Es war im letzten Sommer, als sich Bangkok plötzlich so ganz anders anfühlte. Erst war mir nicht klar, was es war. Dann aber, nach drei, vier Tagen, da wusste ich es: der Himmel war blau. Tagelang. Bangkoks Luft ist offensichtlich besser geworden. Bei meinem ersten Besuch in der thailändischen Hauptstadt vor acht Jahren gab es keinen blauen Himmel. Der Himmel über der "Stadt der Engel" war tagein, tagaus von einem trüben Einheitsgrau, die Luft zum Schneiden dick, manchmal konnte man die Luftverschmutzung richtig sehen und schmecken.
Jetzt also kann man wieder den blauen Himmel über Bangkok sehen. Es hat sich was getan. Noch immer ist der Verkehr mörderisch. Tatsächlich hat die Zahl der zugelassenen Fahrzeuge in den letzten zehn Jahren um 40 Prozent zugenommen. Im gleichen Zeitraum hat die Luftverschmutzung aber um 47 Prozent abgenommen. Im Durchschnitt liegt jetzt der Anteil der schädlichen Schmutzpartikel bei 43 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Das ist ein Wert, der unter dem von der US-Umweltbehörde gesetzten Grenzwert von 50 Mikrogramm und nur knapp über den EU-Grenzwert von 40 Mikrogramm liegt.
Das kleine Umweltwunder wurde möglich durch Politiker und Beamte wie Bhichit Rattakul, dem ehemaligen Gouverneur von Bangkok: Sie räumten dem Umweltschutz oberste Priorität ein. Taxis in Thailands Hauptstadt wurden auf Flüssiggas umgestellt. Seit vergangenem Oktober wird Biodiesel gefördert. Fast alle heute in Thailand verkauften Mopeds sind Viertakter. Vor einem Jahrzehnt noch gab es fast nur solche mit stinkenden Zweitaktmotoren. Langfristig sollen auch die altersschwachen Busse aus dem Verkehr gezogen werden, die mit ihren pechschwarzen Auspuffwolken das Atmen lebensgefährlich machen. Bhichit Rattakul hat gar 400.000 Bäume pflanzen lassen.
Zentrale Rolle der Städte
Städte spielen eine zentrale Rolle im Kampf gegen den Klimawandel. Das ist die Botschaft des in dieser Woche in New York stattfinden "C 40 Large Cities Climate Summit", auf dem Bürgermeister und Stadtdirektoren aus 40 Großstädten mit Umweltexperten und Wissenschaftler zusammentreffen. Städte bedecken zwar nur ein Prozent unserer Erde, sie tragen aber mit 80 Prozent überproportional zu den Treibhausgasemissionen bei.
Im Mittelpunkt der Veranstaltungen stehen die aus allen Nähten platzenden Megastädte Asiens, die berüchtigt sind für dicke Luft, mörderischen Autoverkehr, schlechte sanitäre Verhältnisse, großzügigem Umgang mit Energie für Milliarden von Klimaanlagen. Von den 20 am schlimmsten verpesteten Städten der Welt sind 16 in China zu finden. Was die chinesische Übernahme der ehemaligen britischen Kronkolonie Hongkong nicht geschafft hat, schafft die extrem schlechte Luft: Unternehmen wandern ab.
Umweltprobleme der Megacitys
Natürlich ist auch Bangkok noch immer weit davon entfernt, ein Luftkurort zu sein. Aber das Beispiel der Zehn-Millionen-Stadt zeigt, dass die asiatischen Megacitys gegen Luftverschmutzung und den Ausstoß von Treibhausgasen als Ursache der globalen Erwärmung aktiv werden können. Es sind Metropolen wie Hongkong, Jakarta, Manila oder die Olympiastadt Peking, die in den vergangenen Monaten durch extreme Umweltprobleme für Schlagzeilen sorgten.
In Manila liegt nach Angaben der Asian Development Bank die Luftverschmutzung 200 bis 400 Prozent über den Grenzwerten. Anfang November vergangenen Jahres waren 80 Flüge wegen schlechter Sichtverhältnisse verspätet, verursacht durch Dreck in der Luft am Flughafen von Peking. In Hongkong sind es der Verkehr und die Emissionen der Fabriken im benachbarten Pearl River Delta, die an den ganz schlechten Tagen die Lungen der Bürger so belasten wie acht Zigaretten.
Das Dilemma asiatischer Großstädte
Die wirtschaftlich aufstrebenden Staaten Südostasiens wie Thailand, Malaysia, Vietnam oder Indonesien rangieren nach China und Indien bereits an dritter Stelle bei den Treibhausgasemissionen durch Entwicklungsländer. Wenn nichts passiert, wird sich der Kohlendioxidausstoß bis 2050 um 350 Prozent steigern, warnt die Internationale Energiebehörde. Ursache ist der steigende Energiebedarf für die boomenden Wirtschaften der Region. Greenpeace zufolge muss Südostasien bis 2050 seine Treibhausgasemissionen um 50 Prozent senken.
Damit steckt Südostasien in einem Dilemma. Das Wirtschaftswachstum wird dringend benötigt, um die weit verbreitete Armut zu beseitigen. Gleichzeitig zieht es immer mehr Menschen in die schon jetzt kaum noch regierbaren gigantischen Metropolen Asiens. Mit zehn Millionen Einwohnern ist Bangkok im Vergleich zu Jakarta mit 17 Millionen oder Peking mit über 15 Millionen eher ein kleiner Riese.
Etwa die Hälfte der 1,3 Milliarden Chinesen werden in drei Jahren in einer der 600 Millionenstädte Chinas leben. Stadtluft macht frei, so die Hoffnung. Die durch Industrie, Motorräder und Autos verpestete Stadtluft macht aber auch krank. Schon jetzt sterben nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation jährlich eine halbe Million Menschen in Südostasiens Städten an Krankheiten, die durch die schlechte Luft ausgelöst werden.
Investitionen in die Umwelt
Asien muss in eine nachhaltige Infrastruktur für Verkehr, Wasser, sanitäre Einrichtungen, Energieversorgung investieren. Das ist die Kernaussage der Studie "Die asiatisch-pazifische Umwelt am Siedepunkt", den die UN-Wirtschafts- und Sozialkommission für Asien und den Pazifik (UNESCAP) im vergangenen Dezember veröffentlicht hat. Das erfordere langfristige Planung. "Diese zusätzliche Herausforderung der Entkoppelung von Wirtschaftswachstum und ökologischem Druck erfordert große Sprünge. Die beste verfügbare Technologie und modernste Planungstechniken müssen genutzt werden, um grünere Konsum- und Produktionsmuster zu entwickeln", sagt Rae Kwon Chung, Chef der Abteilung für Umwelt und nachhaltige Entwicklung der UNESCAP in Bangkok.
Einer der großen Knackpunkte sind aber gerade die asiatischen Konsumenten. Während Unternehmen und Regierungen beginnen, die Gefahr Klimawandel ernst zu nehmen, gibt sich die rasant wachsende Mittelklasse der wirtschaftlichen Schwellenländer einem Konsumrausch ohne Vorbild hin. Hoch im Kurs steht alles, was zur Herstellung als auch in der Nutzung Energie verbraucht: Handys, Computer, iPods, Mopeds, Autos.
Ebenfalls weit oben auf der Beliebtheitsskala: Reisen. Vor vier Jahren gab es keine Billig-Airlines in Südostasien. Heute sind Billigflieger wie AirAsia aus Malaysia oder Tiger Airways aus Singapur dabei, den großen etablierten Fluggesellschaften den Rang abzulaufen. Marktführer AirAsia allein beförderte im vergangenen Jahr 9,3 Millionen Passagiere zwischen China, den Philippinen, Vietnam, Macau, Hongkong, Kambodscha, Indonesien, Singapur und Malaysia.
Allein in diesem Jahr orderte die AirAsia-Unternehmensgruppe 150 Airbus 320 und sicherte sich für 50 weitere eine Option. Damit ist AirAsia der größte Einzelkunde für dieses Airbusmodell. Die Region ist inzwischen für 60 Prozent der weltweiten Tourismusnachfrage gut, schätzt die Pacific Asia Travel Association. Sie werde bis 2009 zweistellige Wachstumsraten in der Reisebranche verzeichnen und dieses Wachstum werde zum größten Teil aus den asiatisch-pazifischen Märkten selbst kommen.
Masterplan gegen die Umweltverschmutzung
Vielleicht kommt aber auch die nachhaltige urbane Ökolösung aus Asien. In der Nähe von Shanghai entsteht die Ökomodelstadt Dongtan. Die Stadt ist Bestandteil eines Masterplans, mit dem China bis 2010 die Basis schaffen will, um der zunehmenden Umweltverschmutzung Einhalt zu gebieten. Geplant sind 10.000 Einwohner bis zur Expo in Shanghai 2010. Bis 2050 soll die Ökostadt eine halbe Million Einwohner haben. Dongtan wird seine benötigten Grundgüter selbst umweltfreundlich erzeugen. Energie wird zu 100 Prozent aus Wind, Sonne und Wasserkraft gewonnen. Das intelligente Verkehrssystem läuft mit Wasserstoff- oder Elektromotoren und folgt der Vorgabe "zero-emissions".
Am 9. Mai 2007 hat Bangkoks Stadtverwaltung die Bürger und Unternehmen in den fünf wichtigsten Wirtschaftsvierteln der Stadt aufgerufen, für 15 Minuten die Lichter und alle überflüssigen Geräte abzuschalten. Der kontrollierte Blackout sollte den Treibhausgasausstoß Bangkoks um 4800 Tonnen reduzieren, hoffte Bangkoks Gouverneur Apirak Kosayodhin. Während Apirak mit 2000 geladenen Gästen in der Shoppingmall "Central World Plaza" für eine Viertelstunde im Dunkeln saß, ging draußen auf den Straßen, in den Geschäften, im Rotlichtviertel das Leben voll erleuchtet weiter.