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Neue Studie "Alarmierende Entwicklung": Regenwald verliert immer mehr Widerstandsfähigkeit

Rauch steigt aus dem Regenwald auf
Feuer, entweder in Folge von langen Dürreperioden oder Brandrodung, sind eine massive Bedrohung für den Regenwald.
© Fernando Souza / Picture Alliance
Der Regenwald erholt sich immer schlechter nach Naturkatastrophen und Eingriffen des Menschen. Das zeigt eine neue Studie. Die Wissenschaftler sprechen von einem besorgniserregendem Warnsignal.

Der Regenwald, der im Weltklima eine Schlüsselrolle einnimmt, steuert auf den Kipppunkt zu. Eine neue Studie zeigt eine alarmierende Entwicklung: Rund drei Viertel der Grünfläche hat in den vergangenen Jahrzehnten an Widerstandsfähigkeit verloren. Demnach erholt sich das Ökosystem immer schlechter von menschengemachten Schäden und Naturkatastrophen.

Regenwald speichert Millionen Tonnen Kohlenstoff

Das geht aus einer Analyse von Satellitenaufnahmen aus dem Zeitraum 1991 bis 2016 hervor. Wissenschaftler des Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, der Technischen Universität München und der University of Exeter in Großbritannien haben die Bilder ausgewertet und warnen vor verheerenden Folgen für den Klimawandel und die Artenvielfalt.

Eine von zehn in der Wissenschaft bekannte Tier- und Pflanzenspezies ist im Regenwald beheimatet. Zudem speichern das Ökosystem gewaltige Mengen an Kohlenstoff: Bis zu 140 Millionen Tonnen können die Bäume nach Angaben der BBC in sich binden. Deshalb gilt der Regenwald als Kippelement im Erdsystem, das das gesamte Klima der Welt aus dem Gleichgewicht bringen könnte.

Bäume könnten massenweise absterben

Bereits mit einem teilweisen Absterben werde der Kohlenstoff "als Treibhausgase freigesetzt, was wiederum zur globalen Erwärmung beiträgt", erläutert Niklas Boers, Professor an der Technischen Universität München und Leiter der Studie. Genau dieses Szenario prognostizieren die Ergebnisse der Forschung. Seit den frühen 2000er-Jahren habe der Regenwald an Widerstandskraft eingebüßt, was es für das Ökosystem schwieriger macht, nach Störungen wieder ins Gleichgewicht zu kommen.

Luftaufnahme zeigt einen Teil des Regenwaldes
Die Grünflächen des Regenwaldes könnten nach und nach verschwinden. Experten befürchten das massenhafte Absterben von Bäumen.
© Ian Trower / Picture Alliance

"Die Bäume verlieren an Gesundheit und könnten sich einem Wendepunkt nähern", erklärt Dr. Chris Boulton von der University of Exeter der "BBC". Das könnte ein Massenverlust von Bäumen bedeuten. Auf "ein erhöhtes Risiko für das Absterben des Amazonas-Regenwaldes" weist auch sein Kollege Boers hin. Seit Beginn des industriellen Zeitalters ist laut den Experten schon ein Fünftel der gesamten Grünfläche verschwunden.

Regenwald wird zur Savanne

Manche Teile des Ökosystems setzen bereits jetzt mehr Kohlenstoff frei, als sie aufnehmen können. Laut Boulton hätten schon frühere Computersimulationen bewiesen, dass manche Gebiete des Waldes zum Absterben verurteilt seien, bevor starke Änderung überhaupt sichtbar werden. "Unsere Analyse zeigt nun, dass die Destabilisierung in vielen Bereichen tatsächlich bereits im Gange zu sein scheint", fügt der Wissenschaftler hinzu.

Die gefährliche Entwicklung ist auch der Umweltorganisation WWF nicht entgangen. In einer zwei Jahre alten Mitteilung mahnte der Brasilien-Referent Roberto Maldonado : "Schon bald könnte die Zerstörung des weltweit größten Regenwaldes einen Punkt erreicht haben, an dem es kein Zurück mehr gibt.“ Der Umweltschützer befürchtete eine großflächige Degradierung des Amazonas zur Savanne.

Gravierende Auswirkungen auf das Weltklima

Die neuen Studienergebnissen bestätigen diese Sorge. Die Ergebnisse von Boers und seinen Kollegen deuten darauf hin, dass sich große Teile des Regenwaldes in einigen Jahrzehnten in Savannen, ein Ökosystem aus Grasland und Bäumen, verwandeln könnte. "Wir können nicht vorhersehen, wann ein möglicher Übergang vom Regenwald zur Savanne stattfindet", sagt Studienleiter Boers. Fest steht nur, dass es bereits zu spät sein wird, wenn sich der Wandel beobachten lässt. Schätzungen zufolge könnte für das Erreichen des Kipppunktes ein Verlust von 20 bis 25 Prozent der Walddecke im Amazonasbecken ausreichen.

Für die Experten ein "besorgniserregendes" Warnsignal. Nicht nur, dass Savannen viel weniger effizient Kohlenstoff aus der Luft saugen, der Verlust des Regenwaldes hätte gravierende Auswirkungen auf das Weltklima. Der dabei freigesetzte Kohlenstoff resultiere laut Boulton in einer höheren globalen Durchschnittstemperatur. Weltweit könnten Trockenperioden und Überschwemmungen zunehmen.

Dürre zugleich Ursache und Folge

Dabei ist Dürre auch einer der treibenden Faktoren der Entwicklung. Die Studie zeigt auf, dass Pflanzen in trockene Gebiete gefährdeter sind als in feuchten Regionen. "Das ist alarmierend, da die IPCC-Modelle eine allgemeine Austrocknung des Amazonasgebiets als Reaktion auf die anthropogene globale Erwärmung prognostizieren", sagt Boers. Dürre ist also zugleich Ursache und Folge – ein Teufelskreislauf.

Abgeholzter Regenwald in Peru
Die Abholzung des Waldes befeuert die Entwicklung zur Savanne. 
© H. Wilhelmy / Picture Alliance

Ein weiterer Faktor, der die Degradierung des Regenwaldes befeuert, ist der Mensch. Amazonas-Gebiete, in deren Nähe Landnutzung betrieben wird, sind ebenfalls stark gefährdet. Das Ökosystem leidet massiv unter Holzfällung und Brandrodung, die unter dem brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro ein Rekordniveau erreicht haben. Darüber berichtete unter anderem die "Tagesschau“.

Regenwald für Fleischproduktion abgeholzt

Getrieben von wirtschaftlichen Zielen, lässt der Politiker für die Fleischproduktion und die Erschließung von Rohstoffen immer mehr Waldareale dem Erdboden gleichmachen. Auf diesen wird dann beispielsweise Soja als Futtermittel für die Massentierhaltung angebaut. Die Abholzung des Regenwaldes bezeichnet WWF-Experte Maldonado als "pures Gift für den Amazonas".

An dieser Stelle sieht der WWF auch Deutschland in der Verantwortung. Solange die weltweite Nachfrage nach Fleisch und anderen tierischen Produkten nicht sinke, werde man weiterhin Regenwald abholzen. Der Import von Fleisch und Futtersoja trage erheblich zur Zerstörung des Ökosystems bei. Die Politik müsse den gesetzlichen Rahmen schaffen, damit weniger Produkte, die mit Waldzerstörung in Verbindung stehen, im Supermarkt landen.

Die Abholzung stark einzuschränken, sehen auch die Autoren der Studie als entscheidende Maßnahme. Zusätzlich sei "aber auch eine Begrenzung der globalen Treibhausgasemissionen notwendig", heißt es im Fazit der Studie.

Quellen: "BBC", "Nature Climate Change", "Tagesschau", WWF

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