Schengen-Informationssystem II Ende mit Schrecken oder Schrecken ohne Ende?

Die Kosten haben sich verzehnfacht, der Zeitplan hinkt um mehrere Jahre hinterher. Mittlerweile scheint niemand mehr in der Europäischen Union an die Fertigstellung des Schengen-Informationssystem II zu glauben. Trotzdem soll die Entwicklung erst einmal weitergehen.

Unter den EU-Staaten steigt der Zorn über das geplante Schengen-Informationssystem II. Wegen einer Verzehnfachung der Kosten und technischer Pannen hätten Deutschland, Österreich und Frankreich inzwischen "erhebliche Zweifel, ob das je zu einem guten Erfolg führt", sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière am Donnerstag auf einem Treffen mit seinen EU-Kollegen in Luxemburg. Über ein "Millionengrab" schimpfte die österreichische Ressortchefin Maria Fekter.

SIS dient dem Austausch von Fahndungsdaten zwischen den Polizei- und Zollbehörden. Ursprünglich sollte schon vor der Erweiterung des Schengen-Raums nach Osteuropa 2007 das ganze System auf eine neue technische Basis gestellt werden, genannt SIS II. Der Entschluss wurde bereits 2001 gefasst, damals waren die Kosten mit 15,5 Millionen Euro veranschlagt. Der Posten im aktuellen Haushaltsansatz: 143 Millionen Euro. Die Einführung wurde am Donnerstag ein weiteres Mal aufgeschoben, diesmal von 2011 auf 2013.

Aus Sicht Deutschlands und Österreichs wäre es sinnvoller, das existierende SIS I zu modernisieren, wie de Maizière am Donnerstag bekräftigte. Auch dadurch könne etwa der Austausch biometrischer Daten sichergestellt werden. "Aber es gibt viele Staaten mit der Auffassung, das dies so weitergeht." Allerdings sei beim Rat am Donnerstag "die Stimmungslage sehr gedrückt gewesen", sagte Fekter.

"Never ending Cash Flow?"

Die Kommission braucht ein neues Mandat der Innenminister, um das Projekt fortzusetzen. Am Donnerstag erhielt sie es nicht, und de Maizière drohte, auch beim nächsten Rat im Juli könne es schwierig werden. "Wir werden alles tun um zu verhindern, dass SIS nicht nur teurer, sondern auch schlechter wird." Das derzeitige Mandat läuft Ende des Jahres aus. Danach wäre SIS II auf Eis gelegt. Das wäre ein immenser Gesichtsverlust für die Kommission.

Denn in den Zentralrechner in Straßburg wurden schon mehr als 60 Millionen Euro investiert. Zudem drohen Schadensersatzanforderungen des mit SIS II beauftragten Konsortiums. Doch auch die Vertragspartner fallen in Wien und Berlin zunehmend in Ungnade. Der von ihnen vorgelegte Prototyp hat zwei Tests im Frühjahr nicht überzeugend bestanden. "Entweder sind die Vertragspartner unfähig, oder sie betrachten das Projekt als never ending Cash Flow", sagte Fekter. Für sie scheinen sich "Indizien für Missmanagement zu verdichten".

De Maizière betonte die Bedeutung eines funktionierenden Informationssystems für eine Erweiterung des 25 Mitglieder zählenden Schengen-Raums. "Wir haben eine Aufnahme weiterer Staaten immer davon abhängig gemacht, dass SIS die Aufnahme auch technisch gewährleisten kann, damit kein Sicherheitsverlust entsteht."

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Tobias Schmidt, APN/DPA

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