Koalitionsgipfel zu Flüchtlingen Vielleicht kapiert es die CSU noch

In den 90er Jahren zankten sich die Parteien um die Asylpolitik. Das Ergebnis: Die Republikaner trumpften auf. Das gilt es diesmal zu vermeiden.

Na bitte. Langsam kommt die Kanzlerin in Schwung. Wochenlang war sie beim Thema Flüchtlinge verschwunden, überließ ihrem Vize, SPD-Chef Sigmar Gabriel, das Feld. Nun streift sie ihr Image der Zaudernden ab: Anfang vergangener Woche trat sie als Flüchtlingskanzlerin auf, nun präsentierte sie, nach fast sechs Stunden Beratungen im Kanzleramt, erste Ergebnisse.

Ist das der Befreiungsschlag?

Sechs Milliarden Euro sollen Länder und Kommunen mehr bekommen, 3000 weitere Stellen die Bundespolizei. Das Leiharbeitsverbot für Asylbewerber und Geduldete wird gelockert, es wird Armutsflüchtlingen aus dem West-Balkan leichter gemacht, hierzulande zu arbeiten. Zugleich werden in den Erstaufnahmelagern weniger Bargeld, dafür mehr Sachleistungen ausgeteilt, und ein Teil der Flüchtlinge soll schneller abgeschoben werden.

Ist das der Befreiungsschlag aus der Flüchtlingskrise?

Es ist zumindest ein Anfang. Und das ist viel angesichts des Chaos, das in vielen Städten und Gemeinden herrscht. Ob der Mix von Hilfe und Abschreckung hilft, weiß derzeit keiner. Das entscheidet sich ohnehin nicht in einer längeren Sitzung im Kanzleramt, das entscheidet sich im zähen Ringen mit Ländern und Kommunen und den EU-Staaten.

Nur dass es keiner vergisst: Deutschland ist privilegiert. Unserem Land geht es gut, die Wirtschaft wächst, viele Leute haben einen Job, die Staatskasse quillt über. Den Andrang aus dem Ausland können wir so leichter bewältigen als unsere Nachbarn. In Italien, Griechenland oder Ungarn lahmt die Wirtschaft, die Arbeitslosigkeit ist hoch. Flüchtlingen zu helfen, bedeutet dort den eigenen Bürgern Härten zuzumuten. Das macht die Einigung auf einen Verteilungsschlüssel so schwer.

Deutschland geht es gut

Und doch wird ein europäischer Kompromiss nötig sein. Wie Europa mit den Flüchtlingen umgeht, bestimmt unser Bild in der Welt. Bestimmt, wie wir unsere Werte von Hilfe und Fairness praktisch leben. Bestimmt, ob wir ernst genommen werden. Europa ist keine Speisekarte, wo sich jeder sein Lieblingsgericht aussuchen kann. Europa funktioniert nur, wenn Lasten geteilt werden, und Deutschland wird von diesen Lasten ein paar mehr tragen müssen, ja, weil es uns verdammt gut geht.

Die eigentliche Bewährungsprobe steht erst bevor. Derzeit beherrscht eine fast euphorische Stimmung das Land. Es wird gespendet, freiwillig geackert und improvisiert, Flüchtlingshilfe ist "in". Das ist gut. Diese Stimmung kann aber umschlagen. Viele Menschen haben Angst vor Überfremdung, haben Vorbehalte gegen Asylbewerber, und in einigen Landesteilen leben sie die Vorurteile offen aus.

Fehler der Vergangenheit vermeiden

Noch haben die Volksparteien diese Stimmung kaum bedient. Noch haben sie vernünftig gehandelt. Noch haben sie mit Flüchtlingen keinen Wahlkampf betrieben. Noch.

Am Wochenende brach die CSU diesen Konsens, als sie Merkel für ihren unbürokratischen Umgang mit den Flüchtlingen an der ungarisch-österreichischen Grenze kritisierte. In der Koalitionsrunde am Sonntag spielte der CSU-Vorwurf keine große Rolle, und vielleicht bleibt er die Ausnahme.

Dann hätten die Parteien aus der Vergangenheit gelernt. In den neunziger Jahren endete die Flüchtlingskrise im Parteienstreit, wodurch alle Volksparteien verloren und nur die Republikaner gewannen. CDU und SPD wollen offenbar die Fehler der Vergangenheit vermeiden. Die CSU nicht. Aber vielleicht lernen es die Bayern noch. Ist ja nicht ausgeschlossen.