Toby Dorr war noch nie über Rot gefahren, auch noch nie geblitzt worden und hielt brav an jedem Stoppschild. Als Kind war sie bei allen Lehrern beliebt gewesen und hatte nur Einser bekommen. Ihre Eltern hatten ihr nie sagen müssen, wann sie zu Hause sein sollte, weil sie sowieso nie lange ausging. Sie hatte ihren ersten Freund geheiratet, eine Familie gegründet, Karriere gemacht. Sie ging regelmäßig in die Kirche. Sie tat alles, was sie tun sollte.
Heute ist sie Anfang 60. Vom Aussehen her könnte sie auch eine unauffällige Bibliothekarin sein. Doch die Menschen in Kansas City kennen ihre Geschichte. Früher haben sie Toby in Restaurants angestarrt und auf der Straße mit dem Finger auf sie gezeigt. Seit über zehn Jahren streiten die Leute hier darüber, ob das, was sie getan hat, dumm und egoistisch war oder mutig und inspirierend. In den Medien war sie die „Hundedame“ aus dem Gefängnis von Lansing. Dieser Spitzname lässt die Geschichte dahinter nur erahnen.
„Ich habe mich immer an Regeln gehalten“, sagt sie und merkt dann selbst, dass der Satz nicht ganz stimmt: „Na ja, bis auf das eine Mal.“