Ein Streit im Leitstand der Transrapid-Teststrecke im Emsland war möglicherweise ein Grund für die Katastrophe mit 23 Toten im September 2006. Vor dem Unglück habe es eine Auseinandersetzung zwischen dem Fahrdienstleiter und weiteren Mitarbeitern gegeben, sagte einer der beiden Angeklagten vor dem Landgericht Osnabrück. Ein Kollege habe ihm zugetragen, dass einer der auf dem Leitstand Anwesenden unmittelbar nach dem Unglück gerufen habe: "Scheiße, und die elektronische Sperre haben wir auch nicht gesetzt."
Eine eigene Schuld an dem Unfall wies der 50-jährige Betriebsleiter jedoch zurück. "Ich bin zu der Überzeugung gelangt, dass ich meinen Verpflichtungen im vollen Umfang fehlerlos nachgekommen bin." Er selber sei wegen einer Fachtagung in Berlin am Unfalltag erst am Nachmittag in Lathen eingetroffen.
Einer der Anwälte der Nebenklage, die die Opfer und Angehörigen in dem Prozess vertreten, sprach von einer "überraschenden Wende". Auf seine Nachfrage, ob der Unfall vermeidbar gewesen wäre, hätte es die verbale Auseinsetzung nicht gegeben, sagte der Angeklagte: "Es ist schon denkbar, dass ein solcher Streit die Beteiligten abgelenkt hat, dass sie die komplette Welt um sich herum vergessen haben."
Bei dem Unglück am 22. September 2006 war die Magnetschwebebahn mit hoher Geschwindigkeit auf ein Wartungsfahrzeug geprallt. Zusammen mit den beiden Betriebsleitern wurde zunächst auch der Fahrdienstleiter angeklagt, der damals die Testrecke für den Transrapid freigab, obwohl auf ihr ein Wartungsfahrzeug stand. Das Landgericht stellte das Verfahren gegen 58-Jährigen ein, weil dieser verhandlungsunfähig war. Der Fahrdienstleiter war nach dem Unglück psychisch erkrankt. Ein Sachverständiger hatte bei einem Prozesses akute Selbstmordgefahr gesehen.
Mildes Urteil erwartet
Die Anklage macht die beiden Betriebsleiter für Mängel in den Sicherheitsvorschriften der Teststrecke verantwortlich, die den Aufprall des 179 Stundenkilometer schnellen Transrapids auf das Wartungsfahrzeug erst möglich gemacht haben sollen. Die Angeklagten sollen es versäumt haben, die Betriebsabläufe verbindlich so zu regeln, dass Kollisionen zwischen der Magnetbahn und dem Wartungsfahrzeug ausgeschlossen waren.
Die Angeklagten können jedoch mit einem mildem Urteil rechnen. Die Strafe werde sich wohl am unteren Rand bewegen, sagte Oberstaatsanwalt Hubert Felskamp. "Die Angeklagten waren honorige Personen, die immer auf die Sicherheit geachtet haben." Die Höchststrafe für "fahrlässige Tötung durch Organisationsverschulden" sind fünf Jahre Haft.
Das Gericht hat für den Prozess sechs Verhandlungstage angesetzt sowie zwei Sachverständige und 18 Zeugen geladen. Neben Polizisten, die nach dem Unglück ermittelten, und Mitarbeitern der Teststrecke sollen auch Opfer aussagen. Elf Menschen überlebten das Unglück mit zum Teil schweren Verletzungen. Nach Angaben einer Gerichtssprecherin treten in dem Verfahren 40 Familienangehörige von Todesopfern oder Überlebenden als Nebenkläger auf.