Tiefseebergbau Die Knollen der Begierde: Der nächste Goldrausch muss erstmal warten

Manganknollen
Manganknollen am Meeresboden bei Kiel
© ROV-Team, GEOMAR-Helmholtz-Z./ / Picture Alliance
Auf dem Meeresboden liegen Milliarden Tonnen begehrter Metalle: in Form faustgroßer Knollen. Viele Firmen würden sie gerne sofort abbauen, aber die zuständige Behörde tut sich mit Regularien schwer. Für das Tiefsee-Ökosystem steht viel auf dem Spiel.

In 4000 bis 6000 Meter Tiefe liegt alles herum, was für die Klimawende benötigt wird: Mangan, Kobalt, Kupfer, Nickel – der Stoff aus dem Akkus und Batterien gemacht werden. Unter anderem. Millionen von Jahre hat es gebraucht, bis sich die Metalle dort unten abgelagert haben und nun, in Form von faustgroßen Knollen, darauf warten "geerntet" zu werden. Genau genommen haben es die Manganknollen selbst nicht eilig, aber Firmen wie The Metal Company (TMC). Die Kanadier haben bereits Maschinen getestet, mit denen sie die begehrten Rohstoffe von den Tiefseeböden einsammeln können und auch beantragt, damit anzufangen.

Der "Mining Code" soll nun 2025 kommen

In der jamaikanischen Hauptstadt Kingston hätte die erteilt werden können. Doch auch nach einer zweiwöchigen Sitzung konnte sich der zuständige Rat der Internationalen Meeresbodenbehörde (ISA) nicht auf ein Regelwerk zur Ausbeutung der Tiefsee einigen. Das wenige, worüber sich die 36 Mitgliedsstaaten verständigt haben, war, den längst überfälligen "Mining Code" bis 2025 festzulegen. Bis dahin soll auch nicht über Anträge wie den von TMC entschieden werden.

Doch allein die schiere Menge der vermuteten Rohstoffe weckt Begierden. In der Clarion-Clipperton-Zone im Pazifik zwischen Mexiko und Hawaii etwa liegen so viele Maganknollen herum, dass sich bis zu 20 Kilogramm pro Quadratmeter "ernten" ließe. Der gesamte pazifischen Manganknollengürtel ist größer als die Europäische Union und umfasst Abermilliarden von Tonnen.

Sicher ist bislang, dass der kommerzielle Abbau von Rohstoffen am Boden internationaler Meere Gefahren noch nicht absehbaren Ausmaßes für das dortige Ökosystem mit sich bringen würde. Nur welche, ist noch nicht absehbar. Die Tiefsee ist einer der letzten großen, unbekannten Flecken auf diesem Planeten. Von den rund 300 Millionen Quadratkilometern Meeresboden gelten gerade einmal fünf Prozent als erforscht.

Was natürlich nicht heißt, dass die Menschheit spurlos daran vorüber gegangen wäre. Forschende fanden jüngst Unmengen an Plastikmüll – in 9582 Metern Tiefe. Weil dort unten kaum Wellen existieren und es auch kein Sonnenlicht gibt, wird der Abfall noch sehr lange vor sich verrotten. Veränderungen passieren in den Untiefen der Ozeane langsamer als im Zeitlupentempo.

30 Jahre alte, unveränderte Fahrspuren

Besonders eindrücklich war das auf Bildern vom Meeresgrund südöstlich der Galapagosinseln zu sehen. Dort hatte 1989 ein Team der Hamburger Uni den Abbau von Manganknollen getestet und eine Art Saugbagger elf Quadratkilometer Meeresboden umgepflügt. 2016, also fast 30 Jahre später, schauten Forscher nach, was in der Gegend seitdem passiert war. Zu ihrem Erstaunen stellten sie fest: nichts. Nichts Gutes jedenfalls. Die in den Sand gefrästen Fahrspuren des Roboters schienen unverändert, nur die Bakterienpopulation war zu einem Großteil verschwunden.

So in der Art könnte es in Zukunft an vielen Stellen des Meeresbodens aussehen, wenn Firmen wie TMC ihre panzergroßen Knollen-Kollektoren auf den Meeresgrund loslassen. Nach einer Vereinbarung von 1994 gehört der Tiefseeboden zum Gemeinsamen Erbe der Menschheit, und die Nutzung der dortigen Ressourcen muss zum Wohle der Menschheit geschehen. Ob darunter auch der Abbau von Manganknollen fällt, mit denen private Firmen umwelt- und klimaschonende Elektroautos bauen? Bislang wagt auch die Wissenschaft keine Prognose darüber, welche möglichen Schäden die "Knollenernte" anrichten werden.

Aber die Funktion der "Kollektoren" bereitet Forschenden Sorgen: Die saugen nicht nur die Knollen auf, sondern auch alle Organismen, die auf ihnen sowie in und auf dem Sediment leben. Zudem können die entstehenden Sedimentwolken großflächige Schäden anrichten. Studien warnen zudem vor Gefahren für Wale durch Lärm und für Menschen durch die Radioaktivität der Knollen.

In einer Reihe von Studien haben sich Wissenschaftler:innen mit konkreten Auswirkungen des Tiefseebergbaus beschäftigt. Allein die "Ernteflächen" werden so riesig sein, dass bei geschätzen 30 Jahren Abbauzeit pro Unternehmen 500 Millionen Tonnen verschlammtes Abwasser entstehen wird. Diese Sedimente könnten mit gelösten, toxischen Metallen riesige Schmutzwolken bilden und hunderte Kilometer durch die Ozeane getragen werden. Tiere, die etwa klares Wasser gewohnt sind, wären nicht in der Lage, die Verschmutzungen herauszufiltern. "Tiefsee-Bergbau bedeutet ein signifikantes Risiko für das Ökosystem in mittleren Wassertiefen", heißt es in einer Studie der University of Hawaii.

Kommt eine Pause für den Tiefseebergbau?

Deutschland plädiert auch angesichts solcher Ergebnisse für eine vorsorgliche Pause beim Tiefseebergbau. Bis die Umweltfolgen besser erforscht sind haben sich gut 20 Länder inzwischen für ein solches Moratorium oder sogar ein Verbot ausgesprochen. Den Forderungen haben sich auch verschiedene Konzerne angeschlossen: darunter BMW, Samsung, Philips und Google. Dem WWF und einem Bericht im Auftrag von Greenpeace zufolge ist der Tiefseebergbau für die Energie- und Verkehrswende nicht unbedingt nötig.

Die ungeduldigen Kanadier von TMC aber schaffen bereits Fakten: Durch Abkommen mit den Staaten Nauru, Tonga und Kiribati hat das Unternehmen potenzielle Lizenzen für drei Gebiete im tropischen Pazifik. Bei einem Pilotversuch vor einigen Monaten hat The Metal Company mehr als 3000 Tonnen Manganknollen an die Meeresoberfläche gepumpt – und es ist nun jederzeit bereit, die Erntemaschinen auch im ganz großen Stil einzusetzen.

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