Loveparade-Katastrophe Zahl der Todesopfer steigt auf 20

Die Zahl der Todesopfer der Massenpanik auf der Duisburger Loveparade hat sich auf 20 erhöht. Am Montag erlag eine junge Frau ihren Verletzungen.

Die Zahl der Todesopfer nach der Massenpanik bei der Loveparade in Duisburg ist auf 20 gestiegen. Eine junge Frau starb im Krankenhaus, wie Staatsanwaltschaft und Polizei am Montag in der Ruhrgebietsstadt mitteilten. Die 21-jährige Deutsche sei am Abend ihren Verletzungen erlegen. Mehr als 40 der insgesamt mehr als 500 Opfer wurden zu Wochenbeginn weiter in Kliniken behandelt.

Die Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen, Hannelore Kraft (SPD), kritisierte im ARD-Brennpunkt das Sicherheitskonzept für die Massenveranstaltung am Samstag. Es sei "klar erkennbar, dass es nicht gut war", sagte die Regierungschefin. Es müsse geklärt werden, wer wo Verantwortung trage, und dann müssten "dringend auch Konsequenzen" gezogen werden. Bei künftigen Großveranstaltungen müsse die Verantwortung beim Innenministerium liegen, erklärte Kraft.

Ermittlungen können Monate dauern

Die Ermittlungsbehörden rechnen nicht mit einer raschen Klärung der Ursache für die Massenpanik. "Das wird Wochen, wenn nicht Monate dauern", sagte Staatsanwalt Rolf Haferkamp. Es müssten viele Zeugen ausfindig gemacht und befragt werden. Zudem würden Fotos und Videos vom Unglücksort ausgewertet.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt Haferkamp zufolge gegen Unbekannt wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung und der fahrlässigen Körperverletzung. Es gehe darum herauszufinden, ob Entscheidungen getroffen worden seien, die dazu geführt hätten, dass es Todesopfer gab. Nach Polizeiangaben liegen zwei Strafanzeigen vor. Da es nach dem Unglück auch Kritik an der Duisburger Polizei gegeben hat, wurden die polizeilichen Ermittlungen nach Angaben des nordrhein-westfälischen Innenministeriums der Polizei in Köln übertragen. Warum gerade Köln ausgewählt wurde, wollte der Sprecher nicht sagen. Es sei bereits eine Ermittlungskommission eingerichtet worden, hieß es. Ob diese hauptsächlich von Köln aus arbeiten oder nach Duisburg ziehen werde, sei noch unklar. "Akten können wir auch von Köln aus auswerten."

Polizei bezweifelt Teilnehmerzahl

Zahlreiche Augenzeugen und die Polizeigewerkschaft haben das Sicherheitskonzept der Veranstaltung seit Sonntag als unzureichend kritisiert. Zudem habe es Warnungen gegeben, dass die Techno-Party wegen der Massen von Besuchern in einer Tragödie enden könne. Die Besucher hatten nur durch einen Tunnel auf das Gelände kommen können, an dessen Ausgang es dann schließlich zu der folgenschweren Massenpanik kam. Die Beantwortung von Detailfragen zu dem Konzept haben Vertreter von Stadt und Polizei trotz hartnäckiger Nachfragen unter Verweis auf die laufenden Ermittlungen bisher verweigert. Sie erklärten jedoch, dass es auf dem Festgelände ausreichend Platz gegeben habe. Nach einem Bericht der "Neuen Presse" in Hannover wusste die Stadt Duisburg offenbar durchaus, worauf sie sich einließ. Aus dem Protokoll der Sitzung des Kulturausschusses des Stadtrates am 15. Dezember 2009 geht hervor, dass mit einer Million Besucher gerechnet wurde, das Veranstaltungsgelände wird in dem Papier mit 255.000 Quadratmetern als "sehr groß" eingestuft.

Von einer Massenpanik wollte der Duisburger Polizeichef Detlef von Schmeling schon am Sonntag ebenso wenig sprechen wie von der zuvor auch von der Polizei verbreiteten Zahl von 1,4 Millionen Besuchern. Am Montag ergänzte ein Polizeisprecher, diese Zahl sei schon "rechnerisch unmöglich". 1,4 Millionen Menschen hätten weder mit den bestehenden Verkehrsmitteln in der zur Verfügung stehenden Zeit anreisen können, noch hätten sie auf dem Veranstaltungsgelände überhaupt Platz gefunden. Das zeige auch ein Vergleich mit der A-40-Sperrung am Wochenende zuvor. Dabei hätten die drei Millionen Besucher über 60 Kilometer eine vier- bis sechsspurige Autobahn dicht gefüllt. Das Duisburger Gelände umfasse dagegen gerade 230.000 Quadratmeter, von denen die Hälfte wegen Bebauung oder Sicherheitsvorkehrungen nicht nutzbar gewesen sei. Über den ganzen Tag verteilt seien auf dem Veranstaltungsgelände und auf dem Weg dorthin zusammen höchstens 300.000 bis 400.000 Menschen gewesen, sagte der Sprecher. Der Weg zur Bühne sei absichtlich lang gewählt und mit weiteren Bühnen ausgestattet worden, um die Besuchermenge auseinanderzuziehen. Veranstalter zögen die Teilnehmerzahlen von Veranstaltungen gern aus Werbegründen hoch, betonte der Polizeisprecher.

Duisburgs OB lehnt Rücktritt weiter ab

Doch selbst die von der Polizei geschätzte Besucherzahl würde den Sicherheitsrahmen sprengen. Ein nun öffentlich gewordenes internes Verwaltungsdokument zeigt, dass das Festgelände für maximal 250.000 Menschen freigegeben war. Dies, obwohl sowohl die Stadt als auch die Veranstalter mit deutlich mehr als einer Million Teilnehmer gerechnet haben - ein bei Loveparades durchaus übliche Zahl. Das Schriftstück vom 21. Juli 2010 soll den Titel "Genehmigung einer vorübergehenden Nutzungsänderung" tragen und richte sich an die Berliner Lopavent GmbH, die Veranstalter der Loveparade ist, heißt es in einem Bericht von "Spiegel online". Die Behörden hätten darin die Organisatoren von bestimmten Vorschriften für Fluchtwege befreit und auch auf Feuerwehrpläne verzichtet. Dafür gaben sie den Ausrichtern der Party vor, dass die maximale Personenzahl, die sich gleichzeitig auf dem Veranstaltungsgelände aufhalten darf, auf 250.000 Personen begrenzt werden müsse. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft wird dem Bericht nachgegangen. Vehemente Kritik richtete sich auch weiter gegen den Duisburger Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU), der sich für die Austragung der Loveparade in der Ruhrgebiets-Stadt mit knapp 500.000 Einwohnern stark gemacht hatte. Sauerland war am Sonntagabend beim Besuch der Unglücksstelle ausgebuht worden. "Die Frage, ob wir uns etwas vorzuwerfen haben, beschäftigt mich ganz persönlich, lässt mich nicht ruhen", erklärte er am Montag in einer persönlichen Stellungnahme. Die Forderung nach einem Rücktritt sei zwar nachvollziehbar, diesen Schritten lehnt er aber weiter ab. "Wir müssen uns die Zeit nehmen dürfen, zunächst die schrecklichen Geschehnisse aufzuarbeiten."

Veranstalter bis zu 7,5 Millionen Euro versichert

Sauerland sagte weiter, es gebe drängende Fragen, auf die nun Antworten gefunden werden müssten. Die Stadt Duisburg werde die Staatsanwaltschaft in ihrer Arbeit unterstützen. Auch die Rolle der Stadt gelte es zu beleuchten. "Wenn sich die Stadt etwas vorzuwerfen hat, dann werden wir Verantwortung übernehmen", erklärte er. Sauerland wandte sich auch an die Angehörigen der Verstorbenen und Verletzen: "Die Stadt trauert mit Ihnen, auch ich ganz persönlich." Er wisse, dass die Angehörigen von ihm Antworten erwarten, die er aber zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht geben könne.

Nach einem Bericht der "Financial Times Deutschland" hat sich der Loveparade-Veranstalter, die Lopavent GmbH, gegen Haftungsansprüche in Höhe von maximal 7,5 Millionen Euro versichert. Die deutsche Tochter des französischen Versicherungskonzerns Axa trägt die Deckelung der Summe alleine. Sollten Ansprüche über diese Deckungssumme hinaus entstehen, wird der Veranstalter dafür privat haften müssen. Gründer und Geschäftsführer der Lopavent ist Rainer Schaller, der auch die Fitness-Kette McFit betreibt. Ob und in welcher Höhe Ansprüche an Lopavent gestellt werden, muss sich noch zeigen.

DPA · Reuters
dho/APN/DPA/AFP/Reuters

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