Hochwasser-Katastrophe in Sachsen: Nach starken Regenfällen ist der Fluss Neiße an der Grenze zu Polen auf ungeahnte Höhen angeschwollen. In der Nacht zum Sonntag stieg der Strom nach einem Dammbruch in Polen rasend schnell an. Binnen drei Stunden kletterte der Pegel in Görlitz um vier Meter, am Sonntagmorgen wurden hier 7,07 Meter erreicht - der höchste Stand seit Beginn der Messungen im Jahr 1912. Normal ist zu dieser Jahreszeit ein Stand von 1,70 Metern. Zuletzt war die Neiße vor knapp 30 Jahren so stark angestiegen. Am 21. Juli 1981 war hier am Pegel ein Wert von 6,78 Meter erreicht worden.
Pegelstand bei Görlitz sinkt wieder
Inzwischen sei der Wasserstand in Görlitz zwar wieder leicht gefallen und bewege sich um die sieben Meter, sagte eine Sprecherin des sächsischen Landeshochwasserzentrums. Allerdings sei die Welle sei langgestreckt. Zwischen Zittau und Görlitz soll der Pegelstand bereits wieder sinken. Am Morgen wurde noch ein Anstieg auf 7,20 Meter befürchtet. Innenminister Markus Ulbig (CDU) warnte bei MDR Info, es werde damit gerechnet, dass die Pegel nach einem kurzen Absinken wieder stiegen.
In Teilen des Landkreises Görlitz und der Sächsischen Schweiz war bereits am Samstag Katastrophenalarm ausgerufen worden. Mindestens acht Menschen ertranken bisher durch die Hochwasser - vier in Tschechien, einer im polnischen Bogatynia und drei in Sachsen. Die drei älteren Bewohner eines Mehrfamilienhauses in Neukirchen bei Chemnitz waren laut Polizei im Keller von den Fluten überrascht worden.
Hunderte Menschen evakuiert
Entlang der Neiße, aber auch im Gebirge mussten Hunderte ihre Häuser verlassen. Allein in Zittau waren etwa 800 Menschen teilweise mit Schlauchbooten in Sicherheit gebracht worden. Die genaue Zahl der Betroffenen war am Morgen noch unklar, zumal die Evakuierungen flussaufwärts Richtung Brandenburg weitergingen. So musste in Rothenburg im Landkreis Görlitz eine Einrichtung geräumt werden, in der etwa 280 behinderte Menschen leben. Sie kamen in einer Polizeischule unter.
Die Neiße war nach dem Bruch einer Staumauer am Witka-Stausee in Polen zusätzlich mit Wasser gespeist worden. Der Fluss ergoss sich dann aber in der Nähe von Görlitz teilweise in den entstehenden Berzdorfer See und verschaffte so eine Atempause, wie der Katastrophenschutzstab des Landratsamtes Görlitz mitteilte.
Wetterdienst warnt vor weiteren Unwettern
Der Deutsche Wetterdienst (DWD) rechnet nicht mit einer schnellen Beruhigung der Lage im sächsischen Hochwassergebiet. Meteorologe Robert Scholz berichtete am Sonntag von extremen Niederschlägen bis zu 160 Litern pro Quadratmeter. Aktuell entspanne sich die Situation vorübergehend, nachdem der Dauerregen nach Nordosten abgezogen sei.
Von Westen ziehe aber schon wieder ein neuer Tiefausläufer mit weiteren Schauern und Gewittern heran: Tief "Wilhelmina". Dabei seien örtlich wieder sehr hohe Wassermengen durch Starkregen möglich, in der Fläche werde jedoch nicht mehr soviel Niederschlag zusammen kommen, hieß es weiter. Östlich von Zittau und dem überfluteten polnischen Bogatynia gebe es bereits erste Gewitter. Die Regenfälle könnten auch die Lage an der Elbe verschärfen.
Die Hochwasserwelle der Neiße wird nach Angaben der Feuerwehrleitstelle Lausitz gegen Sonntagmittag im Süden Brandenburgs erwartet. Aber erfahrungsgemäß steige der Fluss auf Brandenburger Gebiet nicht so hoch wie am sächsischen Oberlauf.
Mehrere Tote auch in Polen und Tschechien
Am Samstag hatte das Tief "Viola" auf dem Weg gen Osten unter anderem im Erzgebirgsort Neukirchen gewütet. Dort ertranken eine 72-Jährige, ihr 74-jähriger Ehemann und ein 63-jähriger Nachbar, als sie versuchten, Waschmaschinen vor den Fluten aus dem Keller ihres Hauses zu retten.
Wegen Hochwassers an der Elbe wurde der Zugverkehr zwischen Sachsen und Tschechien unterbrochen. In Polen wurde die Stadt Bogatynia an der Grenze zu Sachsen fast vollständig überflutet. Ein Mensch sei dabei ums Leben gekommen, sagte der Sprecher der polnischen Feuerwehr, Pawel Fratczak, der Nachrichtenagentur PAP.
Auf Wunsch der Regierung in Prag schickte das Deutsche Rote Kreuz vier seiner Luftretter mit Hubschraubern der Bundespolizei nach Tschechien. Viele Menschen warteten dort auf den Dächern ihrer Häuser auf Rettung, teilte die Hilfsorganisation mit. Auch hier soll es vier Tote gegeben haben.