Klaus Fuchs weiß schon, was ihm blüht, als es am 3. Februar 1950 an seiner Tür klingelt. Schon länger wird der britische Atomphysiker verdächtigt, für die Sowjetunion zu spionieren. Nun ist seine Tarnung endgültig aufgeflogen, Fuchs hat letztendlich selbst gestanden. Er wird verhaftet und vor Gericht gestellt. Der Richter bezeichnet ihn im Prozess als "gefährlichsten Mann Großbritanniens". Für Nobelpreisträger Hans Bethe wiederum war Fuchs "der einzige Physiker, der die Welt verändert hat".
Beides aus gutem Grund: Fuchs gilt als einer der brillantesten Physiker seiner Zeit und arbeitete am "Manhattan-Projekt" mit – dem berüchtigten militärischen Forschungsprojekt, das die Atombombe entwickelte. Dadurch verfügt er über streng geheime Informationen, die im Kalten Krieg eine entscheidende Rolle spielen können. Fuchs gibt einige dieser Informationen weiter an die Sowjetunion – und muss dafür lange ins Gefängnis.
Klaus Fuchs: Ein Kommunist als Atomphysiker
Geboren wird Klaus Fuchs in Deutschland, 1911 in Rüsselsheim am Main. Er engagiert sich politisch in der kommunistischen Partei KPD, wird nach Hitlers Machtergreifung verfolgt und flieht nach Paris. Später zieht er weiter nach Großbritannien, um dort sein Physik- und Mathematik-Studium fortzusetzen und abzuschließen. Sein Talent zeigt schon der Umstand, dass Fuchs gleich zwei Mal promoviert: Erst schreibt er seine Doktorarbeit in Mathematik, dann in Physik.
1942 nimmt Fuchs die britische Staatsbürgerschaft an, in seiner neuen Heimat hat man mitten im Zweiten Weltkrieg längst erkannt, dass sich die Kenntnisse des Wissenschaftlers auch zu militärischen Zwecken nutzen lassen könnten. Fuchs wird Teil des britisch-kanadischen Atomprogramms "Tube Alloys" in Birmingham. Schon wenig später folgt die Beförderung ins "Manhattan-Projekt". Dort forschen Wissenschaftler unter der Leitung des Physikers J. Robert Oppenheimer daran, die Kernspaltung militärisch zu nutzen.
Als am 6. August 1945 in Hiroshima die Zeit stehen blieb

Gleichgewicht der Mächte
Doch zu dem Zeitpunkt hegt Klaus Fuchs bereits erhebliche Zweifel an seiner Arbeit und ihren möglichen Implikationen für die Welt. Ihm war klar, welchen unermesslichen Schaden eine Atombombe anrichten könnte, und vor allem fürchtete er, die Waffe könnte Nazi-Deutschland in die Hände fallen – dem Regime, vor dem er geflohen war. Außerdem glaubt der überzeugte Kommunist Fuchs, dass die Sowjetunion nach dem Überfall der Wehrmacht von den Briten und Amerikanern nicht genügend unterstützt wird. "Das Wissen der Atomforschung sollte nicht das Privateigentum eines Landes sein, sondern zum Nutzen der Menschheit mit dem Rest der Welt geteilt werden", erklärt er später. So wird Fuchs zum Spion, Codename "Rest".
Schon während seiner Zeit bei "Tube Alloys" gibt er Informationen an die Sowjets weiter, lässt den Militärnachrichtendienst GRU über seine Kenntnisse des Forschungsfortschritts teilhaben. Und die sind beträchtlich: Fuchs ist maßgeblich an der Entwicklung der Plutoniumbombe "Fat Man" und am Test der ersten Atombombe beteiligt. Seine Informationen helfen den Sowjets unter Stalin, ihr eigenes Atomprogramm aufzusetzen. 1945 setzen die US-Amerikaner die Atombombe zum Ende des Zweiten Weltkriegs erstmals in Hiroshima und Nagasaki ein, 1949 zündet die Sowjetunion ihre erste Atombombe. Von da an besteht ein Gleichgewicht der Mächte.

Umstrittenes Vermächtnis
Fuchs, mittlerweile wieder zurück im Vereinigten Königreich, wird 1950 enttarnt, wie man heute weiß, durch verschlüsselte Nachrichten aus der Sowjetunion während des Zweiten Weltkriegs, die von den Briten aber erst später dechiffriert werden konnten. Der Physiker wird verhaftet und vor Gericht gestellt. Er hatte noch Glück, in Großbritannien den Prozess gemacht zu bekommen, in den USA hätte ihm womöglich sogar die Todesstrafe gedroht. Und: Offiziell hat er nur Geheimnisse an eine befreundete Nation verraten, denn zu diesem Zeitpunkt sind das Königreich und die Sowjetunion noch Verbündete. Fuchs ist geständig: "Es wurde mir klar, dass es gewisse Begriffe des moralischen Betragens gibt, die man nicht missachten kann", gibt er im Prozess zu. Er wird zu 14 Jahren Haft verurteilt.
Von dieser Strafe sitzt Fuchs neun Jahre ab, dann darf er das Gefängnis auf Bewährung verlassen und in die DDR ausreisen. Dort wird der im Westen verurteilte Spion überschwänglich begrüßt, bekommt einen Ruf an die Technische Universität in Dresden, eine hohe Stellung beim Zentralinstitut für Kernforschung, politischen Einfluss und mehrere Auszeichnungen.
Am 28. Januar 1988 – vor 35 Jahren – stirbt Klaus Fuchs in Ost-Berlin im Alter von 76 Jahren. Sein Vermächtnis wird nach wie vor kontrovers diskutiert – Verräter oder Vorbild? Fuchs sei seinem Gewissen gefolgt, sagen seine Verteidiger, und habe schon früh erkannt, dass es in der Atomfrage eine Patt-Situation brauche. Dieses "Gleichgewicht des Schreckens" gilt als einer der gewichtigsten Gründe dafür, dass der folgende Kalte Krieg nie in letzter Instanz eskaliert ist.
Quellen: MI5 / "Süddeutsche Zeitung" / "Welt" / "Zeit"