Nach der Freilassung der vier israelischen Soldatinnen dringen erste Berichte über ihre Zeit in Geiselhaft an die Öffentlichkeit. Die Frauen seien im Gazastreifen sowohl in Häusern von Zivilisten als auch in Tunneln festgehalten worden, meldeten israelische Medien unter Berufung auf Angehörige, die erste Gesprächen mit den Soldatinnen geführt haben. Demnach wechselten die Israelinnen oftmals ihre Aufenthaltsorte. Sie hätten zeitweise nichts zu essen bekommen, einige hätten auch lange Zeit nicht duschen können.
Eine der Frauen wurde den Berichten zufolge auch lange Zeit allein in einem dunklen Tunnel festgehalten. Einige Israelinnen seien auch dazu gezwungen worden, für ihre Entführer zu kochen und deren Toiletten zu putzen. Sie hätten aber Radio gehört und manchmal Fernsehen geschaut, hieß es weiter. Berichte über die Proteste für die Freilassung der Geiseln in Israel hätten den Soldatinnen Kraft gegeben.
Das sind die Geiseln, die die Hamas bisher frei ließ

Die vier jungen Frauen wurden am Samstag in Israel von ihren Familien empfangen und sind ärztlichen Angaben zufolge in einem "stabilen" Zustand. Im Gegenzug wurden 200 palästinensische Häftlinge aus israelischen Gefängnissen entlassen. Am Abend demonstrierten Angehörige in Tel Aviv für die Freilassung der weiteren Geiseln.
Die vier Soldatinnen Daniella Gilboa, Karina Ariev, Liri Albag und Naama Levy waren beim Großangriff islamistischer Kämpfer auf Israel am 7. Oktober 2023 verschleppt worden, als sie auf der Militärbasis Nahal Oz an der Grenze zum Gazastreifen ihren Wehrdienst leisteten. Gilboa hat auch einen bulgarischen Pass.
Hamas nutzen Geisel-Übergabe für Propaganda
Vermummte palästinensische Kämpfer in voller Kampfmontur führten die vier Frauen am Samstag zunächst einer Menschenmenge in der Stadt Gaza vor. Umringt von bewaffneten Kämpfen standen sie vor einem riesigen Propaganda-Plakat. Die in Militärkleidung gekleideten Frauen lächelten aber, winkten von der Bühne und streckten ihre Daumen nach oben.
Anschließend wurden die Geiseln dem Internationalen Roten Kreuz übergeben. Kurz darauf nahm die israelische Armee sie in Empfang. Nach ihrer Rückkehr nach Israel trafen die vier Frauen zunächst ihre Eltern. Anschließend wurden sie zur Untersuchung in ein Krankenhaus gebracht, wo weitere Angehörige auf sie warteten. Die Terrororganisation veröffentlichte anschließend auch ein Video der Propaganda-Veranstaltung.
Zu dem von der Hamas inszenierten Prozedere sagten die Frauen demnach, dass sie ihren Entführern dabei zeigen wollten, dass sie stark seien. Zudem hätten sie unberührt von der beabsichtigten Demütigung wirken wollen.
Netanjahu: "Dies ist ein sehr glücklicher Moment"
Die vier Frauen haben nach Angaben der stellvertretenden Direktorin des Rabin Medical Center bei Tel Aviv, Lena Feldman Koren, die Gefangenschaft offenbar gut überstanden. "Nach einer ersten medizinischen Beurteilung freue ich mich berichten zu können, dass ihr Gesundheitszustand stabil ist", sagte Koren. Zugleich seien aber die Auswirkungen "einer langen Gefangenschaft unter zermürbenden Bedingungen sichtbar".
Regierungschef Benjamin Netanjahu äußerte sich erleichtert. "Dies ist ein sehr glücklicher Moment, auf den wir lange gewartet haben", sagte er in einem Telefonat mit den Eltern von Liri Albag. Die 19-Jährige bedankte sich ihrerseits in einem von der israelischen Armee verbreiteten Video für ihre Unterstützung der Geisel-Familien. "Vielen Dank, ich liebe euch alle", sagte Albag. Sie dankte den Israelis, die "unsere Familien unterstützt und ihnen Trost gespendet haben" sowie den israelischen Soldaten, "die alles für uns getan haben".
Israel erwartet noch mindestens 20 weitere Geiseln
Es war der zweite Gefangenenaustausch im Rahmen des Mitte Januar abgeschlossenen Waffenruhe-Abkommens zwischen Israel und der Hamas. Vor einer Woche waren bereits drei israelische Geiseln, alles junge Zivilistinnen, im Austausch für palästinensische Gefangene freigekommen.
In der ersten Phase des Abkommens sollen nun noch 26 weitere israelische Geiseln freigelassen werden. Zudem sollen in diesen 42 Tagen nach ägyptischen Angaben insgesamt etwa 1900 palästinensische Häftlinge freikommen. Parallel dazu werden die Hilfslieferungen in den Gazastreifen verstärkt.
Insgesamt sollen sich im Gazastreifen nun noch 87 Verschleppte aus Israel befinden, 34 von ihnen sind nach Einschätzung der israelischen Armee bereits tot. Unter ihnen ist nach Angaben aus dem Auswärtigen Amt noch eine "niedrige zweistellige Zahl" von Menschen mit "Deutschland-Bezug".