VG-Wort Pixel

Halle-Attentäter Ermittler äußern sich nach Geiselnahme in JVA Burg: Stephan B. wollte Freilassung erzwingen

Magdeburg: Stephan B. sitzt im Landgericht. Der Attentäter hatte am 9. Oktober 2019 am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur versucht, in der Synagoge in Halle ein Blutbad anzurichten.
Sehen Sie im Video: Attentäter von Halle nimmt Geiseln in JVA Burg.




Der Attentäter von Halle, Stephan B., hat am Montagabend zwei Bedienstete in der Justizvollzugsanstalt Burg bei Magdeburg als Geiseln genommen. Im Anschluss gelang es Einsatzkräften jedoch, die Geiseln zu befreien. Der Geiselnehmer wurde dabei verletzt. Franziska Weidinger (CDU), Justizministerin Sachsen-Anhalt: "Der Strafgefangene hat zeitweise insgesamt zwei Justizvollzugsbedienstete in seine Gewalt gebracht, um so unter Androhung des Gebrauchs eines noch näher zu untersuchenden Tatmittels das Anstaltsgelände verlassen zu wollen." Es war nicht der erste Zwischenfall während der Inhaftierung. 2020 kam es bereits zu einem Fluchtversuch, bei dem der Gefangene während eines Hofgangs über einen fast dreieinhalb Meter hohen Zaun geklettert war. Der 30-jährige Stephan B. hatte am 9. Oktober 2019 versucht, an Jom Kippur, dem höchsten jüdischen Feiertag, mit Waffengewalt eine Synagoge in Halle zu stürmen. Er warf dabei zudem Brand- und Sprengsätze und schoss auf die Eingangstür. Allerdings gelangte er nicht auf das Gelände der Synagoge. Später erschoss er eine 40-jährige Passantin sowie in einem nahe gelegenen Döner-Imbiss einen 20-Jährigen. Der Täter wurde 2020 zu lebenslanger Haft mit anschließender Sicherheitsverwahrung verurteilt. Die Richter hatten ihn des zweifachen Mordes und des versuchten Mordes in weiteren Fällen schuldig gesprochen. Eine vorzeitige Haftentlassung nach 15 Jahren ist damit so gut wie ausgeschlossen.

Nachdem Halle-Attentäter Stephan B. am Montagabend in der JVA Magdeburg zweitweise zwei Geiseln in seine Gewalt brachte, schildern Polizei und Justiz Hintergründe zu dem Vorfall.

Im Hochsicherheitsgefängnis in Burg nahe Magdeburg hat der rechtsextreme Halle-Attentäter Stephan B. zwei Bedienstete als Geiseln genommen – und wollte damit seine Freilassung erzwingen. Das sei aus den Äußerungen während der Tat zu schließen, teilte das Landesjustizministerium am Dienstag in Magdeburg mit. Der 30-Jährige wurde am Montagabend nach weniger als einer Stunde überwältigt. Das Landesjustizministerium bestätigte entsprechende Angaben aus Sicherheitskreisen. Demnach hatte der Gefangene gegen 21.00 Uhr zeitweise zwei Bedienstete in seine Gewalt gebracht. Diese seien aber nicht zeitgleich, sondern nacheinander festgehalten worden. "Die zweite Geisel war dabei länger in Gewalt von Stephan B.", hieß es auf der Pressekonferenz des Landesjustizministeriums. Er habe die Zeit des Einschlusses vor der Nacht am Montagabend gegen 21.00 Uhr genutzt und einen Bediensteten mit einem noch nicht näher benannten Gegenstand gezwungen, ihn auf das Außengelände zu bringen. Einen weiteren Mitarbeiter versuchte der dann zu zwingen, weitere Türen zu öffnen.

Tilman Gerwien zum Urteil im Halle-Prozess

Acht Beamte überwältigen Geiselnehmer

Schließlich sei er von acht Justizvollzugsbediensteten überwältigt worden. Der Täter wurde verletzt, aber nicht schwerwiegend. Die Bediensteten sind den Angaben zufolge körperlich nicht verletzt, werden aber betreut. Die genauen Hintergründe der Tat sind noch unklar. Dazu gehört, wie genau der Gefangene die Bediensteten in seine Gewalt bringen konnte. Die Geiselnahme sorgte für einen Großeinsatz der Polizei. Die Beamten waren vor dem Gefängnis schwer bewaffnet in Stellung gegangen. Im Gefängnis laufen die Ermittlungen durch das Landeskriminalamt. Der Halle-Attentäter Stephan B. war am 21. Dezember 2020 zu lebenslanger Haft und anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt worden. Er sitzt seine Strafe im Gefängnis in Burg ab. Es ist das größte und modernste Hochsicherheitsgefängnis Sachsen-Anhalts. Sachsen-Anhalts Justizministerin Franziska Weidinger (CDU) betonte das gute Zusammenspiel der Bediensteten. Sie hätten ruhig und besonnen gehandelt. Der Halle-Attentäter sei während seiner Haft engmaschig betreut und kontrolliert worden.

Stephan B. gilt als schwieriger Häftling

B. gilt als unkooperativer und schwieriger Häftling. Am Pfingstwochenende 2020 hatte er als Angeklagter im Halle-Prozess versucht, aus der JVA Halle zu fliehen. Während eines Hofgangs war er über einen 3,40 Meter hohen Zaun geklettert und hatte fünf Minuten ohne Aufsicht nach Auswegen aus dem Gefängnis gesucht, bevor ihn Justizbedienstete wieder schnappten. Der rechtsextreme Attentäter hatte am 9. Oktober 2019 versucht, am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur die Synagoge von Halle zu stürmen und ein Massaker anzurichten. Er warf Brand- und Sprengsätze und schoss auf die Zugangstür. Als es ihm nicht gelang, aufs Gelände zu kommen, ermordete er vor der Synagoge eine 40 Jahre alte Passantin und in einem nahe gelegenen Döner-Imbiss einen 20-Jährigen. Auf der Flucht verletzte er weitere Menschen. Das Gefängnis in Burg unweit der Autobahn 2 verfügt laut Justizministerium über 637 Haftplätze im geschlossenen Vollzug, es werden zudem 18 Haftplätze für die Sicherungsverwahrung vorgehalten.

Schwachstellen im Gefängnis?

Unterdessen wurden erste Forderungen nach Aufklärung und der Beseitigung von Schwachstellen im Gefängnis laut. "Die Welt schaut auf Sachsen-Anhalt und die Landesregierung trägt eine besondere Verantwortung und muss besonders sorgfältig handeln", erklärte Linken-Fraktionschefin Eva von Angern. Justizministerin Franziska Weidinger (CDU) müsse alles unternehmen, damit der aktuelle Vorfall aufgearbeitet und Schwachstellen behoben werden. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Fraktion, Sebastian Striegel, drängte auf eine möglichst baldige Sitzung des Rechtsausschusses des Landtags. "Wir müssen jetzt schnell zu gesicherten Informationen kommen", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Er sei "extrem beunruhigt", dass es nach dem Ausbruchsversuch des Attentäters in der JVA Halle und einem versuchten Angriff im Gericht nach der Urteilsverkündung erneut "zu einem schwerwiegenden Sicherheitsvorfall" durch den Gefangenen gekommen sei.

mth DPA

Mehr zum Thema

Newsticker