Der Duisburger Oberbürgermeister Adolf Sauerland hat zugegeben, dass vor der Loveparade-Katastrophe mit 21 Toten falsche Besucherzahlen bekanntgegeben wurden. "Wir sind vom Veranstalter aufgefordert worden, die realen Zahlen nicht zu veröffentlichen", sagte der CDU-Politiker dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". Während offiziell von einer Besucherzahl im Millionenbereich die Rede war, gab es nur eine Genehmigung für 250.000 Technofans. "Mehr ging gar nicht", sagte Sauerland und hat damit Vermutungen bestätigt, dass mit den offiziell verbreiteten Zahlen nur Marketing betrieben werden sollte.
Mit dem Interview hat Sauerland sein wochenlanges Schweigen gebrochen. Es ist das erste Mal, dass er sich ausführlich zu der Katastrophe vom 24. Juli äußerte. Bei den "mehreren Millionen Besuchern", von denen er selbst vor der Parade gesprochen hatte, habe es sich um "gepushte Zahlen" gehandelt, gab Sauerland zu. Auf Bitte des Veranstalters habe die Stadt Duisburg bei der Marketinglüge mitgemacht.
Sauerland: "Keine Kompromisse bei der Sicherheit"
Die Genehmigungsprozess für die Großveranstaltung verteidigte der Duisburger OB allerdings erneut. Polizei, Bundespolizei, Feuerwehr und Ordnungsamt seien an den Vorbereitungen beteiligt gewesen. "Und am Ende steht die Frage: Ist dieses Konzept sicher? Das haben alle bejaht. Also wird genehmigt", sagte er. Auch bei der letzten großen Sitzung habe es keine Bedenken gegeben. Er sehe keine Punkte, die man intensiver hätte prüfen müssen. "Was wir gemacht haben, war plausibel und stimmig", sagte der Oberbürgermeister.
Sauerland wehrt sich damit gegen Vorwürfe, Sicherheitsbedenken des Bauordnungsamtes vom Tisch gewischt zu haben. Medienberichten zufolge soll aus einem Sitzungsprotokoll der Stadtverwaltung Duisburg vom 18. Juni 2010 hervorgehen, dass Sauerland Sicherheitsbedenken des Bauordnungsamtes bekannt gewesen seien. In einem TV-Interview mit Sender WDR, das am Sonntag unter dem Titel "Kreuzverhör" ausgestrahlt wird, sagte Sauerland, man habe bei der Sicherheit keine Kompromisse gemacht. "Wir haben als Verwaltung unsere Vorstellungen durchgesetzt und sind nicht zurückgewichen." Der Veranstalter habe deswegen seine Konzepte nachbessern müssen.
OB erhielt mehrere Morddrohungen
In der TV-Sendung sprach Sauerland auch über einen möglichen Rücktritt. "Natürlich stelle ich mir die Frage, ob man das Amt nach so einem tragischen Ereignis weiter ausüben kann. Aber diese Antwort werde ich erst dann geben, wenn ich die Antworten auf die uns alle bedrückenden Fragen habe", sagte der 55-Jährige. Sauerland lehnt einen sofortigen Rücktritt nach wie vor ab und räumt auch keine persönliche Schuld ein: "Es muss geklärt werden, wer der Verursacher dieses tragischen Ereignisses war. So weit sind wir noch nicht."
Der Oberbürgermeister betonte in dem TV-Interview, wie sehr ihn das Unglück mitnehme: "Jeden Morgen, wenn ich wach werde, wünsche ich mir, dass alles das, was wir erlebt haben, nur ein böser Traum ist, aber es ist Realität." Dem "Spiegel" sagte er außerdem, dass er mehrere Morddrohungen erhalten habe. Ein Unbekannter habe erklärt, 5000 Euro dafür bekommen zu haben, wenn er ihn töte. Er fühle sich deshalb als "Getriebener" und habe seine Familie "sicherheitshalber aus der Stadt gebracht".