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Bedrohte Bergwelt Aufstieg zum Mont Blanc? "Zu riskant", meinen Bergsteiger. Die Wärme macht es fast unmöglich

Der französische Bergsteiger Charles Dubouloz beim Aufstieg an der Nordwand des Grandes Jorasses im Mont-Blanc-Massiv
Der französische Bergsteiger Charles Dubouloz beim Aufstieg an der Nordwand des Grandes Jorasses im Mont-Blanc-Massiv
© Sebastien MONTAZ-ROSSET / SEB MONTAZ STUDIO / AFP
Nur noch wenige wagen den Aufstieg: Steinschläge, Schneebretter und sich auftuende Gletscherspalten schrecken selbst erfahrene Mont-Blanc-Begeisterte ab. Hintergrund sind die immer höhere Temperaturen. 

Grau und nackt ziehen sich die Furchen durch den Tacul-Gletscher, an weiten Stellen bedeckt gelblicher Sahara-Staub das Gelände im Hochgebirge. Schnee ist mancherorts nur in der Ferne zu sehen. Weiter unten geht der Gletscher im Mont-Blanc-Massiv in den größten französischen Gletscher über, der Mer de Glace heißt, zu deutsch "Eismeer". Im Sommer zieht diese faszinierende Bergwelt normalerweise Hunderte Bergsteiger an. 

Doch Schneemangel und die immer höheren Temperaturen sorgen in diesem Jahr für so schwierige Bedingungen für Touren zum Gipfel des Mont Blanc, dass trotz offiziell noch geöffneter Routen nur noch wenige den Aufstieg wagen können – zum Leidwesen vieler Hobby-Bergwanderer. Steinschläge, Schneebretter und sich auftuende Gletscherspalten schrecken selbst erfahrene Mont-Blanc-Begeisterte ab.

"Wir sehen, wie sich die Bedingungen von Tag zu Tag verschlechtern"

Derzeit würden nur noch "etwa ein Dutzend oder zwanzig Menschen pro Tag, eher Spezialisten", auf den Gipfel des Mont Blanc in 4807 Metern Höhe gelangen, schätzt Olivier Grébert, Präsident des Bergführerverbands von Chamonix. Normalerweise seien es 100 bis 120 Menschen. 

Die Bergführervereinigungen der Städte Chamonix und Saint-Gervais am Fuße des Mont Blanc haben Mitte Juli bekanntgegeben, dass sie den Aufstieg über die "normale" Route von Le Goûter aufgrund von Steinschlägen aufgeben. Der Zugang bleibt für unabhängige Bergführer offen. 

Von herunterkrachenden Steinen "so groß wie Kühlschränken" auf der Normalroute spricht Noé Vérité, Hüttenwart der Cosmiques-Hütte. Andere Routen wie der "Innominata"-Grat würden zwar noch begangen, seien aber aufgrund ihres Schwierigkeitsgrads nur einer Minderheit vorbehalten.

Die Schutzhütte von Cosmiques liegt auf der Trois-Monts-Route. Doch auch diese ist vor steigenden Temperaturen nicht gefeit: Vor kurzem habe er mitten in der Nacht sechs Grad an seiner Hütte auf 3613 Metern Höhe gemessen, berichtet Vérité der AFP am Telefon. Wegen des fehlenden Frosts in dieser Nacht hätten alle Aufstiegswilligen wegen der Gefahren wieder umkehren müssen. Die Wärme würde das Gebirge destabilisieren. 

"Wir sehen, wie sich die Bedingungen von Tag zu Tag verschlechtern", sagt Vérité. Für ihn ist der Juli normalerweise der Höhepunkt der Saison, aber die Absagen häufen sich.

Aufstieg zum Mont Blanc "zu riskant"

Unten in der Stadt Chamonix ist die Saison noch in vollem Gange. Die Touristen strömen in die Seilbahn, die sie zum Gipfel der Aiguille du Midi auf 3842 Metern Höhe bringt. Doch der Eindruck ändert sich beim Anblick der kleinen, ins Eis gehauenen Höhle weit oben. Eigentlich dient die kleine Grotte als Umkleideraum und Ausgangspunkt für zahlreiche Bergtouren, etwa zum Mont-Blanc-Gipfel über die Trois-Monts-Route. Doch Ende Juli schnallen sich hier eher wenige die Steigeisen an oder ab. 

Unter ihnen ist der Schotte Evan Warden und sein 14-jähriger Sohn David, die für einen Ausflug zum Gletscher unterhalb der Aiguille du Midi hergekommen waren. Sie fanden "schreckliche" Bedingungen vor: Überall auf ihrem Weg habe es Steinschlag gegeben "und ständig öffneten sich Gletscherspalten", erzählt der Junge. Eigentlich hatten sie gehofft, auch den Mont Blanc zu besteigen, den Plan jedoch aufgegeben – "zu riskant".

Ganze drei Jahre hatte das norwegische Paar Monica und Marten Antheum auf ihre Tour zum Gipfel gewartet. Sie müssen sich für den Aufstieg nun weiter gedulden. "Der Bergführer hat uns eine E-Mail geschickt und wegen des Wetters abgesagt", sagt Monica Antheum. Sie zeigt Verständnis: "Ich denke, die Bergführer kennen das Gebiet und die Bedingungen. Für uns ist es okay, wir können es später nachholen."

Ähnlich sieht das auch der Schotte Evan Warden, der sich gerade sein Seil um den Körper wickelt. "Vielleicht im nächsten Jahr", sagt er. Der Mont Blanc "wird morgen da sein, er wird nächsten Monat da sein und nächstes Jahr. Er wird sich nicht bewegen."

Amélie Herenstein / fs AFP

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