Waggons kippen um und rutschen einen Damm hinuter, Verletzte werden aus den Fenstern gezogen: Bei einem schweren Zugunglück zu Beginn der Pfingstferien in Bayern sind in Garmisch-Partenkirchen mindestens vier Menschen ums Leben gekommen.
Es galten zunächst noch ein Dutzend Menschen als vermisst. "Wir sind auch insofern ein bisschen besorgt, dass wir immer noch zwölf Vermisstenmeldungen haben, die noch nicht endgültig abgearbeitet werden konnten", sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) am Freitagabend im BR Fernsehen. Es könne aber sein, dass Vermisste bereits in den Kliniken seien. Einige seien so schwer verletzt, dass die Identität der Patienten noch nicht habe geklärt werden können. Er hoffe, dass die Polizei diese Vermisstenfälle in der Nacht abarbeiten könne. Es könne jedoch auch immer noch nicht ausgeschlossen werden, dass unter den entgleisten und umgestürzten Waggons weitere Tote liegen, so Herrmann.
Regionalzug auf dem nach München verunglückt
Ein Regionalexpress entgleiste in der beliebten oberbayerischen Urlaubsregion auf dem Weg von Garmisch nach München. Wie die Polizei mitteilte, wurden am Freitag etwa 30 Menschen verletzt, 15 davon schwer. Die Verletztenangaben könnten sich im Laufe des Abends noch ändern, wenn Meldungen aus den Krankenhäusern zum Zustand der Patienten eingingen.
"So weit wir das überblicken können, sind alle Menschen aus dem Zug geborgen", sagte ein Polizeisprecher am Freitagnachmittag. Die Rettungskräfte würden die Waggons des entgleisten Zuges aber sicher noch einmal in Ruhe durchsuchen. "In so einem Bereich zu arbeiten, ist nicht ungefährlich", sagte der Sprecher.
Waggons liegen wie umgeworfen neben den Gleisen – Hunderte Retter im Dauereinsatz

Zug vermutlich entgleist – Ursache noch unklar
Der Zug sei im Ortsteil Burgrain in den Loisachauen vermutlich entgleist, so ein Sprecher der Bundespolizei – warum, sei noch unklar. Unter den Verletzten seien alle Altersgruppen, darunter auch Kinder. Die Dimension des Unglücks sei noch überhaupt nicht abzuschätzen. Zwölf Rettungshubschrauber kreisten über der Gegend an den Alpen.
Auf Luftbildern ist zu erkennen, dass der Zug mit Doppelstockwagen auf einer einspurigen langezogenen Kurve unterwegs war. Eine Weiche ist nicht zu sehen. Der Streckenabschnitt liegt erhöht auf einem Bahndamm, mehrere Waggons rutschten vom Damm in einen kleinen Bach. Die viel befahrene B2 führt genau vorbei.
Drei Waggons seien umgekippt. "Die Menschen werden durch die Fenster gezogen", sagte der Bundespolizei-Sprecher. Das Unglück ereignete sich gegen 12.15 Uhr – also zum Schulschluss, wenn viele Kinder auf dem Heimweg sind. Am Samstag beginnen in Bayern die Pfingstferien.
"Es wurde Vollalarm für Feuerwehr und Rettungsdienst ausgelöst"
Feuerwehr, Notärzte und Polizei waren mit einem Großaufgebot vor Ort. "Es wurde Vollalarm für Feuerwehr und Rettungsdienst ausgelöst", sagte ein Sprecher der Integrierten Leitstelle im Oberland. Auch aus München rückten zahlreiche Rettungsmannschaften an.
Ein amerikanischer Soldat war in einem der Autos auf der Straße neben der Bahnstrecke und erzählte seine Eindrücke dem "Garmisch-Partenkirchner Tagblatt": "Es war schrecklich", sagte er. "Einfach schrecklich. Plötzlich ist der Zug umgekippt."
Der Pressesprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd, Stefan Sonntag, sagte, es seien Anrufe von Bürgern eingegangen, dass ein Zug entgleist sei. Erste Leichtverletzte seien geborgen. Sie würden in einem nahe gelegenen Gebäude gesammelt. Auch Angehörige seien schon vor Ort. Zuerst hatte die "Bild"-Zeitung berichtet.
Die Deutsche Bahn sprach den Angehörigen der Opfer ihr "tiefes Mitgefühl" aus und richtete eine Hotline für Angehörige ein. "Über die Ursachen des Unfalls kann derzeit noch keine Aussage getroffen werden", hieß es in einer Mitteilung. Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) machte sich auf den Weg zur Unglücksstelle. Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) machte sich nach dem Abschluss der Innenministerkonferenz von Würzburg auf den Weg nach Garmisch. Dort wolle sie angesichts des schrecklichen Zugunglücks die Anteilnahme der Bundesregierung ausdrücken, teilte ein Sprecher des Ministeriums mit.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder äußerte sich erschüttert und tief betroffen. "Wir trauern mit den Angehörigen der Opfer und wünschen allen Verletzten rasche Genesung", schrieb der CSU-Chef bei Twitter. Gerade die Schüler hätten sich auf die Pfingstferien gefreut. "Großen Respekt und Dank allen Rettungskräften für die schnelle Hilfe", betonte Söder.
Bahn sperrt Strecke, Ersatzverkehr in Planung
Die Bahn sperrte die Strecke zwischen Garmisch-Partenkirchen und Oberau. Züge aus Richtung München wenden vorzeitig in Oberau. Aus Richtung Mittenwald wenden die Züge vorzeitig in Garmisch-Partenkirchen. Ersatzverkehr sei in Planung, hieß es auf Twitter. Ob der Regionalzug wegen des neuen 9-Euro-Tickets besonders voll war, war unklar.
Für die Region an der Grenze zu Österreich ist das Unglück kurz vor den Ferien auch verkehrstechnisch eine Katastrophe. Die Autobahn 95 wurde rund 20 Kilometer vor Garmisch gesperrt. Die nahe der Bahnlinien verlaufenden Bundesstraßen 2 und 23 ebenfalls. "Wir können den Verkehr im Moment nicht in Richtung Garmisch-Partenkirchen laufen lassen, weil die Rettungskräfte auf der Straße sind", sagte ein Polizeisprecher. Wegen des Beginns der Pfingstferien in Bayern sei auf der Route mit langen Staus zu rechnen.