenster des Raums war nicht besonders gesichert, nach bisherigem Kenntnisstand nicht einmal abgeschlossen. Das bestätigte ein Sprecher des Polizeipräsidiums Oberpfalz dem stern am Freitagmittag auf Anfrage. Zur Sicherheit seien daher Polizeibeamte unter dem Fenster postiert worden, sie seien "nicht ortskundig" gewesen. C. habe einen günstigen Moment abgewartet und sei dann getürmt. Wie das sein kann? "Die genauen Umstände werden derzeit noch geprüft", hieß es von der Polizei. Der Verteidiger des verurteilten Mörders wollte sich auf Anfrage der "Bild"-Zeitung nicht zu der Flucht seines Mandanten äußern.
Polizei soll auch Wochenende im Großeinsatz bleiben
Ein Beamter sei dem Flüchtigen sofort hinterher geeilt, so die Polizei, doch schon nach rund 300 Metern sei der Vorsprung zu groß gewesen. Die Flucht des Algeriers löste am Donnerstagnachmittag einen Großeinsatz der Polizei aus. Alle verfügbaren Kräfte suchten nach dem Schwerverbrecher, Spürhunde sollten Fährte aufnehmen, ein Polizeihubschrauber stieg über der 150.000-Einwohner-Stadt auf. Die Nachricht vom Ausbruch des Mörders verbreitete sich schnell, kurz darauf veröffentlichte die Polizei einen Steckbrief mit Fotos von C. und bat die Bevölkerung um Mithilfe bei der Suche nach ihm.
Die Polizei sucht nach dem geflohenen Mörder Rachid C.
Name: Rachid C.; Geburtsdatum: 17. Februar 1982; Alter: 40 Jahre; Nationalität: algerisch; Größe: 1,76 Meter; Figur: schlank; Gewicht: etwa 63 Kilogramm; Haare: schulter- bis ellenbogenlang, kraus, wellig, dunkel; besondere Merkmale: hohe Stirn, Vollbart, Brandnarbe am linken Ellenbogen und Oberarm; Sprachen: Deutsch mit Akzent, Französisch, Englisch, Arabisch, Italienisch; Bekleidung: kariertes Hemd, dunkle Hose, dunkle Sneaker mit weißer Sohle; Schuhgröße: 42.
Ein weiteres Foto des Gesuchten gibt es hier.
Hinweise zum Aufenthaltsort nimmt die Polizei bundesweit über den Notruf 110 entgegen. Die Polizei warnt: "Sprechen Sie den Flüchtigen nicht an, sondern verständigen Sie die Polizei. Der Mann könnte gewalttätig reagieren."
Auch am Tag nach der gelungen Flucht fahndet die Polizei. Die Kräfte seien noch einmal spürbar verstärkt worden, teilen die Beamten mit – auch um der Beunruhigung in Regensburg entgegenzuwirken. Erneut sind Hunde und Hubschrauber im Einsatz, die bayerische Bereitschaftspolizei hat Einheiten entsandt. Im Hintergrund versuchen Fahnder zu ermitteln, wo sich Chouakri aufhalten könnte. Auch Polizeibehörden im Schengenraum seien informiert worden. Er könnte sich ins Ausland abgesetzt haben.
Bis zum Mittag seien 25 Hinweise aus der Bevölkerung eingegangen – noch nicht alle konnten abgearbeitet werden, aber: "Ein konkreter Hinweis auf den aktuellen Aufenthaltsort des Flüchtigen liegt noch nicht vor." Der Fahndungsdruck soll nach Angaben der Polizei auch am Wochenende unverändert hochgehalten werden.
Quellen: Polizeipräsidium Oberpfalz (1), Polizeipräsidium Oberpfalz (2), "Bild"-Zeitung, Nachrichtenagentur DPA