Details zum Amoklauf in Uvalde 18-jähriger Schütze war eine Stunde im Klassenraum – erst dann griff die US-Polizei ein

Polizei nach Massaker in Uvalde unter Druck
Zwei Polizisten zünden vor der Robb Elementary School eine Kerze an
© Jae C. Hong / AP / DPA
Nach dem Blutbad in einer Grundschule in Texas gerät die Polizei unter Druck. Ihr wird vorgeworfen, nicht rechtzeitig am Tatort gewesen zu sein. Unterdessen reist Joe Biden an den Unglücksort. Und Trump tritt bei einem Treffen der mächtigen Waffenlobby NRA auf.

Die Polizei gerät nach dem Blutbad in einer Grundschule im US-Bundesstaat Texas wegen ihres Vorgehens während des Massakers unter Druck. Eltern werfen den Einsatzkräften vor, zu lange untätig gewesen zu sein und nicht rechtzeitig eingegriffen zu haben. Die Behörden bestätigten am Donnerstag, dass der Schütze rund eine Stunde in dem Klassenzimmer verbracht habe, in dem er auf die Schulkinder und Lehrerinnen schoss. Erst dann habe die Polizei den Raum betreten und den 18-Jährigen erschossen.

Bei einer Pressekonferenz in der Gemeinde Uvalde gab Victor Escalon vom Ministerium für öffentliche Sicherheit in Texas weitere Details zum Ablauf der Tat bekannt und sprach von einer "komplexen Situation". Der Angreifer Salvador Ramos habe etwa um 11.40 Uhr (Ortszeit) am Dienstag die Grundschule und schließlich ein Klassenzimmer in der Nähe eines Eingangs betreten, sagte er. Polizei sei innerhalb weniger Minuten vor Ort gewesen, weil Zeugen den bewaffneten Schützen vor der Schule gesehen hätten.

Auf die Frage, warum die Polizei nicht direkt versucht habe, in den Klassenraum einzudringen, sagte Escalon, es hätte den Polizisten an Spezialausrüstung gefehlt. Die Tür sei "verbarrikadiert" gewesen. Die Polizei hatte dann Verstärkung angefordert und Schulkinder und Lehrkräfte in Sicherheit gebracht. Außerdem hätte sie versucht, mit dem Schützen zu verhandeln. Dieser habe einen Großteil der Schüsse ganz zu Anfang abgefeuert. "Während der Verhandlungen wurde nicht viel geschossen, außer dass er versuchte, die Polizisten auf Abstand zu halten", sagte Escalon. Nach rund einer Stunden seien Spezialkräfte eingetroffen, die den 18-Jährigen erschossen hätten.

Behörden unter Rechtfertigungsdruck

Darüber, wie genau sich die Tat abgespielt hat, hatte es in den vergangenen Tagen widersprüchliche Angaben von der Polizei gegeben. Zunächst hieß es, der Schütze sei bereits vor der Schule von einer Sicherheitskraft konfrontiert worden. Das bestätigte Escalon nun nicht. Stattdessen konnte der 18-Jährige ungehindert durch eine unverschlossene Tür in die Schule laufen. Bei der Pressekonferenz am Donnerstag gerieten die Behörden unter Rechtfertigungsdruck. "Warum klären Sie das nicht auf und erklären uns, wie es sein kann, dass Ihre Beamten eine Stunde lang drin waren (...), aber niemand in der Lage, in diesen Raum zu gelangen?", fragte ein Journalist.

Zuletzt wurden immer mehr kritische Stimmen von Eltern aus Uvalde laut. Sie werfen der Polizei vor, zu zögerlich gehandelt zu haben. "Ich habe einem der Beamten selbst gesagt, wenn sie nicht reingehen wollen, sollen sie mir seine Waffe und eine Weste leihen und ich werde selbst reingehen, um die Sache zu regeln", sagte Victor Luna dem Sender CNN. Sein Sohn Jayden habe das Massaker überlebt. Die Polizei habe ihren Job gemacht, sagte Luna. Aber sie hätte es schneller tun können. Andere Eltern äußerten sich ähnlich in US-Medien.

Ehemann von getöteter Lehrerin stirbt an "einem gebrochenen Herzen"

Das Massaker an der Grundschule in Uvalde kostete 21 Menschen das Leben. 19 von ihnen waren Kinder. Nun gab es ein weiteres Opfer. Zwei Tage nach dem Schulmassaker ist der Ehemann von einer der getöteten Lehrerinnen gestorben. Joe Garcia starb an einem Herzinfarkt, wie Ernie Zuniga, ein Nachrichtensprecher des Lokalsenders Kabb Fox San Antonio, am Donnerstag auf Twitter schrieb. Die Familie von Garcia sprach von einem Tod "aus Trauer".

Auf einer Spendenwebsite, die von der Cousine der getöteten Lehrerin Irma Garcia eingerichtet wurde, hieß es: Irmas Ehemann Joe sei "heute Morgen (26.05.2022) tragischerweise an den Folgen eines medizinischen Notfalls verstorben". Sie gehe davon aus, Joe sei "an einem gebrochenen Herzen gestorben", weil er "die Liebe seines Lebens verloren hat", fügte sie hinzu. John Martinez, Garcias Neffe, teilte auf Twitter mit, Joe Garcia sei "aus Trauer gestorben". 

Das Paar, das laut der Website der Robb Elementary School 24 Jahre lang verheiratet war, hinterlässt vier Kinder. Sowohl Irma Garcia als auch ihre Lehrerkollegin Eva Mireles, die gemeinsame Klassenzimmer hatten, starben bei dem Schulmassaker. 

Debatte um schärfere Waffengesetze

Für Sonntag hat sich nun hoher Besuch in Uvalde angekündigt. US-Präsident Joe Biden und seine Ehefrau Jill wollen gemeinsam mit den Bewohnern der Stadt um die 21 Todesopfer trauern, wie das Weiße Haus am Donnerstag erklärte. Biden hatte bereits am Mittwoch angekündigt, er werde "in den kommenden Tagen" nach Uvalde reisen. Biden hat nach dem Schulmassaker wiederholt eine Verschärfung des laxen Waffenrechts in den USA gefordert. "Das waren Grundschulkinder, sie sollten ihre ersten Zähne verlieren, nicht ihr Leben", sagte Bidens Sprecherin Karine-Jean Pierre. Entsprechende Vorstöße seiner Demokratischen Partei scheiterten aber bislang am Widerstand der oppositionellen Republikaner.

An diesem Freitag tritt der frühere US-Präsident Donald Trump in Houston (Texas) bei der Jahrestagung der mächtigen Waffenlobby NRA auf. Der Republikaner ist vehement gegen eine Verschärfung der Waffengesetze. Trumps Teilnahme an der Veranstaltung stand bereits seit einiger Zeit fest. Er bestätigte sein Kommen nun noch einmal. "Amerika braucht in diesem Moment echte Lösungen und echte Führung, nicht Politiker und Parteilichkeit", schrieb er auf der von ihm mitbegründeten Social-Media-Plattform Truth Social.

Die häufigste Todesursache in den USA

Schusswaffen haben Autounfälle als häufigste Todesursache bei Kindern und Jugendlichen in den USA abgelöst. Offiziellen Daten der Gesundheitsbehörde CDC aus dem Jahr 2020 zufolge starben insgesamt 4368 Kinder und Jugendliche bis 19 Jahren durch Schusswaffen. Im Vergleich dazu gab es 4036 Todesfälle im Zusammenhang mit Kraftfahrzeugen – der bisher häufigsten Todesursache in dieser Altersgruppe.

Die Zahl der getöteten Kinder und Jugendlichen  durch Schusswaffen entspricht einer Rate von 5,4 pro 100.000. Fast zwei Drittel dieser Todesfälle waren Tötungsdelikte. Dass Todesfälle mit Fahrzeugen an der Spitze abgelöst wurden, liegt wohl auch daran, dass sich die Maßnahmen zur Verkehrssicherheit im Laufe der Jahrzehnte verbessert haben. Unterdessen wurden Waffengesetze eher gelockert. Die Trendlinien kreuzen sich im Jahr 2020 – jüngere Daten liegen noch nicht vor. 

Die Zahlen waren vergangene Woche in einem Schreiben an das Fachmagazin "New England Journal of Medicine" veröffentlicht worden. Die Autoren stellten fest, dass die neuen Daten zusammen mit anderen Belegen übereinstimmen, wonach Waffengewalt während der Corona-Pandemie aus nicht eindeutigen Gründen zugenommen hat. Es könne allerdings "nicht davon ausgegangen werden, dass sie später wieder auf das Niveau vor der Pandemie zurückgeht". 

Bei den meisten Todesfällen durch Schusswaffengebrauch handelt es sich um Suizide. Schulmassaker wie im texanischen Uvalde machen nur einen kleinen Teil der Todesfälle durch Schusswaffen im Kindesalter aus. Bei Jungen war die Wahrscheinlichkeit, durch eine Waffe zu sterben, sechsmal höher als bei Mädchen.

Die Todesfälle betreffen überproportional oft schwarze Kinder und Jugendliche, die mehr als viermal so häufig sterben wie weiße Kinder. Für diese stellen immer noch Fahrzeuge eine größere Bedrohung dar. Nach Regionen aufgeschlüsselt, war die Todesrate durch Schusswaffen in der Hauptstadt Washington am höchsten, gefolgt vom Bundesstaat Louisiana und Alaska.

DPA · AFP
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