Zu heiß, zu trocken, zu extrem: Damit lässt sich die Klima- und Wetterlage des vergangenen Jahres wohl am besten zusammenfassen. Während sich der Klimawandel vor Jahren noch auf entlegenen Inselstaaten fernab Europas abspielte, erleben die Bewohner des Kontinents dessen Folgen nun hautnah. Großbritannien verzeichnete mit 40 Grad Celsius neue Hitzerekorde, im Süden Europas bekämpften und flohen Menschen vor großflächigen Bränden, während sich Flüsse wie der Rhein teils gänzlich leerten oder rekordverdächtig niedrige Pegel erreichten.
In der EU war 2022 das wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Das zeigen Daten des Erdbeobachtungsprogramms Copernicus. Ein Blick auf Ergebnisse und Folgen:
Temperaturrekorde
... verzeichneten insbesondere die Anrainerstaaten im nordwestlichen Mittelmeerraum, aber auch der Nordosten Skandinaviens. Im Sommer, Herbst und Winter war es dort zu warm, während der Frühling außergewöhnlich kühl ausfiel. Mancherorts lagen die Tagestemperaturen im März und Mai dennoch zwischen acht und zehn Grad über dem Durchschnitt. Mit einem Plus von 1,4 Grad war der Sommer in Europa der wärmste seit Beginn der Temperaturmessungen. Die Zahl der warmen Tage erhöhte sich im Südwesten und Westen Europas um 30 Prozent.
"Der langfristige Trend zu höheren Oberflächenlufttemperaturen über den europäischen Landregionen hält an", heißt es in dem Klimareport.

Seit dem vorindustriellen Zeitalter sind die durchschnittlichen Luft- und Meerestemperaturen um 1,2 bzw. 0,9 Grad gestiegen. Wie schnell sich sie ansteigen, variiert jedoch je nach Region. Die Luft an Land erwärmte laut Copernicus-Bericht etwa doppelt so schnell wie über den Ozeanen. Mit drei Grad hat sich die Arktis weltweit am stärksten erwärmt, wohingegen sich Europa doppelt so schnell erwärmt wie der globale Durchschnitt. Damit erhitzt sich dieser Erdteil schneller als alle anderen Weltregionen.
Rekordverlust an Gletschereis in den Alpen
Zu den überdurchschnittlich hohen Temperaturen im Sommer und im Winter kam ein Niederschlagsdefizit, das sich vor allem für Bewohner und Touristen in der Alpenregionen bemerkbar machte: Die Schneephase in Teilen Mittel- und Südeuropas verkürzte sich um 20 Tage, mancherorts waren es sogar bis zu 50 Tage. Klimaforscher sprechen bereits von einem langfristigen Trend. Weniger Schnee bedeutet aber auch weniger Schmelzwasser aus dem sich zahlreiche europäische Flüsse und Seen speisen. Ein niederschlagsarmer Winter kann die Schneeschmelze im Frühjahr verzögern, heißt es im europäischen Klimareport.
Sorgen bereiten Klimawissenschaftlern auch die Gletscher. Laut Österreichischem Alpenverein schmelzen die österreichischen Eisriesen so schnell, wie in der dokumentierten Gletschergeschichte nicht. Das bestätigt auch der Copernicus-Bericht. Der attestiert den Alpengletschern einen rekordverdächtigen Eisverlust. "Während weltweit ein beträchtlicher Massenverlust der Gletscher zu verzeichnen ist, gehören die europäischen Alpen zu jenen Regionen, in denen die Gletscher am stärksten schrumpfen", heißt es. Seit den 1990er Jahren hat sich der Gletscherschwund noch einmal verstärkt. Die europäischen Gletscher verloren – je nach Region – zwischen neun und 34 Meter ihrer Eisdicke.
Allein im vergangenen Jahr gingen 5 Kubikkilometer Eis in den europäischen Alpen verloren. Grund dafür seien der fehlende Winterschnee und der ungewöhnlich warme Sommer.
Ähnliches beobachten die Klimaforscher auch in der Arktis: Der Anteil des mehrjährigen Eises geht zurück, während der des einjährigen Eises zunimmt. Langfristig soll das auch so bleiben. Dass sich das Meereis über Jahre hält und ausdehnt, war einmal.
Rekordverdächtig viele Sonnenstrahlen
Positiv bewertet der Bericht dagegen zunächst, dass sich die Zahl der Sonnenstunden zwischen Januar und Juli um 130 Stunden erhöht hat. Die Wolkendecke schrumpfte um vier Prozent. Einziges Problem: Starke Sonneneinstrahlung in Kombination mit hohen Temperaturen erhöhen die Konzentration von Ozon. Das eigentlich wichtige Spurengas in der Atmosphäre schützt die Erde vor schädlichen Ultraviolettstrahlungen der Sonne. In zu hohen Mengen kann es aber gesundheitsschädlich sein. Es reizt die Atemwege, verursacht Husten, Kopfschmerzen oder Atembeschwerden.
Erhöhte Brandgefahr
Hitze und Trockenheit sorgten 2022 dafür, dass die Brandgefahr fast das ganze Jahr überdurchschnittlich hoch ausfiel. Dadurch wurden Großbrände zwischen März und Oktober begünstigt. Schätzungen zufolge verbrannten auf dem europäischen Kontinent 90.000 Hektar. Mit jeweils ungefähr 10.000 Hektar verbrannter Flächen waren Frankreich, Portugal, Spanien, Slowenien und die Tschechische Republik am stärksten betroffen.

Quellen: Copernicus-Bericht, Umweltbundesamt