Am Straßenrand in Moskau steht eine junge Frau, die sich Polina nennt und einen Strauß roter Rosen in der Hand trägt. Seit Minuten überlegt sie, ob sie hinüber zu dem Gedenkstein gehen soll, der auf der anderen Seite des Platzes liegt, in einem kleinen, verschneiten Park. Verkehr rauscht vorbei, es ist Freitagabend, die Nachricht vom Tod Alexej Nawalnys ist erst ein paar Stunden alt. Von Weitem sieht sie Polizeiwagen für den Abtransport von Gefangenen, die an der Seite parken, Dutzende Polizisten bewachen die Trauer um den wichtigsten Gegner des Putin-Regimes. Als seien in Russland mittlerweile sogar Blumen gefährlich. "Sie haben ihn wirklich umgebracht", sagt Polina. "Es ist ein Schock."
Die Gedenkstätte war 1990 zur Erinnerung an die Opfer politischer Repressionen errichtet worden, als Michail Gorbatschow die Sowjetunion verändern wollte. Heute veröffentlicht die Organisation OWD-Info Ratschläge für Russen, die dort und anderswo Blumen zum Gedenken an Alexej Nawalny niederlegen wollen: Wasser, Passkopie, Handy und Powerbank mitnehmen, im Falle einer Festnahme Polizeiprotokolle genau lesen, ruhig bleiben, keinen Widerstand leisten. "Falls Sie eine Haftstrafe ableisten müssen, haben Sie das Recht auf Essen, Wasser, einen Schlafplatz und 15 Minuten Telefongespräche täglich."
