Nach erheblichen Anfangsschwierigkeiten für die Erdbebenopfer in Haiti haben die USA die Kontrolle über den Flughafen von Port-au-Prince übernommen und koordinieren nun die Ankunft von Maschinen mit Hilfsgütern. "Bis jetzt kommt unser Beistand noch durch einen Gartenschlauch", sagte der Sprecher des US-Außenministeriums, P.J. Crowley. "Aber jetzt weiten wir das aus, da mit wir einen breiten Strom an Hilfe für Haiti bekommen."
Bis Montag sollen 9000 bis 10.000 US-Soldaten in Haiti oder auf Schiffen vor der Küste im Einsatz sein, wie der Vorsitzende der Vereinten Stabschefs, Admiral Mike Mullen, mitteilte. Bis Freitag waren zunächst 4200 Mann vor Ort, darunter die Besatzung des Flugzeugträgers "USS Carl Vinson". Eine Luftlandeeinheit begann mit der Verteilung von Nahrungsmitteln, Wasser und Medikamenten. In Washington sagte US-Präsident Barack Obama: "Es liegen noch viele schwierige Tage vor uns."
Spendenkonten
Mehr als 50.000 Menschen sind bei dem schweren Erdbeben in Haiti ums Leben gekommen. Unzählige sind obdachlos, verletzt und hilfsbedürftig. Wenn Sie für die Opfer der Naturkatastrophe spenden wollen, finden Sie hier eine Liste mit Hilfsorganisationen, die vor Ort die Bedürftigen unterstützen.
Auch der Hafen wurde total zerstört
Angesichts des zerstörten Hafens von Port-au-Prince sucht die US-Küstenwache in Haiti nach anderen Häfen, über die Hilfstransporte für die Erdbebenopfer angeliefert werden können. Es werde Monate dauern, bis der Hafen der haitianischen Hauptstadt repariert sei, sagte Paul Zukunft von der US-Küstenwache in Washington. Große Schiffe könnten dort derzeit nicht festmachen.
Am Samstag wurde US-Außenministerin Hillary Clinton in Port-au-Prince erwartet. Vor ihrer Abreise zu Gesprächen mit Präsident René Preval und Vertretern internationaler Hilfsorganisationen sagte sie, es gebe jetzt "ein Rennen gegen die Uhr", um für eine Stabilisierung zu sorgen, ehe es zu Unruhen und damit zu zusätzlichen Problemen kommen könnte. Clinton dankte der kubanischen Regierung für die Öffnung ihres Luftraums für US-Flugzeuge mit Hilfsgütern.
Kämpfe um Nahrungsmittel
Für die Überlebenden wird die Lage unterdessen zunehmend verzweifelter. Am Freitag häuften sich die Meldungen von Plünderungen. Junge Männer liefen mit Macheten durch die Straßen. Es kam zu Kämpfen um Nahrungsmittel, die aus Trümmern von Gebäuden gezogen wurden. "Wenn die Lage nicht bald kontrolliert wird, wird es zum Chaos kommen", sagte der Helfer Steve Matthews von der Organisation World Vision.
Auf einem Friedhof vor der Stadt luden Lastwagen Dutzende von Leichen in ein Massengrab. Im Süden der Stadt verbrannten Arbeiter mehr als 2.000 Leichen auf einer Müllhalde. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz schätzt, dass 45.000 bis 50.000 Menschen ums Leben gekommen sind.
Personensuche des Roten Kreuzes
Zahllose Menschen werden seit dem verheerenden Erdbeben in Haiti vermisst. Das Internationale Rote Kreuz gibt auf einer speziellen Web-Site die Möglichkeit, nach vermissten Verwandten und Freunden zu suchen.
Dort sind bisher bereits mehr als 14.000 Vermisste registriert, die Zahl der Einträge steigt weiter.
Häufigste Verletzung sind offene Knochenbrüche
Die Versorgung der Verletzten ist weiter kritisch. Vor einem Zentrum der Organisation Ärzte ohne Grenzen starben rund 100 Menschen, während sie auf medizinische Behandlung warteten, wie der Leiter der Vertretung, Stefano Zannini, telefonisch mitteilte. Die häufigste Verletzung seien offene Knochenbrüche. Mehr als 3000 Verletzte wurden zur Behandlung in die benachbarte Dominikanische Republik gebracht. Am Freitag landete eine Boeing 777 mit 250 medizinischen Helfern aus Israel, die mit den Arbeiten zur Errichtung eines Feldlazaretts begonnen haben.
Vor dem eingestürzten Präsidentenpalast harren mehrere tausend Obdachlose in einem Zeltlager aus. Seit Dienstag gebe es für sie kein Wasser, sagte die Krankenschwester Marimartha Syrel. Wenn keine Hilfe komme, so sagte die 21-jährige Straßenhändlerin Rivia Alce, "werden wir sterben".
Stimmung der Menschen könnte kippen
Die Vereinten Nationen haben die internationale Gemeinschaft zu einer Soforthilfe von 550 Millionen Dollar für die Erdbebenopfer in Haiti aufgerufen. Drei Millionen Menschen seien dringend auf Nahrungsmittel, Wasser, Unterkunft und medizinische Notversorgung angewiesen, sagte der UN-Koordinator für humanitäre Einsätze, John Holmes. Aufgrund der Auswertung von Satellitenaufnahmen stellten die Vereinten Nationen fest, dass mindestens 30 Prozent aller Gebäude in der Hauptstadt Port-au-Prince beschädigt oder zerstört wurden. In einigen besonders schwer betroffenen Vierteln sind es 50 Prozent und mehr.
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon sagte, die humanitäre Hilfe habe begonnen. Es sei allerdings "unvermeidlich, dass sie langsamer und schwieriger anläuft, als jeder von uns wünscht". Es gebe die Sorge, dass die Enttäuschung darüber in Gewalt umschlage.